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2024.05._Kurztrip nach Kairo

Viel Neues schon vor der Ankunft

Liebe Menschen aus unserem Umfeld, Silvana und Raphael, leben derzeit aus beruflichen Gründen in Kairo und das veränderte unser Denken über die Stadt. Da unklar ist, wie lange dieser Aufenthalt dauert, packten wir die Gelegenheit zeitnah beim Schopf und sagten der Einladung zu. Der Ehrlichkeit halber will ich gerne zugeben, dass ich die treibende Kraft zu dieser Reise war und Helmut mit wenig Begeisterung an diesen Trip dachte. Die unklare politische Situation durch die Nähe zum Krieg am Gazastreifen und die ganz andere Lebenskultur machten ihm Bange. Gespräche mit Raphael und Silvana konnten ihn soweit beruhigen, dass er unserer Reise zustimmte.

Beruhigend für uns war, dass wir den Hinflug mit Raphael gemeinsam buchen konnten. Er fliegt regelmäßig dorthin und kennt sich aus. Die Fahrt zum Flughafen nach Frankfurt verlief problemlos. Ein herzlicher Dank an dieser Stelle nochmal für den unkomplizierten Bring Dienst. Die Temperatur lag bei ca. 20 Grad und es regnete mal wieder. Es freute uns, diesem Wetter ein paar Tage zu entfliehen.

Bei Flügen in Nicht-EU-Länder ist das Procedere der Kontrollen am Flughafen intensiver und uns – mangels Erfahrung – natürlich nicht vertraut. So gab es in Frankfurt 2 Check-in-Kontrollen. Das zweite Mal war die Grenzkontrolle der EU. Auf längeren Flügen gibt es für jeden Sitzplatz einen Fernseher. Man kann die Route verfolgen, Filme anschauen und auch die Sicherheitsvorschriften werden darauf übertragen. Mich beeindruckte, dass kurz vor dem Start ein kurzes arabisches Gebet erklang. Ich denke nicht, dass es mit den schlechten Flugkünsten des Piloten zu tun hat, sondern mit gelebter Religiosität und das gefällt mir.

Im Flugzeug der ägyptischen Airline wird arabisch und englisch gesprochen. Es dauerte wieder mal eine kleine Weile, bis der Klick im Kopf auf Englisch umgeschaltet hatte. Spätestens bei der Essensbestellung und der Frage nach „Beef or Chicken“ konnten wir die grundsätzlich wichtigen Vokabeln wieder abrufen*lach. Das Essen war übrigens lecker!

Im Flugzeug erhielten wir einen kleinen Zettel zum Ausfüllen. Mein Englisch war schon so gut, dass ich dachte, das wäre für die Getränkebestellung…. Nein, das war es definitiv nicht, sondern die Vorbereitung für das Visum bei der Einreise in Ägypten*schäme mich ein bisschen*lach. Dank der Hilfe des netten Sitznachbarn (wir hatten leider keinen 3-er Sitz mehr erwischt und Raphael saß separat) konnten wir alles richtig ausfüllen. Eine Rubrik war nur mit arabischen Zeichen versehen und vermittelte uns eine Ahnung, wie das mit Lesen in den nächsten Tagen so werden würde…

Nach Kairo sind es nur 4 Flugstunden und die Zeitverschiebung beträgt eine Stunde nach vorne. Beim Landeanflug kurz nach 20 Uhr war es schon dunkel. Die vielen Lichter unter uns sahen super schön aus und wir staunten über die unglaubliche Größe dieser Stadt. Der Anflug bei Nacht und auch noch bei Vollmond war sehr beeindruckend!

Nach der Landung marschierten wir hinter Raphael her und freuten uns sehr, dass er dabei war. Ansonsten wären wir zwei Landeier wohl ziemlich verloren gewesen. Der erste Weg führte uns in ein Office, in dem wir das Visum beantragten. Gegen 25€ Bargeld erhielten wir nach strenger Gesichtskontrolle den Stempel in unserem Reisepass. Damit ausgestattet konnten wir an die Einreiseschalter gehen, wo wir nochmals streng begutachtet wurden. Unter diesen prüfenden Blicken hat man gleich die Neigung, seine Unschuld zu beteuern – egal für was. Die Koffer am Kofferband abzuholen war eine leichte Übung und dann machten wir uns auf den Weg aus den klimatisierten Räumen nach draußen.

Angenehm warme Luft umgab uns – ein sehr positiver Kontrast zu dem Wetter vor wenigen Stunden. Silvana holte uns ab und wir freuten uns miteinander auf spannende Tage. Mit dem Taxi fuhren wir etwa eine Stunde zur Wohnung der Beiden. Da wir viel zu erzählen hatten, verging die Zeit wie im Fluge. Uns fiel wohl auf, dass der Straßenverkehr etwas, hm, sagen wir mal unkomplizierter ablief als in Deutschland, aber darüber machten wir uns wenig Gedanken.

Im neuen Domizil angekommen staunten wir über die tolle und große Wohnung. Wir wussten von einem Gästezimmer für uns, aber dass da auch ein separates Bad und Klimaanlage dazugehörten, wussten wir nicht. Super! Das entspannt manche Situation ungemein *lach.

Ein liebevoll gedeckter Tisch lud zu einem leckeren Abendessen ein. Ausgiebige Gespräche hinderten uns daran, zu vernünftigen Zeiten ins Bett zu gehen – aber dazu haben wir ja zu Hause wieder Zeit.

Silvana musste am nächsten Tag, dem Donnerstag, arbeiten. Raphael verwöhnte uns mit einem leckeren Frühstück und frisch gestärkt starteten wir in den Tag.

Schön finde ich es immer wieder in den islamischen Ländern, wenn man morgens vor Sonnenaufgang und bis zu 5-mal am Tag den Muezzin singen hört. Es hat für mich etwas Heiliges und wir sahen auf unserer kurzen Reise oft Menschen, die irgendwo in einer Ecke knieten und beteten. Bei uns macht man das im stillen Kämmerlein und geniert sich ein wenig, wenn man zugibt zu beten…

Raphael musste noch ein paar Besorgungen machen und wir begleiteten ihn gerne dabei. Hatten wir doch die Gelegenheit, einen Einblick ins ganz normale Leben in Kairo zu bekommen. Amüsiert hat mich, als ich beobachtete, wie im Supermarkt eine Frau den Boden wischte und ein Mann mit einer großen Pappe in der Hand hinterher wedelte, damit es gleich trocken ist und niemand ausrutscht. Eigentlich praktisch und 2 Arbeitsplätze gesichert. An der Kasse musste niemand seinen Einkauf selbst einpacken. Dafür sind Menschen angestellt, die das für einen machen. Man kennt das auch aus Amerika und ich finde es gut. Viele Produkte, die ich nicht kannte nahmen mich ziemlich gefangen. Die beiden Männer wollten einkaufen und fertig – ich könnte stundenlang schauen, habe mich dann aber der Mehrheit gebeugt *lach.

Eindrücke vom Straßenverkehr

Ganz normales Leben in Kairo bedeutet auch von A nach B zu kommen. Ich will an dieser Stelle über den Straßenverkehr schreiben (das kommt noch öfters): ein absolutes Abenteuer wenn man die deutsche Mentalität in sich hat! Es gibt auf der dreispurigen Hauptstraße (einer Autobahn?) – also drei Spuren in eine Richtung, durchaus Kennzeichnungen der Spuren. Nur hält sich niemand dran. Es fahren 5 Autos nebeneinander und Mopeds düsen durch jede kleine Lücke. In den wenigen Tagen in Kairo konnte ich leider das System, nach dem gehupt wird nicht erkennen. Es gibt aber eines!!! Ich vermute mal, einmal kurz hupen bedeutet: pass auf, ich fahre rechts an dir vorbei. Zweimal kurz hupen bedeutet: ok, ich habe dich verstanden. Länger hupen bedeutet: das war jetzt aber doof. Übrigens wird in aller Regel nur kurz gehupt und Unfälle haben wir keine gesehen, obwohl wir viel unterwegs waren. Auch hat sich die Huperei nicht aggressiv angefühlt. Ach ja, ab und zu, wenn es gerade passt, wird im Kreisverkehr auch einmal abgekürzt, also nicht außen herum gefahren, sondern den kürzesten Weg genommen …

Da wir ständig mit dem Taxi unterwegs waren, beobachtete ich gerne die Fahrer. Angeschnallt wird sich nur dort, wo zügig gefahren wird und nur vorne. Kommt man in die innere Stadt, wo der Verkehr zäh fließt, schnallt man sich ab. Beide Hände am Lenkrad zu halten, geht nicht, weil eine Hand ja das Handy halten muss, mit dem auch navigiert wird. Nur wenige Fahrer hatten eine Halterung fürs Handy. Manche Fahrer hatten wirklich gepflegte Autos, ab und zu hatten wir allerdings auch sehr – sagen wir mal: benutzte Autos. Auf dem Tacho standen mehr als einmal über 600.000 km.

Daran, mit einem Taxi zu fahren, mussten wir uns erst gewöhnen. In Deutschland ist das einfach nur teuer und für uns auf absolute Ausnahmen beschränkt. In Ägypten sieht das anders aus. Für eine Stunde Taxifahrt (die km kann ich nicht abschätzen) zahlt man ca. 10 €. Über die Firma Uber, die weltweit vertreten ist, kann man an jedem Ort und zu jeder Zeit ein Taxi per App anfordern. Über die App bekommt man die Information, welcher Fahrer die Tour angenommen hat und wann er da ist. Man kann sogar genau verfolgen, wo er sich gerade befindet und dann zielgerichtet z. B. einen schattigen Platz verlassen um einzusteigen. Die Autonummer, Autotyp und Farbe, der Name und ein Foto des Fahrers werden gleich mitgeliefert. Da hätten wir ohne Raphael wieder ein Problem gehabt, denn wir konnten die Nummernschilder in arabischer Schrift nicht lesen. Auch die Zahlen sind arabische Schriftzeichen.

Pyramiden von Gizeh

Zum Straßenverkehr komme ich später noch einmal zurück. Jetzt will ich erst unseren tollen Ausflug zu den Pyramiden und der Sphinx beschreiben. Mit dem Taxi fuhren wir nur wenige Kilometer bis zu unserem Ziel. An diesem Tag waren 40 Grad Hitze gemeldet. Man bedenke, dass wir uns knapp 24 Stunden vorher noch im Regen bei 20 Grad befanden.

Von weitem konnten wir die Pyramiden schon erblicken und es fühlte sich irgendwie surreal an. Als wir dann durch den heißen Sand darauf zugingen, und die Pyramiden immer größer wurden, konnte das mein Kopf nicht mehr fassen. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber ein Teil von mir wusste, wo ich war und ein anderer Teil kämpfte mit der Hitze. Die Sonne brannte wirklich erbarmungslos und die Schildkappe als Sonnenschutz war zu wenig. Der Sand von unten strahlte die Hitze ab und in mir war das Gedankenkarussell: du stehst an den Pyramiden von Gizeh und fällst jeden Moment um. Szenen aus Filmen, die in der Wüste spielten, schlichen sich immer wieder in meine Wirklichkeit… und ja, für alle die sich jetzt Gedanken machen: ich hatte genügend getrunken und Wasser dabei. Ohne Wasser geht man dort nicht aus dem Haus!!

Pyramide Eingang 1

Trotz meines Zustandes konzentrierte ich mich immer wieder auf DAS Ereignis in meiner Realität: ich war in Ägypten und stand vor der Cheops-Pyramide. Die unterste Reihe der Steine der Pyramide war schon höher als ich, die gesamte Höhe beträgt 139 m. Unfassbar was Menschen vor ca. 5000 Jahren geschaffen haben. Man kann die Cheops-Pyramide auch von innen besichtigen. Wer mich kennt, weiß, dass ich mir so etwas nicht entgehen lassen möchte. Raphael sah wohl meinen Zustand und wies mich darauf hin, wie Menschen, die drinnen waren aussahen: pitschnass geschwitzt und ziemlich erschöpft. Außerdem gab es eine Warteschlange in der prallen Sonne. Er machte den Vorschlag in eine Mastaba neben den Pyramiden zu gehen. Dort wurden wichtige Menschen der damaligen Zeit begraben – aber eben keine Könige. Die Gräber sind nicht so groß, nicht so bekannt und deshalb auch nicht so überlaufen. Einen Eindruck, wie sich eine Pyramide von innen anfühlt kann man dort auch bekommen.

Auf dem Weg dorthin, wieder durch den heißen Sand, heiße Felsen und pralle Sonne wurden wir immer wieder von Händlern angesprochen, die uns zu einem Kamel-Ritt, Pferde-Ausritt, einer Kutschfahrt und allem möglichen überreden wollten. Auch allerlei Schmuck, Amulette und Tücher wurden feilgeboten – so wie überall auf der Welt, wo viele Touristen hinkommen – und doch wieder ganz anders. Ich sah nur den Eingang zu dem Grabmal und den Schatten davor – das war mein Ziel.

Zwei Araber in weißen Gewändern bewachten den Eingang. Irgendwie wirkte das wie ein Film Sie hatten eine Sitzbank für sich im Schatten stehen und da fand ich erst mal einen Platz. Auf Fotos konnte ich später meinen roten Kopf sehen – oje, kein Wunder waren die so nett zu mir. Wahrscheinlich machten sie sich Sorgen um mich *lach.

Es stellte sich heraus, dass einer der beiden Herren am Eingang schon oft in Deutschland war und gerne nach Garmisch zum Skifahren fährt. Da habe ich erst mal Bauklötze gestaunt. Was für ein Kontrastprogramm: hier bewacht er bei 40 Grad die Grabkammer und dort fährt er Ski. Er freute sich, dass er seine Deutschkenntnisse auffrischen konnte und ich freute mich, dass ich eine Erholungspause im Schatten hatte.

Der Weg in die Grabkammer überraschte mich auch: in meinem Kopf ging es nach oben – in Wirklichkeit ging es tief unter die Erde. Kleidungstechnisch hatte ich mit meinem Sommerkleid die falsche Wahl getroffen. Eine Hose wäre besser gewesen. Aber ich hatte Glück, denn auf dem Weg nach oben und nach unten war niemand hinter mir *lach.

Tief unter der Erde war es nicht kühl, sondern stickig und feucht. Das Gefühl in einer Grabkammer zu stehen fand ich nicht sehr intensiv. Das lag vermutlich auch an meinem Zustand. Wir ließen die Atmosphäre eine Weile auf uns wirken und beobachteten andere Touristen, die den gleichen Weg auf sich genommen hatten.

Als wir wieder oben ankamen, gab ich dem arabischen Skifahrer 2 Euro, dafür dass die beiden mir eine Erholungspause ermöglichten. Achje, damit hatte ich etwas losgetreten: Er lief mir nach, schenkte mir ein Beduinentuch und zeigte mir, wie das richtig zu tragen ist. Ein Amulett und einen Anhänger bekam ich auch noch. Helmut konnte sich mit Mühe entziehen, auch ein Tuch anziehen zu müssen/dürfen/sollen. Er nahm nur das blaue Amulett dankend an. Raphael brachte sich in „Sicherheit“, indem der einfach los marschierte.

Die Idee, einmal um die Pyramiden zu laufen, verwarfen wir. 40 Grad sind einfach zu heiß. Ich staunte über Helmut: ihm machte die Hitze nichts aus. Raphael offensichtlich auch nicht. Auf dem Weg Richtung Taxi gab es einen schönen Platz mit Sitzgelegenheit, Schatten und Ausblick auf Kairo. Dort legte ich mich ein wenig hin und begann Globulis gegen Hitzschlag und Überanstrengung zu futtern. Relativ zügig spürte ich eine kleine Verbesserung, aber trotzdem war mir klar, dass ich den Weg bis ganz runter zur offiziellen Straße zu Fuß durch diese sengende Hitze nicht schaffen würde. Der Alptraum war für mich, dass ich umkippe und hier ins Krankenhaus käme!!!

Wir überlegten gemeinsam, was der beste und schnellste Weg nach unten sein könnte und entschieden uns für eine Pferdekutsche (Taxis dürfen nicht so weit nach oben fahren). Raphael machte sich auf den Weg um ein passendes Gefährt zu suchen und einen guten Preis zu verhandeln.

Während ich diese Zeilen schreibe muss ich lachen: ob ich das auch gemacht hätte, wenn ich gewusst hätte ….??

Voll sportlich quälte ich mich in die Pferdekutsche, Raphael neben mir und Helmut mit halbem Podex in der Mitte. Für drei ganze Po´s war es zu eng. Ein junger stürmischer Kutscher wollte wohl zeigen, wie gut er sein Gefährt im Griff hat und zwang das Pferd zu einer engen Wende. Dabei stand eine andere Pferdekutsche im Weg und da diese nicht beladen war, wäre sie beinahe umgefallen. Ich bin kein Pferdekenner, aber so etwas macht man nicht!! In unserer Situation hieß das: Schnabel halten und hoffen, dass wir heile unten ankommen.

Ich konnte die Kutschfahrt an den Pyramiden vorbei wirklich genießen. Als der stürmische Kutscher sein Pferd zu mehr Tempo antreiben wollte, konnte ich ihn mit dem Hinweis, dass er eine alte Oma an Bord hat, die gerne langsam fahren möchte, ausbremsen. Auch alt sein hat seine Vorteile *lach.

Das Abenteuer begann, als die Teerstraße steiler wurde. Ausgewählte Reisebusse durften bis zu einem Busparkplatz, der etwa auf der Hälfte der Strecke liegt fahren und die Pferdekutschen wurden auf einen sandigen Weg umgeleitet. So weit so gut. Nach wenigen Metern waren Löcher in diesem Weg von ca. 50 cm Tiefe. Ich hatte Angst, dass die Kutsche nach links = auf meine Seite kippt und die beiden Herren neben mir auf mich fallen würden. Kurze Zeit später das Gleiche in die andere Richtung = ich würde weich fallen.

Ab und zu hatte es den Anschein, dass das Pferd die schwere Last mit uns 4 Personen nicht ausbremsen kann. Dann sprang der Kutscher ab und versuchte das Pferd wieder in eine Bahn zu lenken. Die ganzen Aktionen waren so hektisch und unkontrolliert, dass es mir himmelangst war und wir uns nur irgendwo festhielten (deshalb gibt es davon auch keine Fotos). Auf Höhe der Sphinx war unsere Fahrt zu Ende und ich konnte wieder atmen *lach. Wir überlegten später, warum man diese Löcher im Weg nicht einfach zu macht? Da plagen sich jeden Tag x Kutscher mit ihren Pferden und niemand ändert etwas.

Die Sphinx schauten wir uns vom Weg aus an. Sie stellt einen liegenden Löwen mit einem Menschenkopf dar und soll die Pyramiden, also die Grabstätten der Könige, bewachen. Die Nase fehlt tatsächlich und es stellte sich mir die Frage, ob das wirklich Obelix war?

Irgendwann laufe ich das alles einmal ab: morgens um 6 oder 7 Uhr bei unter 30 Grad mit ein paar Tagen Zeit, um mich an das Klima zu gewöhnen!!!

Unser Weg führte uns mit dem Taxi zu einer Shopping-Mall. Dort gab es etwas zu essen und zu trinken und es war alles klimatisiert. Eine Cola brachte so langsam meine Lebensgeister wieder zurück. Ich sage es immer wieder: Cola ist Medizin, kein Alltagsgetränk *lach – für mich!

Ein schönes Erlebnis hatte ich in dieser Mall. Ich muss ein wenig ausholen, weil bei uns in Deutschland die Gegebenheiten meistens anders sind. Es gibt je nach Geschmack viele verschiedene Möglichkeiten etwas zum Essen zu holen. Gegessen wird dann an einer gemeinsamen Stelle. Ich kenne das von Deutschland so, dass theoretisch jeder seinen Müll selbst weg bringt, praktisch aber alles ziemlich unappetitlich ist.

In Ägypten ist es so, dass man seinen Müll stehen lässt und eine dort angestellte Frau alles weg räumt und den Tisch abputzt. Ich finde das super! Helmut suchte eine Toilette um sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Er konnte keine finden. Da ich das gleiche Bedürfnis hatte, überlegte ich nach einer Lösung: die gleiche Wege abzulaufen bringt nichts. Also fragte ich genau jene Frau, die die Tische abräumte nach dem Weg zur Toilette. Sie sprach arabisch – ich nicht… Das Wort Toilette verstand sie wohl und wies mit freundlichem Lächeln mit der Hand den Weg: rechts, rechts, links und da *lach. Ich wiederholte, ebenfalls nur mit der Gestik, und wir freuten uns beide über unsere Art der Völkerverständigung.

Nach dem Essen ließen wir uns nach Hause bringen und ich sank erstmal ziemlich k.o. ins Bett. Als Silvana von der Arbeit nach Hause kam, hatten wir viel zu erzählen. Sie kann von ihrem Arbeitsplatz aus übrigens jeden Tag die Pyramiden sehen.

Abends gingen wir in ein nettes Lokal zum Essen. Eigentlich wollten wir draußen sitzen, denn es waren wieder angenehme Temperaturen. Viele Fliegen hätten uns den Spaß am lecken Essen allerdings verdorben und deshalb entschieden wir uns für die klimatisierten Innenräume. Nach einer Weile fühlte sich das an wie im Kühlschrank… mir kann man auch nix recht machen *lach.

Auf dem Heimweg machten wir noch einen ausgiebigen Rundgang in dem Compound, in dem die Beiden ihre Wohnung haben. Ein Compound ist eine abgeschlossene Wohnsiedlung und es kann kein Unbefugter hinein. Solche Compounds gibt es viele und ich kann sagen, dass man sich wirklich sicher fühlen kann. Dort wo unser Domizil war gibt es 4 Pools, ein Fitness-Center und sehr gepflegte Gärten. Uns fiel auf, dass manche Autos auf den Parkplätzen innerhalb des Compounds einen Scheibenwischer nach oben gestellt hatten. Raphael klärte uns auf, dass dies das Zeichen sei, dass das Auto gewaschen werden soll. Auch cool, wenn man morgens zu seinem sauberen Wagen kommt.

Nach einem schönen gemeinsamen Abend konnten wir nach diesem erlebnisreichen Tag wirklich schlafen wie die Babys. Übrigens kühlte es nachts soweit ab, dass wir mit offenem Fenster schliefen. Die Klimaanlage brauchten wir nicht.

Fahrt im Taxi durch die Stadt

Der Freitag ist in Ägypten so, wie bei uns der Sonntag. Geschäfte haben offen, aber Ämter, Ärzte usw haben geschlossen, wie bei uns sonntags auch. Wer mich kennt, weiß dass ich ein christlicher Mensch bin und regelmäßig Gottesdienste besuche. Zu Hause ist das einfach, im Urlaub manchmal etwas umständlich, aber immer sehr bereichernd, einmal woanders reinzuschauen. Diese Gelegenheit hatten wir an jenem Freitag in einem ganz anderen Kulturkreis. In Ägypten werden Christen kritisch beobachtet, wie bei uns die Moslems. Es ist mancherorts unklug, sich zum Christentum zu bekennen und es kann heute noch Nachteile mit sich bringen. Deshalb treffen sich Christen unserer Glaubensgemeinschaft in einem normalen Wohnhaus, das von außen nicht als Kirche erkennbar ist.

Wir bestellten schon sehr früh ein Taxi und freuten uns auf das, was auf uns wartete. Tja, am frühen Freitagmorgen (man stelle sich den frühen Sonntagmorgen zu Hause vor) gibt es vermutlich nicht so viele Taxifahrer, die schon unterwegs sein wollen. Wir erwischten einen, der besser einen anderen Beruf ausüben sollte. Es dauerte sehr lange, bis er uns überhaupt fand. Auf der App konnten wir den fahrenden Punkt genau verfolgen und Silvana schüttelte ein ums andere Mal den Kopf über die sonderbare Wegstrecke, die er fuhr. Als er endlich da war, überlegten wir tatsächlich kurz, ob wir überhaupt einsteigen sollen *lach. Die Zeit, die wir bisher mit Warten verloren hatten, sprach für Einsteigen. Vermutlich wurde das Auto noch nicht oft gereinigt und ich weiß es nicht mehr genau, aber es hatte bestimmt 600.000 km auf dem Tacho. Der Fahrer fuhr recht unsicher. Es waren nur wenige andere Autos unterwegs – das war auch gut so!! In dem Stadtbezirk, in dem sich die Versammlungsstätte befindet, war er vermutlich noch nie und Navi lesen war auch nicht seine Stärke. Raphael wies ihm mehr als einmal die Richtung…

Ich versuchte mich abzulenken, indem ich die Eindrücke dieser riesengroßen Stadt auf mich wirken ließ. Mir fielen Frauen und Männer am Straßenrand auf, die Müll sammelten. Silvana erklärte uns, dass man hier seinen Müll einfach weg wirft und Müllsammler ihn sammeln und in einem Stadtteil von Kairo bringen. Dort wird er getrennt, nach Brauchbarem und Recycelbarem durchsucht, an die Schweine verfüttert und der Rest verbrannt. Wenn ich mich an die Stadt im Zurückschauen erinnere, habe ich sie als saubere Stadt in Erinnerung. Das augenscheinlich veraltete System scheint zu funktionieren. Viele Menschen haben Arbeit und der Müll wird ordentlich getrennt.

Wohlhabende Menschen stecken Müllsammlern ab und zu einen Geldschein zu. Laut Koran sollen Reiche den Armen etwas abgeben. Ich beobachtete es selbst ein paar Mal und es hatte für mich nie den Eindruck von Almosen, sondern von Achtung und Dankbarkeit, dass jemand diese Arbeit macht.

Es beeindruckten mich die Kontraste, die ich immer krasser empfand, je länger wir unterwegs waren. Tolle Häuser, Moscheen, Einkaufsmalls und daneben halb fertig gebaute oder verfallene Bauten. Raphael erklärte uns, dass man einen Bau hoch zieht, wenn man Geld hat und, wenn es knapp wird, dann hört man halt wieder auf. Da die Inflation so hoch ist, ist das immer noch besser, als das Geld auf der Bank zu lassen…. Das ist mir zu hoch um es zu verstehen und vermutlich denke ich zu deutsch.

In den Ruinen oder halbfertigen Häusern leben viele Menschen. Wir erfuhren, dass es sich hier meistens um nicht legal in Kairo lebende Leute handelt. Man konnte die provisorischen Unterkünfte zum Teil von der Straße aus sehen. Welche Schicksale, welche Träume, welche Enttäuschungen sich wohl dahinter verbergen … nicht zu fassen für einen einzelnen Menschen.

Die Straßen waren überwiegend super ausgebaut und ohne Straßenschäden, wie wir das von Deutschland kennen. Klar, die haben keine Frostschäden und brauchen niemals Streusalz… das ist meine laienhafte Theorie und kann von der Wahrheit weit entfernt sein! *lach

Entlang der Hauptverkehrsachse wird an einer Magnetschwebebahn gebaut und Raphael bewundert bei jedem seiner Aufenthalte den Baufortschritt. Wenn das riesige Bauvorhaben abgeschlossen ist, ist das bestimmt eine große Entlastung für den Autoverkehr.

Magnetschwebebahn

Außer unzählbaren Taxen fahren genauso viele Minibusse, die absolut vollgestopft sind. Menschen stehen am Straßenrand und werden mitgenommen. Ich konnte oft keine Haltestelle erkennen, was aber nicht heißt, dass da keine war.

Übrigens ist man in Ägypten meistens sehr deutschfreundlich. Häufig erkennt man das an den Autokennzeichen, wenn unter dem ägyptischen ein deutsches Kennzeichen hervorschaut. Wir haben sogar ein Kennzeichen mit PF für Pforzheim gesehen *lach. Leider war ich zum Fotografieren zu langsam.

Die geplante Dauer der Fahrt zum Gottesdienst von 1 Stunde für 45 km verlängerte sich Dank der Fahrkünste unseres Taxifahrers um mehr als 30 Minuten. Ich machte mir nach dem Aussteigen ernsthafte Sorgen, ob er jemals ohne Hilfe wieder nach Hause finden würde.

Sorgen mussten wir uns auch machen, ob wir in den Gottesdienst kommen könnten… Silvana informierte zwar andere Gottesdienstteilnehmer von unterwegs per WhatsApp, dass wir etwas zu spät kommen würden. Leider schaute offensichtlich niemand kurz vor dem Gottesdienst auf sein Handy – eigentlich ja lobenswert *lach. So standen wir vor der abgeschlossenen Türe und hörten sie drinnen singen…. schade… Wir machten uns mit Pfiffen und am Tor rütteln bemerkbar und freuten uns sehr, dass wir gehört und eingelassen wurden.

Die anwesenden Gottesdienstteilnehmer schauten interessiert, wer denn da noch so spät dazu kommt. Die Predigt war natürlich auf Arabisch und die Seele hatte mehr Arbeit als der Verstand *lach. Ich mag das, wenn man sich einfühlen und Stimmung aufnehmen kann.

Ein kleiner Predigtteil war auf Englisch aber ich konnte nicht recht folgen, denn a) ist mein Englisch nicht gut genug, b) das Vokabular fehlt mir und c) war ich schon wieder ziemlich k.o.

Während der Predigt wird durchaus einmal kurz telefoniert (was will man machen, wenn gerade jemand anruft?). Es entsteht auch mal ein Dialog zwischen Prediger und Gottesdienstteilnehmer und wenn jemand (ein Erwachsener!) einschläft, wird er liebevoll und heiter wieder aufgeweckt…. Ganz anders als zu Hause. Ich wünschte, dass so Mancher, der sich in Deutschland an unsinnigen Regeln festbeißt, einmal so etwas miterlebt *lach.

Nach dem Gottesdienst verabschiedeten wir uns alle voneinander und wieder war diese Herzlichkeit zu spüren. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache und sind kulturell komplett anders geprägt aber trotzdem im Herzen einander nah – wie bereits geschrieben: ich mag das.

Ägyptisches Museum

Wir hatten schon im Vorfeld besprochen, dass wir auf dem Heimweg ins bekannte ägyptische Museum gehen wollten. Das steht in jedem Reiseführer als dringende Empfehlung. Also riefen wir über die App wieder ein Taxi und wurden für die miese Hinfahrt entschädigt: ein Taxi de Luxe nahm uns mit und der Fahrer des super gepflegten und sauberen Fahrzeugs freute sich über unsere Freude *lach.

Wir fuhren zum neuen ägyptischen Museum. Es wurde bereits teileröffnet und wenn es komplett fertig ist, soll es das größte archäologische Museum der Welt werden. Die Architektur ist super beeindruckend und hat durchaus eine Dimension der Superlative. Von weitem sieht es schon super aus, aber je näher man kommt, erkennt man die Größe und kann sie kaum fassen.

Eine zentrale Rolle im Inneren dieses Bauwerkes spielt Ramses II, jener Herrscher der 93 Jahre alt wurde, 66 Jahre an der Regierung gewesen sein und über 100 Kinder gezeugt haben soll. Eine 11 Meter hohe Statue von ihm, die 3200 Jahre alt ist, steht inmitten der großen Eingangshalle. Von dort aus kann man in mehrere Hallen gehen. In einer Halle kann man einen Film in 3D ansehen und ist mitten im Geschehen der vergangenen Jahrtausende. In einer anderen Halle sind mehrere Sarkophagen ausgestellt. In dem für ägyptische Verhältnisse recht hohen Eintrittspreis war auch eine Führung auf Englisch enthalten. Silvana hat mir ein paar Eckdaten übersetzt. Mein Kopf war wieder nicht auf englischen Empfang eingeschaltet *lach. Eine weitere Halle diente der Stärkung des Leibes und einige ansprechende Lokale warteten auf Besucher.

Als wir nach diesen erlebnisreichen Stunden wieder zu Hause waren, war es dringend Zeit für Siesta, die wir auch ausgiebig nutzten. Den Abend ließen wir bei einem super leckeren Abendessen in gehobener ägyptischer Gastronomie ausklingen. Wir bezahlten zu viert übrigens etwa so viel, wie in Deutschland in einem normalen Mittelklasse-Lokal für zwei Personen.

Markt / Bazar

Der Samstag ist in Ägypten so wie der Samstag in Deutschland. Ich finde es allerdings schöner, erst einen Break der Woche zu haben, sich zu besinnen und am Samstag entspannt den freien Tag zu genießen. In Deutschland hetzt man meist am Samstag noch herum (außer man ist Rentner), besinnt sich am Sonntag und startet gleich wieder in die Woche.

Silvana hatte den Vorschlag, den Bazar in Kairos Altstadt zu besuchen. Super, ja: Markt ist immer schön zum Bummeln. Meine Idee von Bummeln auf dem Markt und die Wirklichkeit lagen wieder weit auseinander…

Schon der Weg dorthin war wieder einmal ein Erlebnis. Ich konnte nur mit offenem Mund im Taxi sitzen und staunen. Da fuhren Transporter, die hatten große und kleine Menschen, auf der Ladefläche sitzen. Einer hatte 3 Schafe auf das Dach seines Transporters gebunden – lebende Schafe – versteht sich…. Ein Moped transportierte hochkant eine Holz-Eingangstüre: der Hintermann hielt die Türe fest und sie lehnte am Rücken des Fahrers. In einem Auto zählte ich vorne 3 Personen, hinten 5 Personen und Helmut sah im Kofferraum noch 3 Kinder, niemand davon angeschnallt, logisch – dass nenne ich mal eine effektive Fahrt. Die vielen vollen Kleinbusse und Mopeds mit entweder mehreren Personen drauf oder sehr viel Gepäck irgendwohin gebunden, prägen das Straßenbild. Hammer, Hammer, Hammer *lach. Je näher wir an die Altstadt kamen, desto voller wurden die Straßen und desto langsamer war das Vorankommen. Es wurden uns irgendwelche Sachen ins Auto hinein feilgeboten. Wir mussten wirklich die Fenster schließen…

Einen Blick konnten wir auf den Nil erhaschen und wir sahen den Iconic Tower, der mit 394 Metern Höhe das höchste Gebäude Afrikas ist. Mir wurde bei dieser Erklärung erst bewusst, dass wir uns auf dem Afrikanischen Kontinent befanden.

Als uns der Taxifahrer aussteigen ließ, traf uns das ägyptische Marktleben mit voller Wucht. Wir wurden von allen Seiten angesprochen. Man wollte uns führen (natürlich zu den eigenen Leuten) und quatschte uns auf alle möglichen Sprachen an. Von Silvana kam die Order: „einfach weiter gehen und nicht beachten, das hört an der nächsten Ecke auf.“ Das war allerdings leichter gesagt, als getan, denn die Leute waren sehr anhänglich. Angst hatte ich keine, dafür gab es auch keinen Grund – ich war nur überfordert *lach.

Der Bazar Khan el-Khalili ist einer der ältesten Basare im Nahen Osten und eine beliebte Touristenattraktion. Der Markt ist 24 Stunden geöffnet und soll nachts besonders schön sein, wegen der Beleuchtung. Wir waren tagsüber dort – und das war für mich gut so! Silvana war schon mehrere Male auf dem Markt und war tatsächlich noch nicht überall. In der Recherche für diesen Bericht bin ich auf eine Größe von 5 x 2 km gestoßen. Unendlich viele Gassen mit unendlich vielen Angeboten: Klamotten, Stoffe, Bett- und Tischwäsche, Mitbringsel, Geschirr, elektronische Geräte, Galvanik-Betriebe, Schmuck usw. Ich glaube es gibt nichts, was es dort nicht gibt.

Die Gassen sind eng und voll. Trotzdem fahren Mopeds durch und es scheint ok zu sein. Man macht halt Platz, wenn ein Moped durch will. Manchmal dachte ich, dass es für das Moped zu schmal sei, aber offensichtlich wurde es schon mehrfach probiert und es passte durch die engsten Gassen und Kurven. Auch Fahrräder sind viele unterwegs. Besonders beeindruckte uns ein junger Mann, der mit seinem Fahrrad sehr geschickt durch das Gewühl steuerte und auf seinem Kopf ein Blech mit Fladenbroten transportierte (davon gibt es leider nur ein Video und kein Foto). Auch andere Waren wurden auf den Köpfen balanciert und wir staunten über die Geschicklichkeit der Träger. Das sind Bilder, die man normalerweise nur im TV sieht und dann gar nicht verinnerlichen kann. Wir haben nirgendwo Geschimpfe gehört, sondern die gesamte Atmosphäre war leicht, heiter und schön.

Irgendwann war Aufnahmestopp in meinem Kopf und ich machte den Vorschlag, ein Plätzchen zu suchen, wo wir uns hinsetzen und ausruhen könnten. Tatsächlich fanden wir dies bei einem Imbiss. Wir tranken einen leckeren Tee und Raphael versorgte uns mit einer Tüte Chips. Der Körper verliert beim Schwitzen Salz und der Ausgleich durch den Verzehr der salzigen Chips tat unwahrscheinlich gut. Das erlebte ich so auch noch nie *lach. Wir ließen das bunte Treiben auf uns wirken. Frauen mit und ohne Schleier, Kinder, Männer, Familien – alle waren an diesem Ort unterwegs um etwas zu besorgen oder um zu bummeln. Die heitere Stimmung tat wohl und ich denke heute noch gerne an diese Augenblicke inmitten des Markt-Getümmels zurück.

Mit meinem Orientierungssinn hätten wir nie wieder aus dem Markt heraus gefunden. Gottseidank hatte sich Silvana schon einige Eckpunkte gemerkt und wir schlenderten Richtung Hauptstraße, um wieder ein Taxi zu finden. Trotzdem nahmen wir zum Schluß doch noch Google Maps zur Hilfe, um nicht ständig im Kreis zu laufen. Der Fahrer des Taxis war schnell bestellt, aber an dieser Stelle, an der wir einsteigen wollten, hatten diese Idee wohl noch viele. Vielleicht ist es dort auch immer so? Für den Taxifahrer war es nicht so einfach, ein Plätzchen zum Halten zu finden. Silvana und er hatten Telefonkontakt und trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis wir ihn gefunden hatten. Während dieser Wartezeit hatten uns schon x andere Taxifahrer angesprochen – aber wir hatten ja den Deal mit dem Fahrer von Uber. Raphael erklärte uns, dass man mit Uber-Fahrern auf der sicheren Seite sei, da diese Fahrer zertifiziert sind und einen Führerschein haben sollen …. Okeee!!!

Als wir wieder zu Hause waren, war niemandem mehr nach Essen gehen oder kochen zumute. Deshalb ließen wir uns etwas bringen. Die Fahrer der Bringdienste hatten wir schon oft auf den Mopeds gesehen. Es scheint dort ganz normal zu sein, sich Essen bringen zu lassen. Bei uns ist es vielleicht mal eine Pizza, die man kommen lässt und meistens bin ich dann enttäuscht über Qualität und Service. In Kairo waren wir sehr positiv überrascht über das leckere Essen, das heiß auf dem Tisch stand.

Heimreise

Am Sonntag machten wir uns wieder auf den Weg nach Deutschland. Für Silvana begann die neue Arbeitswoche und Raphael bestellte auf 6.30 Uhr den Fahrer zum Flughafen. Er ließ es sich nicht nehmen, uns dort hin zu begleiten. Der Plan war, dass er, wenn wir eingecheckt haben, wieder nach Hause fährt. Der Fahrer wartete solange auf ihn.

Die Wirklichkeit war die, dass uns der Fahrer nicht zum Haupteingang des Flughafens fuhr, sondern zu einem Nebeneingang – und da durfte Raphael nicht mit hinein. Also hieß es ziemlich überhastet Abschied zu nehmen. Eine strenge Dame zeigte uns, wo wir unsere Koffer, Jacken, Taschen und Tascheninhalte hinlegen sollten, damit es auf einem Band durch den Automaten fährt, der sich die Sachen genauer anschaut. Das Problem war, dass es keine Schalen gab, in die wir z. B. unseren Tascheninhalt hinein legen konnten. Außerdem war das Band so schmutzig, als wäre vorher ein landwirtschaftlicher Hänger entladen worden. Manchen Situationen muss man sich stellen und gute Miene zum blöden Spiel machen. Die gute Miene verfinsterte sich, als wir nach der Kontrolle Helmuts Handy nicht mehr fanden. Die strengen Herrschaften brauchten eine Weile um zu verstehen, woher unsere Aufregung kam. Das Handy war durch die Schlitze gefallen und einer tastete in dem Dreck herum und fand es schließlich. Während der ganzen Zeit stand Raphael hinter der Glasscheibe und merkte nur dass etwas nicht stimmt und konnte uns nicht helfen. Das war bestimmt ein blödes Gefühl für ihn. Ein kurzes Winken und unser Weg führte uns in das Flughafengebäude. Übrigens ein toller und blitzblanker Flughafen. Keine Ahnung, was wir da für einen Eingang erwischt haben.

Problemlos fanden wir unseren Schalter und konnten unsere Koffer abgeben. Ich weiß nicht mehr, wie viele Kontrollen wir durchlaufen mussten, zum Teil auf Strümpfen, da man die Schuhe ausziehen musste. Der Heimflug war auch kein Problem – außer, dass es ziemlich spät etwas zum Essen gab *lach. In Deutschland mussten wir auch mehrere Kontrollen passieren bis wir wieder freien deutschen Boden unter den Füßen hatten.

Diese Reise hat unseren Horizont ein ganzes Stück geweitet und wir stellten wieder einmal fest: alles ist wie zu Hause, nur ganz, ganz anders! Die Eindrücke sind in unseren Herzen eingebrannt und werden so manche Betrachtung von fremden Menschen, Ländern und Situationen beeinflussen!

Ein herzliches Dankeschön an unsere Gastgeber, dass sie Geduld mit uns Landeiern hatten und uns diese tolle Gelegenheit geboten haben. Wir haben uns wirklich sehr wohl mit und bei ihnen gefühlt und diese wenigen Tage sehr genossen!

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2024.08._Süd-England Auf R. Pilchers Spuren

Als ein Prospekt mit der Reise „Auf Rosamunde Pilchers Spuren“ ins Haus flatterte, waren die Landschaften unser Motiv, diese Reise zu buchen. Aus gemachten Erfahrungen ist der August als Hauptreisezeit mit dem Wohnmobil nicht nach unserem Geschmack und deshalb wählten wir diesen Reisezeitraum für die Englandreise.

Anreise nach London

Ich reise ja wirklich sehr, sehr gerne. Jede Reise hat aber etwas, was wirklich nervend ist: a) packen und b) in diesem Fall die frühe Flugzeit. Schon um 3 Uhr klingelte der Wecker, damit wir pünktlich um 5:30 Uhr am Flughafen sein konnten. Um 7:40 Uhr sollte es losgehen und um 8:20 Uhr starteten wir dann wirklich.

Kurz vor dem Boarding gab es einen kleinen Schrecksekunde: ein Teenie kollabierte, wenn ich es richtig beobachtete. Die kleine Schwester war total hysterisch und die Mutter kümmerte sich um beide. Der Vater hütete das Gepäck. Was mich sehr beeindruckte war, wie schnell das Flughafenpersonal reagierte. Eine der ersten Fragen war nach den Koffern. „Wie viele Koffer haben Sie aufgegeben“. Sanitäter waren super schnell zur Stelle und kümmerten sich um das Mädel. Sie war ziemlich schnell wieder fit und konnte mitfliegen. Wäre das Mädel nicht flugtauglich gewesen, hätten alle Koffer wieder ausgeräumt werden müssen, um die Koffer der Familie zu finden. Es darf bekanntlich kein Koffer ohne mitfliegende Person transportiert werden. So entstehen Verspätungen…

Unser Flug verlief problemlos. Der Landeanflug auf London-Heathrow dauerte etwas länger, weil wir 3-mal über London kreisten, bis wir die Erlaubnis zur Landung bekamen. Kurz bevor wir unten waren, startete die Maschine nochmal durch (so etwas haben wir immer nur in Filmen gesehen, aber noch nie selbst erlebt) um dann endlich, nach der nächsten Schleife über London auf englischem Boden zu landen.

Das Hotel war ganz in der Nähe vom Flughafen und der Transfer ging ruckzuck. Die Zimmer konnten wir erst ab 15 Uhr beziehen und es stellte sich die Frage, was wir bis dahin machen sollten. Aufgrund der Zeitumstellung waren wir noch eine Stunde früher als zu Hause. Wir erhielten von der Reiseleitung, die uns in Empfang nahm, viele gute Tipps für leichte Unternehmungen und diverse Bahn- und Busverbindungen in die City. Eigentlich waren wir aber todmüde und nicht darauf eingestellt, uns ins englische Getümmel zu stürzen.

London Hotel Lageplan als erste Orientierung

Wir kamen mit Doris und Gisela ins Gespräch und die beiden hatten die gleichen Ideen wie wir: ein wenig zu Fuß die Gegend erkunden und irgendwo einen Kaffee trinken. Auf diese Weise konnten wir auch die ersten vorsichtigen Schritte mit unseren Sprachkenntnissen machen.

Bei unserem Spaziergang fiel uns auf, dass offensichtlich alle Fenster nach außen aufgehen. Wie kann man die denn putzen?? Gisela hatte schon ein wenig England-Erfahrung und erklärte uns, dass regelmäßig Fensterputzer in ganzen Straßenzügen die Fenster von außen putzen. Diese Aussage wurde uns später von unserer Reiseleiterin Alex bestätigt.

Polperro Fenster nach aussen mit Schiffdeko

Wir waren ziemlich happy, als wir nach unserer Order in einem Restaurant oder Café oder Pub (keine Ahnung, wo wir da gelandet waren) bekamen, was wir auch bestellt hatten: Kuchen und Kaffee. Yes, geht doch!! Sogar ein wenig Obst im Supermarkt konnten wir kaufen und waren froh, ein paar englische Pfund in bar dabei zu haben. Meistens konnte man auf unserer Reise zwar mit Karte bezahlen, aber ab und zu eben nicht.

Hotel Schirmverleih
Schirmverleih-Automat

Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, freuten wir uns sehr, denn wir hatten direkten Blick auf den Flughafen. Der Fluglärm war im Zimmer nicht zu hören und wir beobachteten fasziniert, wie fast im Minutentakt Flugzeuge in alle Welt starteten. London-Heathrow ist der größte britische Flughafen und mit 79 Millionen Passagieren im Jahr 2023 der größte Flughafen Europas und der Viertgrößte weltweit…. und wir saßen in der ersten Reihe am Fenster und konnten dem unglaublichen Flugverkehr zuschauen.

Heathrow Flughafen 1
Heathrow Flughafen nachts 1

Wir gingen nur kurz zum Abendessen aus dem Zimmer und nahmen dann unsere Logenplätze wieder ein. Das Essen war übrigens genau nach meinem Geschmack: indische Küche in Buffetform!

Londonrundfahrt

Den zweiten Tag begannen wir ausgeruht und freuten uns auf die neuen Eindrücke. Das Frühstücks Büfett bot unter Anderem warme Gerichte wie Reis, Gemüse und Dal. Ich ließ mich drauf ein und es ist mir wunderbar bekommen. Vor dem original English Breakfast mit den Würstchen und Bohnen hätte mir gegraust *lach.

Unsere Gruppe war um 15 Personen reduziert: das Flugzeug aus München konnte am Vortag nicht starten, wenn ich es richtig verstanden hatte, wegen eines Unwetters. Schade für die Beteiligten! Dass sich unser Programm an diesem Tag änderte, war für die Münchner allerdings von Vorteil. Schloss Windsor hat am Mittwoch Ruhetag und deshalb wurde der Reiseplan ein wenig umgestellt.

Wir machten zunächst mit dem Bus eine Rundfahrt durch London. Das klingt wenig spektakulär. Der Londoner Straßenverkehr hat es allerdings in sich. Schon an dieser Stelle gebührt unserem Busfahrer Pit großer Respekt, wie er uns sicher und entspannt durch dieses Getümmel führte! Mein Hirn hatte sich noch nicht an den Linksverkehr gewöhnt – das allein beeindruckte mich schon sehr. Die Fülle an Autos, Bussen und Fußgängern ließ uns staunen. Trotzdem erschien es mir nicht hektisch oder aggressiv, wie ich es zu Hause manches Mal empfinde. Es waren (und sind vermutlich immer) sehr viele Touristen zu Fuß unterwegs, was der Stadt ein fröhliches und offenes Gepräge gibt.

London Haeuser 4

Man kann London wie eine Dartscheibe betrachten. Die City ist in der Mitte und folglich sind alles andere die Außenbezirke. In der City leben ca. 9 Millionen Einwohner und in den Außenbezirken 12 Millionen. Dazu kommen Millionen von Touristen. London ist eine der ältesten Städte der Welt und hat ihren Ursprung schon in der Zeit der Römerzeit.

Wenn man in die Nähe der City kommt, fällt auf, dass es keine großen Werbeflächen und Werbeplakate mehr gibt – außer an Piccadilly Circus. Man befindet sich im Hoheitsgebiet des Königshauses und dort ist das nicht gewünscht.

Das Thema Müll finde ich interessant. In Great Britain gibt es keine Mülltonnen, wie wir das von Deutschland kennen. Man hat Plastikbehälter oder Mülltüten und stellt diese vor das Haus, hängt sie an den Zaun oder an einen Baum. Da das mit den Terminen zur Müllentleerung nicht funktioniert (ich vermute, aufgrund der Verkehrslage ist da nichts berechenbar), fährt die Müllabfuhr 24/7. Das Thema Mülltrennung wird ganz langsam bekannt und umgesetzt … London in der City fand ich sehr sauber. Auf unserem Spaziergang am Vortag rund um das Hotel hatte ich diesen Eindruck nicht.

Vermieter werden übrigens Landlady oder Landlord genannt *lach.

Unsere Reiseleiterin Alex erzählte uns auf ansprechende und humorvolle Weise was es links und rechts der Straße Interessantes zu sehen gab.

So wies sie uns auf die vielen Schornsteine auf den Häusern hin. Nachdem im Jahre 1666 4/5tel von London abgebrannt waren (bekannt unter „The great fire“), wurde ein Feuerschutzgesetz erlassen, das besagt, dass jede Feuerstelle im Haus einen Schornstein haben muss. Das bedeutete: viele Schornsteine = viele Feuerstellen und man konnte so seinen Wohlstand präsentieren. Schornsteine sind also ein Statussymbol und es dauerte nicht lange, bis die eine und andere Attrappe auf den Dächern ihren Platz fand.

London Haeuser3

Wir fuhren durch den Stadtteil Kensington und man konnte schon an den Fassaden erkennen, dass es sich um die teuerste Wohngegend Londons handelt. Natürlich standen auch entsprechende Fahrzeuge vor den Häusern. Für eine kleine Wohnung bezahlt man ca. 3.000 englische Pfund (entspricht ca. 3.500€) pro Woche – kalt, versteht sich. Das Thema Mieten und Lebenshaltungskosten greife ich später noch einmal auf.

London Haeuser1

Vom Kensington Palast konnten wir beim Vorbei fahren einen Blick auf den Garten erhaschen. Der Garten ist öffentlich zugänglich und kann besichtigt werden. An der Royal Albert Hall machten wir einen Fotostopp. Es finden dort von Symphonie- und Popkonzerten bis hin zu Sportveranstaltungen wie Boxkämpfen alle möglichen Veranstaltungen statt. Das Gebäude erinnert an ein römisches Amphitheater und kann besichtigt werden. Wir staunten über eine Gedenkstätte, die zu Ehren von Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, dem Gemahl von Königin Victoria errichtet wurde. Sie steht gegenüber der Royal Albert Hall im Kensington Garden.

London Royal Albert Hall

Auch den Hidepark konnten wir nur kurz beim Vorbeifahren auf dem Weg zum Buckingham Palast wahrnehmen. Leider wurde kurz vor unserer Ankunft am Buckingham Palast die Straße gesperrt. Wir erfuhren von Alex, dass dies in London normal sei. Es kann sein, dass ein hoher Politiker anreist, dann wird einfach kurzfristig alles gesperrt.

Wenn allerdings eine Eskorte mit 6 Motorrädern einen Wagen begleitet, weiß man, dass Mitglieder der Königlichen Familie darin unterwegs sind. Sind es nur 4 Motorräder, dann ist es „nur“ der Premierminister.

Wir drehten unsere London-Bustour also weiter und Alex gab uns wissenswerte Informationen:

Staatliche Galerien sind in Großbritannien kostenfrei zu besuchen. Ausgenommen sind natürlich Sonderausstellungen.

Vorherrschende Religion ist der anglikanische Glaube, der seit dem 15. Jahrhundert als Church of England selbständig ist. Die Anglikaner sind zugleich katholisch und evangelisch geprägt.

Ab und zu fielen uns große Tore auf, in denen Pferde und Reiter Wache hielten. Die sogenannten Horsegards stehen 1 Stunde mit ihren Pferden am zuständigen Ort und werden dann ausgewechselt. Eigentlich bewachen sie den königlichen Trakt von Gebäuden. Obwohl heute sehr viel frei zugänglich ist, wird die schöne Tradition aufrechterhalten. Den Touristen gefällt es – und den Londonern bestimmt auch.

Dank des hohen Verkehrsaufkommens konnten wir den Trafalgar Square langsam passieren und einen Eindruck bekommen. Trafalgar Square gilt als die Mitte der Stadt. Die 51 m hohe Nelson Säule wurde 1842 erbaut und dem Admiral Nelson gewidmet, der sich in der Schlacht von Trafalgar (1805) verdient gemacht hat. Die 51 m hohe Säule ist so hoch wie Nelsons Schiff, die HMS Victory, vom Kiel bis zur Mastspitze war.

London Picadilli Circus Statue

Alle möglichen Standbilder von wichtigen Leuten stehen an Straßenecken und erinnern an Menschen, die sich um die Stadt und das Land verdient gemacht haben.

London Statue

Auf und um den Platz gilt übrigens seit 2000 ein strenges Fütterungsverbot von Tauben. Die Ausscheidungen der Tauben beschädigen die historischen Gebäude.

Mehr als einmal an diesem Tag nahm ich mir vor, London im Rahmen einer Städtetour auf eigene Faust zu besuchen und zu Fuß und mit Ruhe alles anzuschauen!

Gegen Mittag machten wir eine Bootsfahrt auf der Themse. Vom Wasser aus das „Eye of London“, Big Ben und die vielfältige Architektur zu bewundern machte Spaß. Leider waren die offensichtlich humorvollen Ausführungen und Erklärungen eines Mitarbeiters an Bord auf Englisch und für mich leider nur sehr unvollständig zu verstehen. Trotzdem war die Bootstour ein tolles Erlebnis!

London Eye
London 5
London 2

Dem Tower of London von der Wasserseite aus näher zu kommen war schön. Wir hatten nach dem Ausstieg ausreichend Zeit, uns verpflegungstechnisch zu versorgen und auch – natürlich – die Tower Bridge zu besuchen. Kurz zusammen gefasst kann man sagen: viele, viele Autos, Busse und Touristen aus aller Welt mit und ohne Selfie-Stangen in der Hand wollten die Brücke passieren, fotografieren und nervten sich gegenseitig. Ich war froh, dass wir vom Wasser aus einen tollen und entspannten Eindruck dieses geschichtsträchtigen Bauwerkes genießen konnten.

London Towerbridge drauf

Mitten in der City war unser Treffpunkt und wir staunten, als wir sahen, dass es ein unterirdisches Parkhaus nur für Busse gibt. Die Fahrkünste der Busfahrer waren gefordert, aus diesem engen Parkhaus ohne Schrammen herauszukommen. Viele schwarze Streifen an den Wänden zeigten, dass nicht alle Fahrer so gut wie unser Pit waren *lach.

Wenn man übrigens in England nach einem Bus fragt, wird man zu den roten Bussen des öffentlichen Nahverkehrs verwiesen. Wir als Gruppe waren mit einem Coach-Bus unterwegs. Das war wichtig zu wissen, wenn man den vereinbarten Treffpunkt nicht gleich findet und nach dem Weg fragen muss…

London Taxi
Die Taxis sehen süß aus.

Oxford

Da das Programm umgestellt wurde, machen wir uns auf den Weg nach Oxford. Wenn man unsere Reise nicht an einem Dienstag (mittwochs Ruhetag Schloss Windsor) beginnt, dann spart man sich einiges an Kilometern im Bus (ca. 2 x 100 km). Gottseidank hatte Alex viele Informationen bereit und so war auch diese Fahrt kurzweilig.

In Großbritannien werden Entfernungen nicht in Kilometern sondern in Meilen gemessen. Eine Meile sind 1,6 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt auch auf Autobahnen und Schnellstraßen 70 Meilen, was 112 Kilometern entspricht. Das heißt, dass der normale Engländer nie schneller fahren darf/kann. In englischen Reiseführern für Deutschland steht deshalb oft die Empfehlung: mietet euch in Deutschland ein schnelles Auto und brettert mal über die Autobahnen. Ich musste lachen: wo kann man in Deutschland über die Autobahn brettern – ich kenne fast nur Stau …

Handwerker in Großbritannien sind nicht gut ausgebildet. Eine Lehre wie bei uns gibt es nicht. Wenn einer etwas weiß und kann, lernt er einen anderen an. Wenn man also nach UK auswandern will, hat man beruflich als ausgebildeter Handwerker oder gar als Meister super Chancen. Alex erzählte von einer persönlichen Begebenheit: sie brauchte Hilfe und rief bei 5 Handwerkern an, 3 riefen zurück und 1 kam vorbei, konnte aber nicht wirklich helfen. Wenn ihr Ehemann aus Deutschland sie besucht, kommen die Nachbarn mit vielen großen und kleinen Bitten um Hilfe bei Reparaturen.

Nach ca. 100 km erreichten wir Oxford (156.000 Einwohner) und spürten schnell den Spirit der vielen berühmten Menschen die in Oxford studierten, so z. B. Bill Clinton, Indira Gandhi, Oskar Wilde, Stephen Hawking usw. Bis dato haben 6 Könige, 5 Staatspräsidenten und 46 Nobelpreisträger in Oxford ihre Studienzeit verbracht.

Oxford Uni2

Mit 41 Colleges trägt es den Namen Universitätsstadt zu Recht. Die Geschichte der ältesten Colleges kann man bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Colleges haben verschiedene Charaktere: so ist z. B. das Balliol College bekannt dafür unkonventioneller zu sein als die anderen. Es wird kein Latein unterrichtet, es gibt keine Roben und auch Arbeiterkinder können es sich leisten, hier zu studieren. Im All Souls College wird nur geforscht, weil eigentlich alle Studenten schon alles wissen.

In der Bodleian Library, einer Bücherei steht von jedem in Great Britain erschienenen Buch ein Exemplar.

Oxford Uni

Die harmonische Architektur spricht einen an und man kann verstehen, warum viele Filme hier gedreht wurden, so z. B. Harry Potter, Inspektor Morris, Rosamunde Pilcher uvm.

Oxford Geschaeft 1

Wegen der Menge an Studenten DÜRFEN! Studenten nur Fahrrad fahren. Selbst wenn der reiche Papa seinem Sohnemann ein tolles Auto hinstellen wollte, dürfte er das nicht. .. Finde ich irgendwie gut *lach

Oxford Fahrraeder

Apropos reich und teuer: wohnen ist in Oxford sehr teuer und reiche Menschen kaufen ihren Kindern lieber Häuser, während diese dort studieren, als für wenige Quadratmeter Wohnfläche zur Miete Unsummen zu bezahlen.

Bekannt sind die Rennen der Rudermannschaften von Oxford und Cambridge, deren Tradition bis ins Jahr 1872 zurückführt. Auch Fußball und Motorradsport sind beliebte Sportarten, die man mit Oxford und die Rivalität zu Cambridge in Verbindung bringt.

Oxford ist auch eine Industriestadt. 1840 kam die Eisenbahn nach Oxford.

Anfang des 20. Jahrhunderts gründete William Morris seine Morris Motor Company und die Firma produziert dort heute noch die Minis. Auch Druckereien und Verlagshäuser siedelten sich an und die Stadt erlebte einen großen Aufschwung. Zum Glück blieb Oxford im Zweiten Weltkrieg vor Angriffen durch die deutsche Luftwaffe verschont.

Oxford Geschaeft2

Beim Durchschlendern von Oxford´s Gassen in eigenem Tempo spürten wir den Geist der vergangenen Zeiten gepaart mit der Leichtigkeit des heutigen Studentenlebens. Nach Alex´s Erzählungen ist es nicht ungewöhnlich prominente Menschen in Oxford zu treffen, die dort ihre Sprösslinge besuchen. Da mir das Gen der Menschenerkennung fehlt, würde ich es vermutlich nicht einmal bemerken *lach.

Das war wirklich ein schöner Ausflug in eine ganz andere Welt!!

Die Heimreise, zurück ins Hotel in London-Heathrow wurde uns wieder von Alex´s Erzählungen versüßt:

In UK sind viele Elektro-Autos unterwegs, die allerdings nicht gekennzeichnet sind. Manchmal ist links am Nummernschild ein grüner Balken, das ist aber keine Pflicht.

Autos haben vorne weiße Kennzeichen (reflektierend) und hinten Gelbe (reflektieren nicht). Geblitzt wird in UK von hinten und bezahlen muss immer der Fahrzeughalter.

Übrigens behalten Fahrzeuge immer das gleiche Nummernschild – ihr ganzes Autoleben lang. Man kann sich Kennzeichen auch selbst zusammenstellen nach allen Möglichkeiten, die es gibt und diese dann kaufen. Normale Kennzeichen haben 2 Buchstaben, 2 Zahlen und 3 Buchstaben. Alle anderen sind gekauft und haben oft einen persönlichen Bezug zum Fahrzeughalter – zumindest zum ersten Fahrzeughalter.

Autonummer Tintagel Hotel
… die Autonummer ist Programm – was die wohl gekostet hat??

Die Parksituation in London ist naturgemäß sehr angespannt. Deshalb gibt es seit 2006 eine sog. Staugebühr. Von Montag bis Sonntag wird diese über ein automatisches Bezahlsystem eingezogen und beträgt 15 Pfund/Tag (ca. 18 €).

Dazu kommen Parkgebühren von 10 Pfund/Stunde (12 €) oder auf einem Dauerparkplatz von 30/40 Pfund/Tag (36/48 €). Wenn man das auf den Monat hochrechnet, ergibt das eine ziemliche Summe.

Es gibt die Möglichkeit, kostenlos auf P+R-Parkplätzen in den Vororten zu parken und mit der U-Bahn in die City zu fahren. Das wird rege genutzt und man sieht oft Menschen in schicken Kleidern und bequemen Schuhen auf dem Weg zur Arbeit.

Gehälter in London liegen im Durchschnitt für einen Buchhalter bei 36.000 Pfund/Jahr (43.200 €) und für einen Lehrer bei 29.000 Pfund/Jahr (34.800 €). Außerhalb von London sind die Gehälter niedriger, in Manchester z. B. kann man ca. 10.000 Pfund weniger rechnen. Dort sind die Lebenshaltungskosten und Wohnen allerdings preiswerter.

Interessant finde ich auch, dass man sich in UK Wohnungen teilt, grundsätzlich nach dem Prinzip einer WG. Allerdings teilt man sich oft auch ein Zimmer, wenn man nicht immer dort wohnt. Am Beispiel von Reiseleitern kann man es gut erklären: solange sie mit einer Gruppe unterwegs sind, bewohnt ein Anderer/eine Andere ihr Zimmer. So kann man die sehr hohen Mietkosten reduzieren. Es erfordert eine exakte Planung, um das pannenfrei über die Bühne zu bringen.

Preise berechnen sich nicht nach Quadratmetern, sondern nach Schlafzimmern. Ein Single-Zimmer ist z. B. mit einem Schrank unter der Treppe einfach miniklein.

Übrigens werden in Great Britain die meisten Wohnungen möbliert vermietet. Da ist ein Umzug in aller Regel nicht sehr aufwändig.

Windsor Castle

Am Donnerstag ging die Reise mit gepackten Koffern weiter. Die Gruppe war nun vollständig, denn die Münchner Gäste waren alle angekommen.

Als erstes Ziel stand Windsor Castle auf dem Programm, das größte, durchgängig bewohnte Schloss der Welt. Wenn die Flagge gehisst ist, bedeutet dies, dass der König oder die Königin anwesend sind.

Windsor King Charles und Camilla

Während unseres Besuches waren sie nicht da – vermutlich hätten wir sie sowieso nicht zu Gesicht bekommen *lach. Obwohl – Alex hatte einmal das Vergnügen, dem König, damals noch Prinz, zu begegnen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln.

In 2023 besuchten 1,37 Millionen Personen das Schloss… Ich habe ja auch gerne Besuch … aber was für eine Zahl…*lach. Wir konnten mit dem Audioguide im Ohr auf eigene Faust die der Öffentlichkeit zugänglichen Räumlichkeiten besichtigen und waren sehr beeindruckt von der Größe und Schönheit des Schlosses.

Windsor Bahnhof
Windsor Lokomotive von Elisabeth 1

Fotografieren in den Räumlichkeiten war übrigens nicht erlaubt, was ich auch in Ordnung finde!!

Windsor langer Weg durch Park

Manches kam mir bekannt vor, weil ich es im TV bei irgendwelchen Gelegenheiten schon gesehen hatte: die Plätze in der Kirche z.B., oder der lange Weg im Park, von wo aus man erwartungsvoll zum Schloss schaut, ob sich schon der erste Wagen zeigt. Der Wachwechsel ist auch immer wieder sehenswert.

Windsor Aussenansicht2

Man ist während des Besuches in einer ganz anderen Welt und ich kann wirklich jedem, auch denen, die mit Monarchie und Co nichts am Hut haben, einen Besuch dort empfehlen! Es war schon ein besonderes Gefühl, sich dort zu bewegen, wo die Königsfamilie einen großen Teil des Jahres wohnt und die Prinzen groß geworden sind. – Irgendwie verfolge ich es doch in der Presse…

Windsor Wachen

Im Anschluss an den Besuch im Schloss mussten wir uns entscheiden, ob wir Eton oder das Städtchen Windsor besichtigen wollten. Beides ging aus Zeitgründen nicht. Wir entschieden uns für Windsor und fanden es wirklich sehr ansprechend: ein Städtchen zum Wohlfühlen.

Windsor schoenes Haus

Eton wäre auch interessant gewesen: mit mehr Zeit kann man dort eine Führung im College machen. Es ist eine Privatschule und kostet 63.000 Pfund/Jahr (75.000 €) zuzüglich Kosten für Musik- und Sportunterricht sowie die entsprechende Kleidung… edel, edel …

Windsor offene Kirche
Sollte das nicht überall so sein????

Stonehenge

Unsere Reise ging weiter nach Stonehenge. Wir hatten die Möglichkeit, vom Busparkplatz aus zu den Steinen zu laufen oder mit einem Pendelbus diese Sehenswürdigkeit zu besuchen. Wir trafen die gute Entscheidung mit dem Bus zu fahren, denn der Weg dorthin zieht sich ziemlich in die Länge und es begann ein leichter Nieselregen.

Stonehenge fuer Halbstarke
Halbstarke können sich hier ausprobieren?

Auf der berühmten Anhöhe angekommen, staunten wir über die Größe und Anordnung der riesigen Felsbrocken. Warum die dort stehen und wie sie dort hinkamen ist bis heute nicht bekannt. Es gibt viele Hypothesen, die sich z. T. ergänzen, aber zum anderen Teil widersprechen. Übereinstimmung gibt es in allen Hypothesen darüber, dass es eine Ausrichtung exakt auf den Sonnenaufgang am Tag der Sommerwende gibt.

Stonehenge 2

Viel Mystik liegt an diesem Ort in der Luft und man kann sich einer gewissen Faszination nicht entziehen. Ein Stein wiegt bis zu 70 Tonnen und sie stammen nachgewiesener Weise aus Wales und Irland – wie kamen sie nach Stonehenge? Wer hat sie wie transportieren können? In vielen Sagen ist von dieser Steinformation die Rede. Seit 1.500 Jahren werden dort zur Sonnwende Rituale ausgeübt. Manche sagen Stonehenge bedeutet Totenreich und Woodhenge Lebensreich. Wer weiß es? Es gibt so viele ungeklärte Dinge zwischen Himmel und Erde: Stonehenge gehört definitiv dazu.

Seit 1918 gehört dieses Monument dem englischen Staat, der es auch touristisch erschlossen hat mit Hilfe vom English Heritage. Seit 1986 ist es Weltkulturerbe. In 2023 besuchten 1,33 Millionen Menschen Stonehenge. Ein Besucherzentrum gibt interessante Einblicke in die Forschungsarbeit bis zur Stunde.

Man darf die Monumente leider nur mit einem gewissen Abstand besichtigen. Sonderbare Zeitgenossen machten sich mit Hammer und Meißel daran, Steine als Andenken herauszuklopfen… Wenn das jeder machen würde, wäre das auf der Welt Einmalige bereits verschwunden. Manchmal will man gar nicht glauben, was man hört ….

Die Strecke zu unserem nächsten Übernachtungsdomizil war von der Länge her überschaubar. Ein Stau änderte unseren Zeitplan allerdings ziemlich. Unser Busfahrer war nicht für Fahren im Stau geboren. Mit dem „Mahnah Mahnah-Song“ bekannt aus der „Sesamstraße“ versuchte er seine Nerven zu beruhigen und pflanzte damit einen Ohrwurm in unsere Gehörknöchlein *lach. Die Zeit drängte, da unser Abendessen im Hotel bestellt war und zeitlich nur wenig nach hinten geschoben werden konnte.

Irgendwann entschied Pit – mit dem Argument: ich kenne mich hier aus – die staugeplagte Strecke zu verlassen, um auf Nebenstraßen unser Ziel zu erreichen.

Tja – eigentlich eine gute Idee – nur sind die Nebenstraßen ziemlich eng und links und rechts von bewachsenen Trockensteinmauern begrenzt – und wir mit einem großen Bus unterwegs. Ich fand es spannend und hatte feuchte Hände, wenn uns wieder einmal ein Auto entgegenkam und entweder rückwärts die nächste Parkbucht ansteuerte oder in die Hecken fuhr.

Busfahrt enge Strasse

Anwohner standen z. T. kopfschüttelnd am Straßenrand und meinten, dass wir definitiv nicht durch kommen würden. Da hatten sie die Rechnung aber ohne unseren Pit gemacht, der zeigte, dass er seinen Bus beherrschte und offensichtlich millimetergenau die Abmessungen kannte.

Normalerweise unterhielt uns Alex während der Fahrt mit interessanten Geschichten – sie war still und im Bus war es ebenfalls mucksmäuschenstill, um Pit ja nicht in seiner Konzentration zu stören. Als wir die Bundesstraße wieder erreichten, bekam Pit mächtigen Beifall!!

Ich mag Abenteuer, muss aber ehrlicherweise auch schreiben, dass die Meinungen über diese Aktion im Bus auseinander gingen. Ich weiß aber auch nicht, wie die gleichen Mitreisenden, die das nicht gut fanden, reagiert hätten, wenn unser Abendessen kalt gewesen wäre – also lieber so wie es war – und ich habe Grund, diese Begebenheit zu beschreiben *lach.

Müde von den Eindrücken an diesem Tag erreichten wir unser nächstes Hotel in Newton Abbot in der Grafschaft Devon. Das erste Abendessen gab es im urigen Pub des Hotels und war lecker. Das Hotel war schon ein wenig in die Jahre gekommen, strahlte aber einen gewissen Charme aus und es war sauber. Was will man mehr.

Hotel und Garten
Gartenwirtschaft am Pub

Durch das wunderschöne Cornwall

Am Freitag lagen wieder einige Kilometer vor uns, deshalb war bereits um 8.00 Uhr die Abfahrt. In dem Newton Abbot Hotel war es üblich, das Abendessen vorzubestellen. Also las uns Alex im Bus die Speisekarte vor und gab dann eine Liste herum, auf der jeder eintragen sollte, was er abends zum Essen möchte. Ich fand es schwierig mir Gedanken über das Abendessen zu machen, wenn ich noch satt vom Frühstück war. Vorsichtshalber schrieb ich immer auf, was wir gewählt hatten – die Zeit bis zum Abendessen war lang und prall gefüllt mit Eindrücken…

Bus Essensbestellung

Wir näherten uns der Grenze zu Cornwall und Alex kam ins Schwärmen über diesen schönen Landstrich. Der Fluss Tamar trennt die Grafschaften Devon und Cornwall.

Cornwall Grenze Tamar Bruecke
Tamar Bridge

Cornwall ist recht dünn besiedelt und es gibt wenig Industrie. Im 18. und 19. Jahrhundert war es europaweit führend im Bergbau. Die Arbeitsbedingungen mögen an wenigen Eckdaten erkennbar sein: 12 Stunden-Schichten an 6 Tagen in der Woche. Der Auf- und Abstieg in die Grube zählten nicht als Arbeitszeit. Dass bereits Kinder mitarbeiten mussten, war normal. Die Lebenserwartung eines Bergmannes betrug ca. 25 Jahre.

unterwegs Bergwerkskamin
vereinzelt sieht man noch Bergwerkskamine

Es wurden Zinn und Kupfer abgebaut. Nach dem zweiten Weltkrieg sanken die Preise, da in anderen Teilen der Welt preisgünstiger abgebaut werden konnte. 1998 wurde das letzte Bergwerk geschlossen. Ganz aktuell werden 2 Bergwerke wieder aktiviert und mit neuer Technologie ausgerüstet. Das gibt wieder Arbeitsplätze in diesem schönen aber armen Landstrich.

Arbeitsplätze bietet die Cornish Pasty-Herstellung. Dieses typische Gericht gibt es in Cornwall an jeder Ecke zu kaufen und ist wirklich lecker. Natürlich gibt es dazu auch wieder eine Geschichte: Ungefähr im 13. Jahrhundert packten die Frauen der Bergleute das Essen für ihre Männer in Teigtaschen. Diese wurden mit Initialen versehen, damit sie nicht verwechselt werden konnten. Gefüllt wurden sie mit allen möglichen Zutaten. Man kann es kurz beschreiben als einen Eintopf, der in die Hand genommen werden kann.

St Ives Pasties Reklame

Man konnte und kann Pasty´s warm und kalt und einfach aus der Hand essen. Heute werden sie mit Rind, Lamm und verschiedenem Gemüse gefüllt.

Im Frühling werden in Cornwall Narzissen angebaut. Bestimmt hatte mancher, der im März Osterglocken kauft Produkte aus Cornwall in der Vase.

In den weiten, dünn besiedelten Landschaften gibt es Wildpferde und Ponys. Die typischen Trockensteinmauern, die viele Straßen und Grundstücke begrenzen dienen dem Naturschutz für Insekten und allerlei kleinem Getier. Naturschutz ist ein großes und wichtiges Thema in Cornwall. An anderer Stelle will ich darüber mehr berichten.

unterwegs Landschaft mit Sandsteinmauer

St. Ives

Unser erstes Ziel an diesem Tag war St. Ives, welches früher vom Fischfang lebte. Irgendwann gab es zu wenige Sardinen und Krabben und die Fischer zogen weg. Künstler und Maler erkannten die Schönheit dieses kleinen Ortes und machten ihn berühmt. Die am Meer gelegene Galerie Tate St. Ives bietet wechselnde moderne Kunstausstellungen. In dieser Künstlerkolonie leben ca. 11.000 Menschen und gehen ihrem Kunsthandwerk nach: töpfern, Glaskünstler, Bildhauer, Maler… Rosamunde Pilcher wurde übrigens in der Nähe von St. Ives geboren – um den Titel unserer Reise aufzunehmen.

In einer ausgiebigen Mittagspause konnten wir uns einen Eindruck von diesem schönen Ort verschaffen und – natürlich ein leckeres Cornish-Pasty verspeisen – auf einer Bank am Wasser, im Sonnenschein…

In Sichtweite nach St. Michael´s Mount, in Pensence machten wir einen kurzen Fotostopp. St. Michael´s Mount ist eine Gezeiteninsel an der Südwestspitze Englands, also am „Eingang“ zum Ärmelkanal. Der Atlantik ist in Sichtweite. Bei Niedrigwasser kann man über einen Damm zu Fuß auf die Insel gelangen. Seit dem 17. Jahrhundert verwaltet die Familie St. Aubyn die Insel. Der Hausherr macht ab und zu Führungen oder sitzt im Garten und beobachtet seine Gäste. Im Jahr 2023 waren etwa 400.000 Menschen auf der Insel um dieses Kleinod in Cornwall zu besichtigen. Schade, dass es für uns nicht möglich war.

Insel St Michael
St. Michael´s Mount

Lands End

Mein persönliches Highlight an diesem Tag war Land´s End, der westlichste Punkt Great Britains. Der Blick auf das weite Meer und die schroffen, bis zu 60 m hohen Klippen zogen mich ganz in ihren Bann. Wenn ich jetzt, beim Schreiben, die Augen schließe, kann ich die Landschaft vor meinem inneren Auge sehen, das Meer riechen und das Gefühl von Weite spüren.

Landsend Schild

Im einzigen Hotel vor Ort konnten wir den berühmten Cream Tea mit Blick auf diese herrliche Landschaft genießen. Ich glaube, daran könnte ich mich gewöhnen: nachmittags einen leckeren Tee, Scones, Clotted Cream (oder weniger authentisch, Schlagsahne) und Marmelade.

Landsend Tea Time

Man kann auf den Klippen herrliche Wanderungen machen und die Natur auf sich wirken lassen.

Manche Landschaften kamen mir bekannt vor: ja, ich habe schon den einen und anderen Rosamunde Pilcher-Film gesehen* lach. Auf Land´s End wurden einige Filme bzw. Szenen gedreht.

Wie im Flug vergingen die 2 ½ Stunden auf Land´s End.

Landsend 6 1

Die Fahrt zurück zum Hotel wurde uns im Bus mit dem Rosamunde Pilcher Film: „Wenn das Herz zerbricht“ versüßt?/versauert? – je nach Geschmack. Auf alle Fälle hatte beim Happy End mindestens die Hälfte aller Businsassen feuchte Augen *lach.

Heinrich der VII.

Alex machte es sich zur Aufgabe, uns jeden Tag auf der Rückfahrt ins Hotel die Geschichte von Heinrich VIII und seinen 6 Ehefrauen nahe zu bringen. 6 Ehefrauen – 6 Reisetage … als wäre es so geplant gewesen. Ich möchte in diesem Reisebericht die zum Teil gruseligen Geschichten nicht berichten. Eine Kurzfassung davon mag genügen:

Heinrich VIII. (1491-1547) war von 1509 bis 1547 König von England und ab 1541 auch König von Irland. Als jüngerer Sohn von König Heinrich VII. und Elizabeth von York wurde er nach dem frühen Tod seines älteren Bruders Arthur im Jahr 1502 Thronerbe. Seine Krönung im Juni 1509 war nach den englischen Rosenkriegen die erste friedliche Thronbesteigung seit beinahe 100 Jahren. Als erster humanistisch gebildeter König von England war Heinrich ein typischer Renaissancefürst: Er sprach mehrere Sprachen, verfasste Gedichte, komponierte und zeigte großes Interesse an religiösen Themen. In seiner Jugend war er ein athletischer, charismatischer Mann, dessen Herrschaftsantritt freudig begrüßt wurde, in späteren Jahren jedoch war er fettleibig, chronisch krank und galt bei Vielen als Tyrann. Eigentlich war Heinrich VIII. Katholik, überwarf sich allerdings mit dem Papst und ebnete dem Protestantismus in England den Weg. Er förderte den Druck einer englischsprachigen Bibel.

  • Seine erste Ehefrau war Katharina von Aragon (1485-1536). Sie heirateten 1509 und die Ehe wurde annulliert, da sie ihm nur Mädchen, aber keinen Thronfolger schenkte. Die Tochter Mary überlebte und wurde später als Bloody Mary bekannt.
  • Die zweite Ehefrau war Anne Boleyn (1501-1536) – die Hofdame Katharinas. Sie heirateten 1533 und sie wurde aus dem gleichen Grund hingerichtet – sie gebar nur Mädchen. Sie weigerte sich allerdings in eine Scheidung einzuwilligen. Ihre Tochter Elisabeth wurde später Königin Elisabeth I.
  • Die dritte Ehefrau war Jane Seymour (1507-1537). Sie heirateten 1536 – 2 Wochen nach der Hinrichtung von Anne. Sie starb nach der Geburt des lang ersehnten Thronfolgers Edward (1537- 1553).
  • Die vierte Ehefrau war Anna von Kleve (1515-1557). Sie heirateten 1540 aus politischen Gründen. Heinrich kannte sie nur von einem gemalten und offensichtlich geschönten Bild und konnte so gar nichts mit ihr anfangen. Er ließ die Ehe schnell wieder annullieren.
  • Die fünfte Ehefrau war Catherine Howard (1525-1542). Sie heirateten 1540. Sie genoss das Leben und ihr alter Ehemann konnte nicht mehr mithalten. Da sie keine Kinder bekam und irgendwann das Leben ohne ihren Mann zu sehr genoss, wurde sie hingerichtet.
  • Die sechste Ehefrau war Catherine Parr (1512-1548). Sie heirateten 1543 und sie überlebte Heinrich. Sie kümmerte sich auch um die „Stiefkinder“ und bekam den Titel Königin von England und von Irland. Sie heiratete kurz nach Heinrichs Tod ihre große Liebe Thomas Seymour und verlor damit ihre Titel wieder.

Nach Heinrichs Tod fiel die Krone nacheinander an seine drei überlebenden Kinder: zunächst an seinen neunjährigen Sohn Eduard, der früh, mit 16 Jahren, verstarb, dann an die älteste Tochter Maria und schließlich an seine Tochter Elisabeth. In der Populärkultur ist Heinrich VIII. vor allem für seine sechs Ehen bekannt.

*lach, das war die Kurzversion! Schaurige Zeiten, schaurige Sitten – aber auch das gehört zur Geschichte Englands und war interessant zu hören.

Als wir im Hotel in Newton Abbot ankamen war dort Hochbetrieb. Es fand die Hochzeit von Christine & Charlie statt (stand auf einem Schild) und wir fragten uns, wie die Nacht wohl werden würde… man weiß, dass die Engländer feiern können (siehe Bericht über die Irlandreise)… Wir hatten eine ruhige Nacht – gottseidank *lach.

Polperro

Am 5. Tag, dem Samstag begrüßten wir zuallererst ein Geburtstagskind im Bus mit dem obligatorischen Geburtstagsständchen. Mit nun 81 Jahren diese Tour zu machen, zeigt, dass sie noch ziemlich fit war (und hoffentlich noch ist)!

Unsere Fahrt führte uns an diesem Tag über Plymouth und die Tamar-Brücke nach Polperro. Unterwegs erfuhren wir wieder interessante Tatsachen.

So werden aus dieser Gegend Englands Töpfereien mit Lehm versorgt, der hier abgebaut wird.

Gräber bleiben in England immer bestehen und werden nach einer gewissen Zeit nicht abgebaut/weg gemacht – oder wie immer man das nennen mag. Irgendwann sieht man auf einer Grasfläche nur noch die verwitterten Steine stehen.

Friedhof
Friedhof

Man bezahlt im Vereinigten Königreich keine Kirchensteuer. Kirchen finanzieren sich durch Erbschaften, Gönner, Cafés usw.

Im Vereinigten Königreich wird sehr auf Naturschutz geachtet. King Charles ist z. B. der Schirmherr von „The National Trust“. Dieser Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, besondere Orte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Verarmte Adelige überlassen ab und zu dem Staat ihre Herrenhäuser und Parks, der es dann dem National Trust übergibt. Die ehemaligen Besitzer behalten oft ihr Wohnrecht.

Polperro The National Trust

Die Instandhaltung wird über Eintrittsgelder finanziert. Mit einer Mitgliedschaft kann man diesen Verein unterstützen. Die Kosten von 60/70 Pfund/Jahr (72-84€) sind überschaubar. Man hat dann den Vorteil, dass Eintritte vergünstigt sind, Parkgebühren entfallen und man Informationen über das Anwesen und den Verein bekommt. Mit ca. 6 Mio. Mitgliedern kann der Verein viel Gutes für die Natur bewirken. So werden z. B. die Küstenlandschaften besonders geschützt und darauf geachtet, dass sie nicht verbaut werden. Feriengäste sind willkommen, übernachten aber nicht in Bettenburgen, sondern in den Herrenhäusern.

Herrenhaus

Übrigens sind die Engländer sehr hundefreundlich. Nach dieser Information fiel uns erst auf, dass wirklich viele Menschen mit Hunden unterwegs waren.

Plymouth sahen wir nur vom Bus aus, erfuhren aber von Alex, dass es eine der wichtigsten Hafenstädte England ist. Berühmte Personen wie Sir Francis Drake, James Cook und Charles Darvin starteten von hier aus auf ihre abenteuerlichen Reisen in die große, weite Welt.

Der Fluss Plym bildet die Stadtgrenzen.

Ein lustiges Kuriosum ist das Plymouth Ski Centre, wo man das ganze Jahr über Ski fahren und Ski-Kurse besuchen kann. Eine Werbefigur des Ski Centres ist Eddie the Eagle, der 1986-1988 die Skisprungwelt als schlechtester Skispringer aller Zeiten beschäftigte.

Ski edited

Unser erstes Ziel, Polperro hat den Ruf, eines der schönsten Fischerdörfer Cornwalls zu sein. Der Bus parkte etwas außerhalb, da das Städtchen a) ziemlich eng und b) größtenteils verkehrsfrei war. Die Straße ins Dorf hinab war angenehm zu laufen. Links und rechts konnten idyllische Häuser, schöne Gärten, weißgetünchte Fischerhütten und Geschäfte bewundert werden. Kunsthandwerk und Süßwaren, Backwaren und Fisch wurden angeboten.

Polperro Fischerhaeuser
Polperro schoenes Anwesen

Bei unserer Ankunft war Ebbe und ich fand es besonders reizvoll zu sehen, wie die Boote im Schlick aufsaßen. Der Tidehub beträgt übrigens 3,5 m im Hafenbecken, das finde ich ganz schön viel!

An manchen Straßen fielen uns über die Straße gespannte Drähte auf. Diese dienen dazu, Fledermäuse zu ihrem Schutz „umzuleiten“.

Zum Thema Fisch bekamen wir einen Tipp von Alex: bei „Kitti“, einer Fischbude gäbe es den besten frischen Fisch, Rollmöpse, Austern, Hummer und Fischbrötchen. Was soll ich sagen: mir fehlte der Vergleich zu anderen Geschäften, aber bei Kitti war es einfach nur lecker!!! Ich glaube, dass jeder aus unserem Bus bei Kitti zum Essen war *lach. Kitti spricht übrigens auch ein wenig deutsch.

Polperro Kitty

Die Geschichte Polperro´s spiegelt sich an manchen Stellen wieder und ein wichtiger Bestandteil dieser Geschichte war: Schmuggel. Die Lage bot sich dazu an. Der Hafen liegt gut versteckt hinter hohen Felsformationen mit einer schmalen Zufahrt vom Wasser aus. Ein Schmugglermuseum lud ein, sich in diese Zeit versetzen zu lassen.

Polperro Smugglerhouse

Da man bei so einem kurzen Ausflug nicht alles sehen kann, entschieden wir uns gegen das Museum und für die herrliche Natur. Wir spazierten bis ans Meer und genossen die schmalen Pfade, die auf die Felsen führten. Sie wurden übrigens vom National Trust angelegt und gepflegt.

Polperro Pfad am Meer

Wir konnten uns lebhaft vorstellen, wie Schiffe von Irrlichtern irritiert wurden und auf Grund liefen. Sie waren dann ein leichte Opfer für Polperro´s Bewohner, die sich damit ihren Lebensunterhalt verdienten. Ein Lehrer war übrigens der „Chef“ der Schmuggler. Er war bekannt als der „Pate von Polperro“. Nachdem die Zeit der Schmuggelei vorbei war, starb dieser friedlich und ehrenwert.

Polperro Berg

Polperro ist wirklich einen Ausflug wert und man kann sich dort durchaus einen ganzen Tag aufhalten, ohne dass einem langweilig würde.

Herrenhaus Lanhydrock House

Der nächste Besuch führte uns nach Lanhydrock House einem Herrenhaus mit riesigem und wunderschön angelegtem Landschaftspark. Viele Teile des Hauses stammen aus einer Zeit um 1550. Es war damals ein klösterlicher Bauernhof und ging später in Privatbesitz über. Die vielen Familien, die es in diesen Jahren besaßen, will ich gar nicht erwähnen.

Lanhydrock mit Park

Nachweislich begann im Jahr 1621 der damalige Eigentümer das Herrenhaus in dem Stil zu erbauen, den es heute noch hat. Im Laufe der Zeit wurden immer neue Flügel angebaut. Zu manchen Zeiten war der Garten eingezäunt und es wurde dort Rotwild gehalten. Zwischenzeitlich war das Haus komplett heruntergekommen, und es wurde in Erwägung gezogen, es abzureißen. Doch immer wieder fanden sich Menschen, die dem Charme dieses Gemäuers erlagen und auch die nötigen finanziellen Mittel hatten, um es wieder schön herzurichten.

Im April 1881 zerstörte ein Großbrand einen großen Teil von Lanhydrock House. Die Bewohner blieben unverletzt, verstarben aber kurz danach. Der Erbe, Thomas Charles, ließ das Herrenhaus wieder aufbauen. 1954 wurden die ersten 6 Zimmer des Herrenhauses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Besucherzahlen stiegen beständig an und erreichten im Jahr 2023 die stolze Zahl von 179.000 Personen. Lanhydrock House war Filmkulisse in manchen Filmen, natürlich auch in Rosamunde Pilcher Filmen *lach.

Wir wandelten durch die geschichtsträchtigen Räumlichkeiten. Mit massivem Holz und großen schweren Möbeln drückte man damals vermutlich seinen Wohlstand aus. Besonders hat mir die riesengroße Küche gefallen und ich konnte mir gut vorstellen, wie dort köstliche Leckereien gezaubert wurden. Wenn man bedenkt, dass dort ca. 80 Personen als Personal 12 Bewohner*innen bedienten, war das bestimmt ein ziemliches Gewusel.

Lanhydrock Thank you for not touching
… geht auch nett!

Bei einem Spaziergang durch den Garten konnten wir wunderschöne Pflanzen sehen. Ich kenne mich leider in der Botanik nicht gut aus. Einige Pflanzen sahen für mich aber so aus, als ob sie nicht in jedem englischen Garten wachsen.

Lanhydrock Blumen
Lanhydrock Park

Super gepflegte Rasenflächen mit Hecken und Bäumen luden dazu ein, betreten zu werden! Ja, liebe Leser*innen, da standen Schilder, dass Kinder spielen dürfen und man sich auf dem Rasen bewegen darf – nicht wie ich es von Deutschland kenne: „Betreten verboten!“ Abnutzungsspuren habe ich übrigens nicht gesehen *lach.

Lanhydrock Spielwiese

An diesem Abend waren wir etwas früher als sonst im Hotel und vor dem Abendessen war sogar Zeit für einen Saunagang, eine Runde Schwimmen und um im Whirlpool zu entspannen.

RHS Garden Rosemoor

Am 6. Tag fuhren wir in die Nähe von Torrington zum RHS Garden Rosemoor. RHS ist ein Verein, der zum Ziel hat, Gartenkunst zu fördern. Seit mehr als 200 Jahren gibt es diesen Verein schon und in 5 Gärten, die im Vereinigten Königreis verteilt sind, lassen sich jährlich mehr als 3 Millionen Gäste von den Arrangements verzaubern. Alex legte Wert darauf, früh genug dort zu sein, damit wir ganz entspannt dieses 26 Hektar umfassende Paradies genießen konnten.

Garden Rosemoor Seerosen

Mit Worten ist das eigentlich nicht zu beschreiben, deshalb will ich an dieser Stelle nur ein paar Bilder sprechen lassen und die Empfehlung aussprechen: wer sich – auch nur ein wenig – für Blumen, Pflanzen und Natur interessiert, soll Gelegenheiten wahrnehmen, einen RHS-Garden zu besuchen.

Garden Rosemoor BaumKissen
Garden Rosemoor Seerosenteich
Garden Rosemoor Vogelscheuche

Tintagel

Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel an diesem Tag, Tintagel, erzählte uns Alex wieder einiges Wissenswertes über Land und Leute:

Wenn man genügend Geld hat, ist es in Cornwall bezaubernd. Leider haben das nicht Viele. In der Regel hat man 2-3 Jobs, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Rente alleine reicht normalerweise nicht zum Leben und die alten Menschen verdienen sich noch etwas hinzu oder müssen von der Familie unterstützt werden.

Der Brexit wurde sehr einseitig propagiert. Die Vorteile der EU wurden nicht offen gelegt und so wurden die Folgen des Brexit´s beim normalen Volk unterschätzt.

Junge Menschen wandern in die Städte ab, weil sie dort Arbeit finden. 30 % des Bruttoinlandproduktes macht der Tourismus aus. Im Sommer liegt die Arbeitslosigkeit bei 1 % und im Winter bei 30 %. Rentner mögen das milde Klima in Cornwall und deshalb sind ca. 22 % der Einwohner Cornwalls Rentner.

Das durchschnittliche Jahreseinkommen in Cornwall beträgt 15.000 Pfund, das sind ca. 18.000 €.

Eine durchschnittliche Miete liegt bei 700 Pfund = ca. 850 €/Monat.

Die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren explodiert. Hat jemand vor 12 Jahren ein Haus für 200.000 Pfund gekauft, verkauft er es derzeit für 2,5 Mio. Pfund. Die Banken geben hohe Kredite, auch an Rentner. Oft läuft das dann unter Immobilienrente, was heißt, dass Rentner eine WG bilden und so die Miete bezahlen. Eine Schufa wie bei uns gibt es nicht. Die Banken haben aber einen Score, bei dem das Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben ausschlaggebend für die Kreditvergabe sind.

Hinterhof

Im Badeort Newquay leben im Sommer 5-mal mehr Personen als im Winter. Viele Wohnungen werden an reiche Londoner verkauft. Diese sind meist über den Sommer in ihrem Feriendomizil. Im Winter sind die Badeorte wie ausgestorben und sogar die Supermärkte haben geschlossen.

Das Gesundheitssystem ist auch ganz anders als in Deutschland, nämlich seit 1948 kostenlos.

Gesundheit ist ein Grundbedürfnis, soll kostenlos sein und medizinisch notwendig. Es finanziert sich über Steuern und diverse Abgaben. Auch Touristen werden kostenlos behandelt. Wer im Gesundheitssystem arbeitet, ist bei einem Top Arbeitgeber beschäftigt. Es wird dafür gesorgt, dass die Versorgung mit Allgemeinärzten und Apotheken gewährleistet ist. Allgemeinärzte behandeln alles, auch Arbeitsunfälle, chronische Erkrankungen und sind zuständig für Bescheinigungen aller Art. Es gibt nur wenige Fachärzte und derzeit herrscht ein akuter Mangel an Zahnärzten, denn da geht ein Allgemeinmediziner nicht dran *lach. Freie Arztwahl gibt es nicht. Jeder Arzt hat einen bestimmten Bereich zu betreuen und da muss man hin.

Mit diesen Informationen beantwortete Alex viele Fragen, die von Mitreisenden gestellt wurden. Sie sind für mich auch ein Grund, warum ich die geführten Gruppenreisen so mag! Die Zeit verging wie im Fluge und unser Ziel, Tintagel war in Sicht.

Tintagel Ortsstein

Tintagel ist vor allen Dingen für seine Burg Tintagel Castle bekannt. Eng verbunden ist dieser Ort auch mit der Sage von König Arthus, da Arthus am Strand angespült worden sein soll und vom Zauberer Merlin in dessen Höhle aufgezogen wurde. Tintagel gilt als eines der beliebtesten Reiseziele in England und entsprechend voll kann es werden.

Die Ortschaft selbst hat einen gewissen Charme, die Häuser aus Schieferstein geben Tintagel eine ganz besondere Note. Schiefer wird dort in der Gegend abgebaut und man findet wirklich jedes Mäuerchen und viele Häuser (vor allen Dingen die älteren Häuser) mit Schiefergestein erbaut.

Tintagel Haus mit Sandsteinmauer

Die spektakuläre Landschaft unterstreicht die mystischen Geschichten um die Sage um König Artus. In vielen Geschäften, Cafés und Restaurants kann man regionale Gerichte probieren. Ich habe auf unserer Reise schnell gelernt, dass es Sinn macht, sich auf Alex´s Empfehlungen zu verlassen. So pries sie uns einen Straßenverkaufs-Imbiss als sehr gute Adresse für fish & chips an. Was soll ich sagen: sie hatte mal wieder Recht. Sogar die Empfehlung, zu zweit nur eine Portion zu nehmen hat sich bewährt *lach.

fish chips

Schon im Bus bekamen wir Vorschläge von Alex, was wir in unserer freien Zeit dort machen könnten. Wer gut zu Fuß war, konnte sich die Burg anschauen. Wer das nicht wollte, dem standen Geschäftebummel oder ein Hotel gegenüber der Burg mit schöner Aussicht und einem Café zur Auswahl. Ich hatte ausnahmsweise keine Lust auf marschieren und besichtigen und so steuerten wir das Hotel an. Wow, da hatten wir für uns eine gute Wahl getroffen: einzigartige Lage, mit feudaler Einrichtung und von der Terrasse aus ein unbeschreiblicher Ausblick auf die Burg und die gigantische Brücke dort hin.

Tintagel Blick vom Hotel auf Bruecke zur Festung

Ich war dort übrigens auf der edelsten Toilette, die ich bisher gesehen hatte….

Tintagel Hotel Toilette

Mitreisende, die sich für die Burg entschieden berichteten später, dass es für die Zeit, die wir zur Verfügung hatten zu weit war und der Eintrittspreis für die Burg sich deshalb nicht rentierte.

Auf dem Weg zurück zum Bus fand ich eine Kreditkarte auf dem Boden liegend. Nach kurzer Beratung mit ein paar Mitreisenden gab ich die Karte im fish & chips-Laden ab. Am Bus erzählten wir von unserem Fund und – siehe da – die Karte gehörte einer Mitreisenden. Puh, da wäre die Aufregung groß gewesen, hätte sie den Verlust erst später bemerkt.

Für Autos gibt es in England übrigens keine TÜV. Die Hauptuntersuchung heißt MoT Test und ist seit 1960 einmal jährlich Pflicht. Oldtimer sind frei.

Betreuung für Kinder, die noch nicht in der Schule sind, steckt noch in den Kinderschuhen. Die wenigen Plätze sind rar und man regelt die Beaufsichtigung der Kinder mit Au-pairs oder Nannis. Kinder kommen mit 5 Jahren in die Schule und der Unterricht geht bis 15.30 Uhr. Teure Privatinternate nehmen Kinder ab 3 Jahren auf und bis zum Abitur mit 18 Jahren können sie dort bleiben. Ein Jugendamt gibt es nicht.

Auch Mutterschutz und Co. gibt es nicht. 3 Monate nach der Entbindung muss die Mutter wieder arbeiten und die Lücke wird mit einer privaten Nanni geschlossen. Wie kann es anders sein: Kindergarten ist sehr teuer. 19.000 Pfund (fast 23.000€) kostet für ein 1-jähriges Kind 1 Jahr Kinderbetreuung. In London ist es noch teurer.

Bei London gibt es eine einzige deutsche Schule. Kinder haben meist ein falsches Bild von Deutschland. Sauerkraut, Lederhose, Dirndl verbinden sie mit Deutschland und sie glauben tatsächlich, dass Adolf Hitler noch lebt und man sich mit ausgestrecktem Arm begrüßt. Mann, Mann, Mann, da fällt mir nichts mehr ein …

Polperro Defibrilaor
praktische Lösung

Mit vielen Gedanken im Kopf kamen wir im Hotel an und bereiteten nach dem Abendessen unsere Koffer für den kommenden Morgen vor, weil uns die Reise wieder Richtung London führte.

Bath

Schon um 8 Uhr war Abfahrt Richtung Bath. Bath mit seinen ca. 86.000 Einwohnern war für mich erst Liebe auf den zweiten Blick. Die Farbe der Häuser war honigfarben und gefiel mir zunächst überhaupt nicht. Ich hatte die weißen Fischerhütten im Kopf und brauchte einen Moment, um mich an diesen Farbton einer Stadt zu gewöhnen *lach. Alex hatte uns im Bus vorbereitet, aber ich konnte es mir nicht vorstellen. Prag nennt man z. B. die goldene Stadt und Bath nennt man die gelbe Stadt, da die Häuser mit dem gelben Sandstein, der in dieser Gegend abgebaut wird, erbaut wurden. Architektonisch ist Bath mit seinen historischen Gebäuden sehr interessant und imposant.

Bath gelber Sandstein

Die natürlichen Thermalquellen – die einzigen heißen Quellen Englands – machten Bath zu einem Heil- und Kurort für den reichen Teil der Bevölkerung. Eine Geschichte dazu gibt es auch: Ein Königssohn erkrankte an einer Hautkrankheit die niemand heilen konnte und er wurde vom Königshof verbannt. Er arbeitete dann als Schweinehirte und beobachtete, dass die Schweine sich im Schlamm und den heißen Quellen suhlten und deren Wunden heilten. So tat es der Königssohn ihnen gleich, wurde gesund und durfte an den Königshof zurückkehren.

Wenn viele reiche Menschen dort Urlaub machen bzw. dort leben, gibt es natürlich auch Schulen für die Kinder. So ist die Durham University ein College, welches Kinder wohlhabender Eltern im Alter von 3-18 Jahren aufnimmt. Es ist die drittälteste Universität Englands und es wird viel Forschungsarbeit dort betrieben.

Es gibt auch eine Militärakademie. König Charles machte dort seine Ausbildung. Prinzessin Diana sorgte dafür, dass Prinz William dieses erspart blieb. Es herrschten wohl ziemlich strenge Sitten.

Bath The Circus

Interessant fand ich „The Circus“. Die Architekten John Wood sen. & jun. verwirklichten 1754-1969   ihre Ideen und errichteten 30 Reihenhäuser aneinandergebaut in einem Halbkreis. Parken können Anwohner in einer Tiefgarage unter dem Park in der Mitte dieses Gebäudekomplexes. Alles liegt fußläufig zur Innenstadt. Manche Promis wohnen in diesen Häusern. Alex hat tatsächlich schon einmal Jonny Depp gesehen – ich Dussel würde ihn vermutlich nicht mal erkennen *lach.

Bath The Circus Reihenhaeuser vorne

Nach einem ausgiebigen Bummel durch die Stadt schlenderten wir zum vereinbarten Treffpunkt an der Abteikirche und erlebten wieder einmal einen magischen Moment auf unserer Reise: ein junger Mann spielte mit seiner Trompete auf dem Vorplatz der Kirche schöne Melodien, unter anderem „Time to say goodbye“. Uns wurde bewusst, dass wir morgen um diese Zeit schon auf dem Weg nach Hause sind und unsere schöne Reise zu Ende ist.

Beeindruckt und ein wenig melancholisch bestiegen wir unseren Bus und ließen uns von Pit zu unserem nächsten Ziel bringen.

Unterwegs beantwortete Alex wieder Fragen zum normalen Leben in England. So bezahlt man z. B. 20-45% Steuern – gestaffelt nach Einkommen. Auch die Mehrwertsteuer liegt bei 20 % mit ein paar Ausnahmen. Gewerbesteuer als Einnahmequelle für Kommunen gibt es nicht. Auch soziale Abgaben sind nicht sehr hoch (siehe Gesundheitssystem ist kostenlos).

Arbeitnehmer haben 38 Tage Urlaub, darin enthalten sind allerdings 8 gesetzliche Feiertage. Arbeitslosengeld gibt es nicht.

Rente: Frauen arbeiten bis zum 60. und Männer bis zum 65. Lebensjahr. Eine Anhebung auf 68 Jahre ist geplant. Früher in den Ruhestand zu gehen ist nicht möglich.  Eine Grundrente gibt es nach 30 Beitragsjahren, diese ist allerdings niedriger als Sozialhilfe (130 Pfund/wöchentlich = 150€ für Alleinstehende und 199 Pfund/wöchentlich/Paar = 240€). Es gibt eine staatliche Zusatzrente, die sich aus dem durchschnittlichen Verdienst des Arbeitnehmers errechnet. Die betriebliche Altersversorgung (ist Pflicht in England) macht den größten Anteil, nämlich 47 % an der Rente aus. Die 4. Säule der Rente ist die Immobilienrente. Etwa 40 % der Bewohner haben Eigentum und profitieren von der Wertsteigerung. Positiv finde ich, dass ab 60 Jahren alle öffentlichen Verkehrsmittel umsonst sind.

Es gibt in jedem Land etwas was mir gefällt und etwas was ich nicht gut finde. Wenn ich mir überall die Rosinen herauspicken könnte, müsste ich mir über deren Finanzierung Gedanken machen *lach. Es ist leicht, darüber zu reden, was woanders besser ist, wenn man nur die Hälfte weiß… (mein Beitrag zum Wahlkampf *lach)

Salisbury

Letzte Station an diesem Tag und auf dieser Reise war Salisbury. Wieder wurden wir auf die besonderen Sehenswürdigkeiten von Alex im Bus bestens vorbereitet. Ich ertappte mich allerdings – vermutlich voll und müde von den vielen Eindrücken der vergangenen Tage – bei dem Gedanken, dass ich jetzt nichts Neues mehr sehen möchte – und schon gar keine Kirche …. Gottseidank gab ich diesem Gedanken keinen großen Raum, denn „The Cathedral Church of St Mary“ in Salisbury hat mich sehr beeindruckt und ich werde diese Bilder nie wieder vergessen!!

Bereits im Jahr 1220 wurde der Grundstein gelegt und im Jahr 1258 zur Kathedrale geweiht. 1310 wurde der herrliche Kreuzgang fertiggestellt, der in vielen Verfilmungen sichtbar ist.

Salisbury Kreuzgang mit Garten

Immer wieder wurde an der Kathedrale gebaut. Der Kirchturm mit seinen 123 Metern Höhe ist der höchste Kirchturm in United Kingdom. Der Eintritt zur Kathedrale kostete 12 Pfund (knapp 15€), die sich wirklich gelohnt haben!

Salisbury Kathedrale mit Taufbecken

In einem kleinen Nebenraum konnten wir die original Magna Carta besichtigen. Ich muss gestehen, dass ich bis dahin nicht wusste, was das ist. Eines der wichtigsten rechtlichen Dokumente der Entwicklung der modernen Demokratie mit seinem Ursprung im Jahr 1215 liegt hier aus und kann besichtigt werden. Erst jetzt, bei der Recherche, wird mir die Einmaligkeit dieses Dokumentes bewusst. Seit so langer Zeit kämpfte man um Demokratische Verhältnisse und ist gerade dabei sie wieder zu verlieren….

Ob die Anzahl der Säulen oder der Buntfenster – alles entspricht einer Symbolik, die ich hier nicht näher beschreiben will. Mein absoluter Höhepunkt war das Taufbecken, welches erst in 2008 neu geschaffen wurde. Es fließt stetig Wasser hinein und es hat eine vollkommen glatte Oberfläche, die wie ein Marmortisch wirkt.

Salisbury Taufbecken ohne Menschen
Man kann das Taufbecken kaum erkennen: die Glasfenster spiegeln sich darin

Es spiegelten sich die kunstvollen Buntfenster und das Holzgebälk an der Decke im Wasser – je nachdem, aus welcher Perspektive man schaute. Sorry, dass ich nur schwärmen kann.

Salisbury Taufbecken Gewoelbe

Alex warnte uns schon im Vorfeld, auf diesem „Tisch“ ein Handy oder eine Handtasche abzulegen. Da konnte ich mir noch gar nicht vorstellen, was sie meint…. Sie selbst hatte bei einem früheren Besuch beobachtet, wie eine Mutter ihr Baby dort ablegen wollte und im letzten Moment ein ungeplantes Vollbad des Säuglings verhindert.

Mit einem Bummel durch das Städtchen und einer kurzen Einkehr in einem Café beendeten wir unsere freie Zeit und machten uns auf den Weg zum verabredeten Treffpunkt, einem Busparkplatz. 2 unserer Mitreisenden hatten sich verlaufen und wir mussten 15 Minuten warten, bis sie bei uns eintrafen. Das war, soweit ich mich erinnern kann, die einzige verspätete Abfahrt.  Für ca. 50 Mitreisende war das ein guter Schnitt!!

Bei der Abfahrt aus der wirklich engen Busparkplatz-Lücke lief eine ältere Frau ohne nach links oder rechts zu schauen über die Straße und Pit musste ziemlich stark abbremsen. Mit einem leise gemurmelten „stuped cow“ verschaffte er sich Luft und Alex kriegte sich nicht mehr ein vor lauter Lachen. Das zählt seitdem zu meinen Lieblingsschimpfworten *lach.

Unsere Reise nahm im gleichen Hotel wie am Anfang in London-Heathrow ihr Ende. Wir ließen uns ca. 1.900 km von Pit durch Englands Süden fahren und nehmen außer dem einen und anderen englischen Pfund (Achtung: Wortspiel) viele superschöne Eindrücke mit. Nette Kontakte konnten wir auch knüpfen und abends an der Bar ließen wir den Tag ausklingen.

Um 6.20 Uhr morgens wurden wir im Hotel mit einem Lunchpaket versorgt und zum Flughafen gebracht. Der Flug war problemlos und zur Mittagszeit waren wir wieder in der Heimat.

Ankunft Stuttgart

Da an diesem Tag unser Hochzeitstag war, feierten wir bei einem leckeren Essen den Hochzeitstag und die tolle Reise.

Danke, an alle, die daran mitgewirkt haben. Besonders an Alex, die uns mit viel Geduld und noch mehr Humor geführt hat und natürlich fürs Korrekturlesen. Wie so eine Reise aus der Perspektive einer Reiseleiterin aussieht, kann man übrigens lesen: „Fräulein, the Käse is out of order!“ von unserer Alex Nagel (ISBN: 425202132200×6). Ich habe es gelesen und mich köstlich amüsiert!

Einen kleinen Nachtrag habe ich noch:

Flagge

so setzt sich die englische Flagge zusammen… auch interessant, einmal gesehen zu haben.

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2024.04._Niederlande

Kiffen ist für uns kein Thema, aber jeder Dritte, dem wir erzählten, dass wir nach Holland wollen, brachte unsere Pläne damit in Verbindung…Selbst wenn es ein Thema für uns wäre, gäbe es keinen Grund mehr, dafür nach Holland zu reisen, da es mittlerweile in Deutschland auch legal ist.

So, diese Einleitung passt nun gar nicht zu unserer tollen Reise *lach. Sie war nur inspiriert von Bemerkungen aus dem persönlichen Umfeld.

Frühling noch nicht in Sicht, trotzdem ….

Erste Lernlektion für mich war: wir fahren in die Niederlande – nicht nach Holland. Nordholland und Südholland sind zwei Provinzen von Zwölfen in den Niederlanden. Wenn es ganz korrekt sein sollte, müsste man Königreich der Niederlande sagen. Warum nicht nur wir dieses kleine, feine Land nach ein oder zwei Provinzen benennen, weiß ich nicht.

Wir wollen nicht so gerne viele Kilometer an einem Tag fahren. Wenn man allerdings ein Ziel hat, sollte man schon dran bleiben. Trotzdem war Helmut nach guten 250 km müde und wir fanden einen Stellplatz in Mendig. Dort in der Nähe sind das sehenswerte Benediktinerkloster Maria Laach, und ein Vulkanmuseum. Mit Kindern und Menschen, die es interessiert, ist das eine klare Empfehlung zum Halten, da viel Wissenswertes geboten ist. Nach einer Stärkung und einem ausgiebigen Schläfchen war Helmut wieder so fit, dass wir bis Viersen weiter fuhren. Das waren 400 Tageskilometer und das reichte dann auch für diesen Tag. Der Stellplatz in Viersen kostete 15 € und man bekam Gutscheine für Schwimmen im Hallenbad, Klettern in der Kletterhalle, Paddeln auf der Niers und eine Kugel Eis dazu. Wir gingen früh schlafen, und nutzten die Gutscheine nicht – man kann nicht alles haben *lach.

Leider waren die Wetteraussichten für den nächsten Tag nicht toll: Dauerregen war angesagt.

Von Viersen aus waren wir recht schnell über der Grenze in den Niederlanden und unser Ziel war ein Stellplatz in Oirschot.

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Wir wollten gerne etwas abseits der üblichen Touristenpfade unterwegs sein. Der Stellplatz war allerdings so abseits, dass wir ihn nicht fanden. Irgendwann vermuteten wir eine Richtung, hatten aber keine Lust mehr, weiter zu suchen. Wenn unsere Vermutung stimmte, liegt er irgendwo an einem Kanal in einem verträumten kleinen Ort. Das Regenwetter machte uns die Entscheidung weiter zu fahren leicht. Am Jachthafen de Turfaart bei Breda fanden wir den Stellplatz Etten-Leur und dort ein Plätzchen, welches auch bei Regen ok war. In einer Regenpause schauten wir uns das Städtlein an, bummelten durch die Geschäfte und versuchten uns mit der niederländischen Sprache vertraut zu machen.

Um diese Jahreszeit und vielleicht auch aufgrund des Wetters hatten wir auf unserer Reise nie Probleme, einen Stellplatz zu finden. Selbst abends konnten wir noch Plätze anfahren.

Zeeland, Middelburg, Vlissingen

Am nächsten Tag fuhren wir auf die Halbinsel Zeeland und fanden in Middelburg auf dem Stadtcampingplatz ein schönes Plätzchen. Am frühen Nachmittag war die Regenfront vorbei und wir erkundeten mit dem Fahrrad die Studentenstadt Middelburg, ein wirklich schönes und gepflegtes Städtchen mit einer großen, weiten Fläche vor dem historischen Rathaus. Wasserspeier und Statuen verleihen dem großen Platz eine besondere Note und diverse Märkte und Feste werden hier gefeiert.

Der 90 m hohe bekannte Abteiturm „De lange Jan“ war leider geschlossen. Die angeschlossene Kirche war allerdings geöffnet und wir kamen in den Genuss eines kleinen Orgelkonzertes. Kleine, hübsch dekorierte Gassen mit vielen Geschäften Cafés und Restaurants luden zum Erkunden ein. Das heitere Ambiente des Städtchens ließen wir in einem Straßencafé auf uns wirken, bevor wir wieder gemütlich in unser fahrbares Zuhause zurück radelten.

Am Samstag war Markttag und wir wollten uns mit allerlei Lebensmitteln eindecken. Auf dem großen Platz vor dem Rathaus – wir kannten uns ja schon ein wenig aus – waren die Stände aufgebaut. Wir bekamen was wir brauchten und probierten auch verschiedene Käsesorten. Leider war für mich keine dabei, die mich ansprach. Neue Lernlektion: nur weil Käse aus Holland kommt, muss er mir nicht schmecken*lach.

Am Nachmittag radelten wir nach Vlissingen. Die wunderschöne Dünenlandschaft beeindruckte uns sehr. Man konnte mit dem Fahrrad auf einem geteerten Weg durch die Dünen fahren – es war einfach herrlich. Mit der Seeluft um die Nase und dem Sonnenschein im Gesicht waren wir rundherum zufrieden.

Der Magen gab die Order zur Umkehr und wir gönnten uns wirklich leckere Kibbelinge mit Remouladensoße. Kibbelinge sind frittierte Fischfiletstücke, die mit einem Backteig überzogen sind und man bekommt sie in den Niederlanden an vielen Imbissbuden. Ursprünglich bezeichnet das Wort Kibbeling gesalzene Abfälle des Kabeljaus, *lach, macht nix, schmeckt sehr lecker. Der Geschmack steht und fällt natürlich auch mit der Soße. Da hat so jeder seinen Liebling.

Den Cappuccino zum Dessert nahmen wir in einem Café zu uns, das direkt an der Einfahrt zum Hafen von Antwerpen liegt. Schiffe gucken war Programm. Riesige Schiffe fuhren ziemlich nah am Ufer vorbei. An dieser Stelle gehen die Schiffslotsen an Bord. Man kann von Land aus beobachten, wie ein kleines Boot an dem riesigen Schiff anlegt und ein Lotse die Leiter hinauf klettert. Mit einem Fernglas kann man das sehr genau beobachten – unseres lag im Womo…

Irgendwann frischte der Wind auf und über dem Meer türmten sich sonderbare Wolken. Vor Naturgewalten und dem Wetter an der Küste haben wir einen Heidenrespekt und machten uns deshalb zügig auf den Heimweg. Außer dass wir ziemlich schnell wieder am Wohnmobil waren ist allerdings nichts passiert.

Der nächste Tag war ein Sonntag und wir besuchten in Vlissingen einen Gottesdienst. Die Parkplatzsuche mit dem Wohnmobil war dank eines nahe gelegenen Einkaufszentrums kein Problem. Nach dem Gottesdienst führten wir noch interessante Gespräche mit Einheimischen und anderen Urlaubern bevor wir Richtung Domburg fuhren. Dort ergatterten wir einen Parkplatz direkt an der Küste, und konnten die Weite und den gepflegten Strand bewundern. Sonntagnachmittags war natürlich viel los (auch außerhalb der Saison) und so hielten wir uns nicht sehr lange auf, obwohl uns mehrfach berichtet wurde, wie schön Domburg sei. Ja, das können wir uns gut vorstellen *lach.

Noord-Beveland, Zeelandbrug

Unser Ziel war die Halbinsel Noord-Beveland, die noch zu Zeeland gehört. Auf der Landkarte sprachen die verschiedenen Brücken und/oder Dämme meine Neugier an. Der Oost-Westweg führte über den Damm und auf einem großen Parkplatz konnten wir eine Pause einlegen um dieses Ambiente auf uns wirken zu lassen: auf der einen Seite das große, weite Meer und auf der anderen Seite ruhige Wasser mit Booten. Lustig fand ich den Spielplatz, der von Wasser umgeben war und nur mit Badekleidung oder hoch – also sehr hoch – gekrempelten Hosen zu erreichen war. Da kann man Kinder parken und weiß, dass sie nicht weglaufen können *lach.

Unser Stellplatz in Kats nannte sich Mini-Camping Weizicht und war an einen kleinen Campingplatz angeschlossen. Alles was wir brauchten war vorhanden und wir fühlten uns wohl.

Ganz in der Nähe war die Zeelandbrug, die wir bei der Anfahrt auf den Stellplatz kurz erblickten. Sie führt über die Oosterschelde und verbindet die Inseln Schouwen-Duiveland und Noord-Beveland. Die Konstruktion sieht sehr imposant aus! Wir wollten sie uns aus der Nähe anschauen und – zack fuhren wir drüber. Sie hat eine Länge von über 5 km und war bis 1972 die längste Brücke Europas.

Wir unterschätzten auf dem Rückweg den Gegenwind und unseren Hunger und konnten mit reinem Gewissen, einiges später als geplant, unser Abendessen verzehren – genügend Bewegung hatten wir an diesem Tag.

Windmühlenpark Kinderdijk

Zum Start in die Woche war unser Ziel der Camperpark Kinderdijk in Alblasserdamm. Meine Güte, wie lange habe ich gebraucht, bis ich diesen Namen behalten konnte. Mit dem Fahrrad machten wir uns auf, die historischen Windmühlen in Kinderdijk zu besuchen. Es gibt detaillierte Radkarten die es ermöglichen, Fahrradrouten kinderleicht zu planen. Sogenannte Knotenpunkte sind in allen Radkarten verzeichnet und man muss sich nur die Nummern der Knotenpunkte merken und erreicht schnell sein Ziel. Blöd war, dass es uns erst hinterher einfiel, uns darüber zu informieren. Wir fuhren so ungefähr in die Richtung, in der wir die Windmühlen vermuteten und bemühten schließlich Google Maps, um sie zu finden. Eine schöne Radtour war es trotzdem *lach.

Die 19 historischen Windmühlen sind UNESCO-Weltkulturerbe. Sie wurden um 1740 erbaut und einige sind von innen zu besichtigen. Sie zählen zu den meistfotografierten Motiven der Niederlande.

Unzählbar viele Menschen aus aller Herren Länder waren zur gleichen Zeit wie wir dort und wurden z. T. mit Knopf im Ohr geleitet. Wir mussten schmunzelnd an unsere Busreisen denken, bei denen wir in Gruppen unterwegs waren – und sein werden… Der Nachteil der individuellen Reise ist, dass man sich alle Informationen – wenn man sie denn haben will – selbst anlesen muss. Die Vorteile brauche ich nicht näher zu beschreiben.

Wieder in Alblasserdamm angekommen konnten wir den Abend in dem sehr gepflegten Campingparkt bei herrlichem Sonnenschein genießen. Die Nacht war etwas unruhig, denn ein heftiges Gewitter entlud sich gefühlt genau über uns. Donnerwetter! – machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Die Temperaturen kühlten sich auf 11 Grad herunter.

Rotterdam

Trotzdem machten wir uns am Dienstag per Wasserbus auf den Weg nach Rotterdam. In knapp 40 Minuten ist man für weniger als 13 € für 2 Personen mit Fahrrädern, hin und zurück, dort.

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Die Fahrt mit dem Wasserbus kann ich nur empfehlen, das hat richtig Spaß gemacht und – man hat das ja wirklich nicht überall. Für die Menschen, die dort wohnen ist das so normal, wie bei uns eine Busfahrt. Man kann im Boot innen und außen Platz nehmen und natürlich wollten wir den Fahrtwind spüren und blieben draußen.

Auf dem Weg wurden wir von französisch sprechenden Mitreisenden darauf hingewiesen, dass wir an der Arche Noah vorbei fahren. Ohne wirklich zu verstehen, was sie meinen, hab ich die Arche mal fotografiert und später gegoogelt: ein naturgetreuer Nachbau der Arche Noahs, den man besichtigen kann… klingt interessant, passte aber leider nicht in unseren Plan.

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Arche Noah-Nachbau

In Rotterdam beeindruckte uns die phänomenale Architektur. Gefühlt ist kein Haus quadratisch oder mit geraden Mauern. Irgendetwas Besonderes ist fast an jedem Haus zu sehen.

Unser Ziel war die Markthalle, die als sehenswert in jedem Reiseführer empfohlen wird. Der Platz davor war mit vielen Marktständen belegt und eine riesige ovale Glasfläche ließ uns die MarktHALLE dahinter vermuten. Staunend betraten wir das riesige Gebäude, das uns mit tollen 3D-Bildern von allen möglichen Lebensmitteln an der Decke beeindruckte. Die Decke alleine hat eine Fläche von 11.000 qm. Es war wie ein Eintritt in eine andere Welt. So etwas Gigantisches hatten wir nicht hinter der großen Glasfläche vermutet.

Ein Markt, auf dem man Gemüse und Co. kaufen kann, ist es übrigens nicht. Es gibt dort Spezialitäten aus vielen, vielen Ländern zu essen. Die Auswahl fiel uns bei über 100 Ständen schwer und wir ließen uns Zeit, das für uns Passende zu finden. Im „ersten OG“ der Stände sind in aller Regel Sitzplätze um mehr oder weniger gepflegt speisen zu können. Man kann das Treiben von oben betrachten, die internationale Atmosphäre genießen und Leute gucken.

Ein paar Fakten zur Markthalle sind ganz interessant: von 2009 bis 2014 wurde sie erbaut und hat 11 Stockwerke (wovon einige nach unten gehen). Das Konzept sollte Marktstände, Wohnen, Parken und Geschichte in dem hufeisenförmigen Gebäude vereinen. Geschichte ist der historische Grund, auf dem die Markthalle steht und wo Rotterdam entstanden ist. In den Bildern an der Decke kann man Fenster sehen, die zu den Wohnungen gehören – wirklich großartig! Was dort eine Wohnung kostet, haben wir nicht erfragt *lach.

Wir spazierten später ein Stückchen die Fußgängerzone entlang und tranken bei MC D einen Cappuccino – mit dem Hintergedanken, dort auch die Toiletten aufzusuchen. Selbst für Kunden werden 80 Ct. fällig… Rotterdam halt …

Erasmusbrug in Rotterdam

Helmut hatte großes Interesse an der Erasmusbrug, die wegen ihrer besonderen Architektur den Spitznamen „de Zwan“, („der Schwan“) hat. Schon vom Wasserbus aus war es ein toller Blick auf die Brücke. Über die Brücke führen die Stadsroute 106, die Straßenbahnlinie 20, ein Fahrrad- und ein Fußgängerweg. Die Konstruktion verbindet eine Schrägseilbrücke und eine Klappbrücke und ist 802 m lang. 1996 wurde sie fertig gestellt. Benannt ist sie nach dem Philosophen Erasmus von Rotterdam.

Freudig radelte Helmut auf die Brücke zu und bedeutete mir, dass wir da drüber radeln. Na klar machen wir das, wenn wir schon mal da sind und ihm so viel dran liegt *lach. Ich sah rechter Hand eine große schwarze Wolke und hoffte, dass sie uns nicht zu interessieren hat. Nachdem wir jenseits des Nieuwe Maas (also des Flusses, den die Brücke überspannt) waren, frischte der Wind auf und wir machten schnell kehrt, um wieder auf die Seite des Flusses zu kommen, auf der uns unser Wasserbus heimwärts bringen sollte. Als wir ungefähr das erste Drittel der Brücke gefahren waren, entlud sich diese Wolke gefühlt punktuell über der Brücke und dem Hafengebiet. Ein mächtiger Gegenwind – nein Gegensturm peitschte uns den Regen ins Gesicht und innerhalb von Sekunden waren wir pitschenass. Der Sturm machte mir die Weiterfahrt unmöglich und ich suchte Schutz an einem der vielen und erstaunlich dicken Pfeiler. Außer mir standen dort noch einige andere tropfnasse Radler und suchten Schutz vor dem Sturm. Ich wollte wirklich nicht mit großen Lettern in der Zeitung stehen: deutsche Urlauberin mit Fahrrad von Erasmusbrug geweht…

Helmut bekam gar nicht mit, dass ich aufgegeben hatte und kämpfte sich über die Brücke. Als er merkte, dass ich fehle, wartete er auf mich – nass war er schon. Nasser als nass geht nicht. So schnell wie der Spuk begann, so schnell war er auch wieder vorbei. Ich radelte irgendwann weiter und sah Helmut schon von weitem auf mich warten. Das Programm des restlichen Tages war klar: heimwärts…. Klitschnass fuhren wir im Wasserbus wieder zurück, dieses Mal allerdings im Innenraum. Als wir am Wohnmobil ankamen war auftauen und trocknen angesagt und – lachen, denn das war mal wieder ein tolles Abenteuer…

Schiffe gucken

Nach den vielen Eindrücken in der großen Stadt brauchten wir ein wenig Erholung und fuhren am Mittwoch einen Stellplatz in Maassluis an. Der Stellplatz liegt direkt an der Wasserstraße auf der die meisten Schiffe den Hafen Rotterdam erreichen.

Nette Nachbarn klärten uns über das Bezahlsystem Aanuit auf. Per App oder über die Webseite kann man sich an- und abmelden, später bekommt man dann eine Rechnung und es wird abgebucht. Die Webseite hat den Vorteil, dass man die Sprache einstellen kann und im Nachgang kann ich sagen, dass der ganze Vorgang super geklappt hat.

Ein wenig im Womo rumwursteln, aufräumen und dabei Schiffe gucken war genau das Richtige für uns an diesem Tag. Bewegung verschafften wir uns, indem wir mit dem Rad die Wasserstraße (keine Ahnung, wie die heißt) entlang fuhren und nach 15 km zum „Hoeck van Holland“ kamen. Hoeck van Holland = Ecke von Holland. Dort beginnt das offene Meer und ein herrlicher Sandstrand erinnert ein wenig an Südsee. Wir genossen die Aussicht bei einer Tasse Kaffee und freuten uns mal wieder, dass wir ohne zu suchen, so ein schönes Plätzchen gefunden hatten.

Vom freundlichen Nachbarn bekamen wir abends noch den Tipp, dass man von diesem Stellplatz aus bequem mit der Tram nach Rotterdam fahren kann. Die Tageskarte von 9€/Person gilt sogar bis Hoeck van Holland.

Schiffe gucken bis zum Schlafen gehen – und darüber hinaus – war angesagt. Immer wenn ich am Einschlafen war, hörte ich das typische Geräusch eines herannahenden Schiffes und hatte schnell das Rollo an meinem Bett wieder unten, um zu sehen ob es vielleicht ein berühmtes Kreuzfahrtschiff o. ä. war.

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Die Nacht war also mehr als unruhig, schon alleine durch meine Neugierde. Der Stellplatz liegt ziemlich nah an der Stadt und auch deshalb vernahmen wir viele ungewohnte Geräusche, die uns nicht tief schlafen ließen.

Irgendwann wurde ich wach, weil nochmal ein neues, ungewohntes Geräusch dazu kam, welches ich nicht deuten konnte. Ich schaute durch den Spalt an meinem Rollo und sah 2 blonde Köpfe an der Türe zu unserer Wohnmobil-Garage.

Einbruch… das fehlte jetzt noch: ich ließ das Fliegengitter hochschnappen, öffnete so schnell als möglich das Fenster und brüllte raus: „Was wollt ihr hier, haut ab….“. Vier große Augen blickten mich erschrocken an. Einer der Burschen ging einfach gemächlich weg, der andere etwas langsamer, drehte sich um und sagte: „Sorry“… Hä, was war das denn…

Als mein Hirn so ganz langsam alle Details zusammengesetzt hatte, war mir klar, was die Beiden wollten: sich ein wenig vor dem Wind schützen, um sich eine Zigarette zu drehen und anzuzünden. Dass wir das drinnen mitbekommen könnten, hatten die beiden gar nicht bedacht.

Jetzt gab es noch einen Grund schlecht zu schlafen: ich konnte nicht mehr aufhören zu lachen über mich und die ganze Situation.

Gouda

Nachdem diese Nacht wirklich Käse war, machten wir am Donnerstag mit Käse weiter. Wir hatten in Prospekten gelesen, dass in Gouda von April bis September donnerstags vormittags rund um den Rathausplatz Käsemarkt ist und wollten uns das Spektakel gerne anschauen. Offensichtlich hatten viele andere diese Prospekte auch gelesen, denn der Stellplatz und die Stadt waren voll. Die Stadt Gouda war gut vorbereitet und stellte einen Ausweichplatz für Wohnmobile und Busse etwas außerhalb des Zentrums zur Verfügung. Die Anzahl der Wohnmobile und Busse ließ uns erahnen, was beim Käsemarkt los sein würde. Mit den Fahrrädern waren wir ruck zuck mitten im Geschehen.

Mit Pferdekarren wurden riesige Käselaibe hin und her transportiert. Käsejungen in der typischen Tracht luden die Käse aus, wogen sie auf De Goudse Waag und Bauern und Käsehändler waren am Feilschen und präsentierten immer wieder den berühmten Handschlag, mit dem der Deal dann besiegelt wurde.

Inmitten des Getümmels entdeckten wir die beiden Franzosen, mit denen wir auf dem Wasserboot in Rotterdam Kontakt hatten. Sie freuten sich, als sie uns erkannten. Obwohl wir einander nicht verstanden, waren wir uns sympathisch.

Auf dem Markt konnte außerdem historische Handwerkskunst bewundert, allerlei Leckereien mit und ohne Käse probiert und natürlich Käse verkostet und gekauft werden.

Der Gouda Käse – übrigens eine Sorte die mir schmeckt, wird seit dem 14. Jahrhundert auf Käsebauernhöfen in den Orten rund um Gouda hergestellt und ist wohl eine der bekanntesten und am häufigsten gegessenen Käsesorten der Welt.

Frisch gebackene Sirupwaffeln kann ich übrigens empfehlen! Sie haben nichts mit dem zu tun, was wir im Supermarkt unter diesem Namen zu kaufen bekommen.

Die historische Innenstadt mit den typischen Grachten ist wirklich schön und wir stellten es uns mit weniger Menschen sehr angenehm vor.

Wir sehnten uns nach Ruhe und fuhren deshalb weiter nach Nieuw Vennep auf den Stellplatz Decemberhoeven. Dort war nicht viel bzw. nix los und wir konnten uns ausruhen und die letzten Tage reflektieren lassen. – Dazu gibt es nicht einmal ein Foto – so sehr genossen wir die Ruhe *lach.

Keukenhof und Tulpen

Die Zeit unserer Reise war eigentlich die Zeit der Tulpenblüte. Wir wunderten uns, dass wir noch nirgendwo ein Tulpenfeld erblickt hatten. Der berühmte Keukenhof befand sich in der Nähe Von Nieuw Vennep und wir schauten im Internet nach Öffnungszeiten, Preisen und allen möglichen Informationen.

Mancher gab uns auf der Reise den Tipp, neben dem Keukenhof die Tulpenfelder zu besichtigen, dann könne man sich den Eintritt sparen. Wir überlegten hin und her und entschieden uns für Onlinebuchung im Keukenhof. Wir staunten nicht schlecht, als wir sahen, dass für den kommenden Tag nur noch ein Zeitfenster um 8.30 Uhr zu buchen war. Um die Besucherströme ein wenig zu steuern, werden für den Einlass alle halbe Stunde Zeitfenster zur Verfügung gestellt.

Da wir mit dem Rad mehr als 30 Minuten unterwegs sein sollten, war angesagt, am kommenden Morgen um 6.30 aufzustehen und um 7.45 Uhr loszuradeln. Das ist definitiv gegen meinen Biorhythmus, war aber die einzig richtige Entscheidung. Helmut grinste sich eins, als er mein mürrisches Morgenmuffelgesicht beim Radeln beobachtete. 

Der Name „Keukenhof“ bedeutet „Küchenhof“ und hat seinen Ursprung im 15. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurden dort Kräuter für die Schlossküche angebaut. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts erstellte ein Gartenbauarchitekt einen Gartenplan und seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der 32 Hektar große Garten zu dem, was er heute ist.

Der Schwerpunkt liegt auf Tulpen, es werden aber auch Hyazinthen und Narzissen gepflanzt. 4,5 Millionen Tulpenzwiebeln in ca. 100 verschiedenen Variationen werden jährlich von Hand gepflanzt.

In den 8 Wochen, in denen der Garten geöffnet ist, bewundern ca. 1,4 Millionen Menschen diese Pracht (das sind pro Tag 25.000 Besucher), ca. 80 % davon aus dem Ausland. In mehreren Pavillons werden zu wechselnde Themen Ausstellungen präsentiert.

Da wir so früh am Tag waren, konnten wir ganz entspannt die Wege entlang schlendern und die unglaubliche Pracht bewundern. Wir haben ca. 500 Fotos von Tulpen und Arrangements gemacht. Keine Bange, die wurden mittlerweile reduziert *lach. Es ist mir unvorstellbar, welche Ideen und wieviel Arbeit darin steckt, solch ein Kunstwerk zu schaffen. Ja, ich behaupte tatsächlich, dass dieser Garten ein Kunstwerk ist – ohne genau zu wissen, wie sich Kunstwerk definiert.

Im Fortlauf des Tages füllten sich die Wege und wir waren froh, dass wir den Garten morgens ziemlich ungestört genießen konnten. Wir ließen den Tag im Keukenhof ausklingen, indem wir die Begeisterung der Menschen für so viel Schönheit beobachteten. Egal, welche Sprache sie sprachen, wir sahen nur sehr beeindruckte Menschen.

Auf dem Heimweg bewunderten wir die Tulpenfelder rund um den Keukenhof. Nach Farben sortiert geben sie ein wirklich imposantes Bild ab. Wenn ich jetzt, während des Schreibens daran denke, sehe ich die ganze Pracht vor meinem inneren Auge.

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Wer wirklich überlegt, „nur“ die Tulpenfelder zu besuchen, dem kann ich Mut machen, den Keukenhof zu besuchen – das Blumenerlebnis ist, glaube ich, nicht zu toppen (ich war allerdings noch nicht überall).

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Welches waren nochmal unsere Räder?????? (Morgens waren es nur eine Handvoll)

Haarlem

Da wir am späten Nachmittag wieder am Womo waren, fuhren wir weiter nach Vijfhuizen, zum Camperpark N 205. So hatten wir noch ausreichend Zeit, die traumhaften Eindrücke des Tages zu verarbeiten und waren am nächsten Tag schon vor Ort, um – entweder weiter zu chillen, oder um neue Eindrücke aufzunehmen. Die Entscheidung darüber verschoben wir auf den nächsten Morgen.

Beim Einchecken unterhielten wir uns mit dem Platzbetreiber über unsere Pläne, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Amsterdam fahren zu wollen. Vom Platz aus fährt für wenig Geld alle paar Minuten ein Bus nach Haarlem und von dort nach Amsterdam. Im Gespräch ergab sich, dass Haarlem auch „Kleine Schwester von Amsterdam“ genannt wird. Es sei sehr beschaulich und alles was es in Amsterdam gibt, gäbe es dort auch – nur eben in klein. Das hörte sich gut an und so entschieden wir uns morgens gegen Amsterdam (ein Grund nochmals in die Niederlande zu fahren *zwinker) und für Haarlem.

Mit dem Fahrrad waren wir schnell im Zentrum von Haarlem. Es war Samstag und Wochenmarkt, was meine Freude natürlich nochmal steigerte. Wir kosteten einige uns unbekannte Leckereien und deckten uns mit frischen Lebensmitteln ein. Schade war, dass rings um die Kirche gerade Kirmes war und deshalb von dem historischen Zentrum nicht viel zu sehen war. Die laute Musik und die großen und kleinen Fahrgeschäfte waren gar nicht nach unserem Geschmack und wir schlenderten durch die Gassen, die abseits des Trubels lagen.

Während einer Grachtenfahrt wurden uns geschichtliche Hintergründe von Haarlem erzählt und erklärt, welche Häuser links und rechts des Wassers stehen. So gibt es z. B. ein Haus für alleinstehende Frauen und ein Kinderheim für Kinder, die für ein Kinderheim schon zu groß sind. Ein Seniorenheim gehört natürlich auch in eine Stadt, genauso wie ein Theater und eine bzw. mehrere Kirchen. Es war schön, sich entspannt an den historischen Fassaden vorbei schippern zu lassen. Viele kleine Boote waren auf dem Wasser und es herrschte eine entspannte Atmosphäre. Wir ergatterten später in einem Café ein Plätzchen direkt am Wasser und genossen das schöne Flair.

Am Sonntagmorgen fuhren wir schon zeitig los, denn wir wollten noch einen Abstecher nach Haarlem in die Kirche machen, um einen Gottesdienst zu erleben. Wir konnten der Spur nach verstehen, was Inhalt der Predigt war und hatten nach dem Gottesdienst schöne und inspirierende Gespräche mit Einheimischen, die heute noch in uns nachklingen.

Texel

Unser nächstes Ziel sollte die Insel Texel werden. Ein Wohnmobilstellplatz liegt ziemlich nahe der Fähre nach Texel in Den Helder und heißt Jachthaven Willemsoord. Unser Plan war, mit der Fähre und dem Fahrrad am nächsten Tag überzusetzen. Der Stellplatz liegt übrigens auf einem ehemaligen Werftgelände mitten in einem Marinemuseum, nahe des Hafens, nahe der Stadt und nahe der Fähre nach Texel und hat alles was ein Wohnmobilist braucht – besser geht nicht!

Ein Problem hatten wir an diesem Sonntagnachmittag den Stellplatz zu erreichen, denn es fand ein Marathon statt und die Strecke führte auch durch Den Helder, was heißt, dass viele Straßen gesperrt waren. Als Ortsunkundige wurden wir durch enge Gassen gelotst und standen schließlich direkt vor dem Platz – getrennt durch die abgesperrte Marathonstrecke. Mit meinem freundlichsten Lächeln und wenig niederländischen Sprachkenntnissen verhandelte ich mit einem Ordner, der schließlich zustimmte, in einer Läuferpause, also, wenn gerade keine Läufer kamen, die Absperrung für uns zur Seite zu räumen, damit wir auf den Platz kamen. Puh, danke nochmal!!! Die Sperrungen waren vermutlich auch der Grund, warum wir noch einen freien Platz bekamen, denn gegen später war alles belegt.

Der beste Plan taugt nichts, wenn das Wetter nicht mitspielt. Den einzigen Dauerregentag in diesem Urlaub hatten wir an diesem Montag, trotzdem wollten wir die Insel besuchen. Wir verwarfen allerdings die Idee, die Fahrräder mit nach Texel zu nehmen. Ein Bus fährt regelmäßig alle Ortschaften der Insel an und mit einem Tagesticket kann man überall hinkommen. Die Fähre hin und zurück kostete übrigens 2,50 €/Person. Ein paar wenige Unverwüstliche wie wir machten sich auch trotz des Wetters auf den Weg – es beruhigt mich immer ein wenig, wenn ich nicht die einzige Bekloppte bin *lach.

Texel ist die größte niederländische Wattenmeerinsel und wirbt mit atemberaubender Natur, allen möglichen Aktivitäten für alle Altersgruppen, gemütlichen Dörfern und einzigartiger Flora und Fauna. Unsere Realität war ziemlich nass und wir wechselten von kleinen Geschäften zu Cafe´s und zurück. In einer regenfreien Viertelstunde wagten wir uns an den Strand und der Sturm blies uns den Sand ins Gesicht, so dass es auf der Haut piekte.

Trotzdem hat es uns sehr gut gefallen und – es ist definitiv ein weiterer Grund nochmal in die Niederlande zu reisen. Texel hat für mich einen Hauch von Sylt, nur gemütlicher und kleiner.

Die klugen Leser werden sich denken: „Warum sind sie nicht einfach einen Tag länger geblieben und haben das an einem trockenen Tag gemacht?“ … In diesen Tagen erhielten wir eine Trauernachricht aus der Familie und es war klar, dass wir unseren geplanten Urlaub um 5 Tage verkürzen um an der Trauerfeier teilnehmen zu können…

Wieder am Festland angekommen hörten wir im Womo wie sich die Boote in der nahen Marina im Sturm aneinander rieben und die knarzenden Geräusche begleitenden uns die ganze Nacht. Das waren für uns komische Geräusche und wir machten uns Gedanken, ob wir am nächsten Tag über den 32 km langen Abschlussdeich fahren können, der das Ijsselmeer und das Wattenmeer voneinander trennt. Bei Sturm wird er schon mal gesperrt. Beim Auschecken am Dienstag teilten wir unsere Sorgen mit der Hafenmeisterin. Diese lachte nur und meinte, das sei doch noch gar nichts… oje, da will ich bei echtem Sturm nicht in dieser Gegend sein.

Zwischen Jisselmeer und Wattenmeer

Der Abschlussdeich wurde 1932 gebaut und bewahrt das Hinterland vor den schlimmen Fluten der Nordsee. Es verlaufen die Autobahn 7, ein Rad- und ein Gehweg auf dem Damm und es wurden künstliche Inseln aufgeschüttet. Auf einer davon liegt der kleinste bewohnte Ort der Niederlande mit einer eigenen Postleitzahl: Breezanddijk. Im Jahr 2009 waren dort 4 Einwohner gemeldet und es gibt eine Tankstelle.

Die Fahrt verlief problemlos und wir staunten über dieses gigantische Bauwerk. Es war ein eigenartiges Gefühl 32 km quasi durch das Meer zu fahren und wir dachten an die Zeit des Aufbaues und die segensreichen Auswirkungen des Mutes der damaligen Zeitgenossen.

Lemmer

Auf dem Stellplatz „Jachthaven Lemmer Binnen“ in Lemmer verbrachten wir einen gemütlichen Tag am Wohnmobil. Die Erlebnisse der letzten Tage machten uns müde. Natürlich gehörte zu diesem gemütlichen Tag auch ein Spaziergang durch Lemmer, einem hübschen maritimen Ort mit den typischen Grachten.

Ab und zu waren wir in Supermärkten zum Einkaufen. Ich könne mich stundenlang darin verweilen um zu schauen, was man in anderen Ländern so einkaufen kann. Auffällig waren für mich die vielen Nüsse, die in verschiedenen Mischungen und Verpackungsgrößen angeboten wurden. Über Brot kann man sich streiten… wir mögen lieber kompaktes Brot und freundeten uns mit den weichen Toastbroten verschiedenster Sorten nicht wirklich an. Nächstes Mal nehme ich Vollkornmehl mit und backe selbst – wie zu Hause *lach. Eine tolle Leckerei fanden wir in der Kühlabteilung: Schoko- und Vanillepudding im 1-Liter-Tetrapack. Beide Sorten kommen beim Ausgießen gleichzeitig aus der Öffnung. So viel Pudding haben wir lange nicht mehr gegessen *lach.

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Zwolle, Hattem – beides hatten wir vorher nie gehört…

Das Ziel unserer nächsten Etappe Richtung Heimat sollte Zwolle werden. Ein Stellplatz war mitten in der Stadt und eigentlich ganz ok für eine Stadtbesichtigung. Übrigens eine sehr schöne Stadt, ergab unser Eindruck beim Durchfahren. Allerdings war Kirmes rund um diesen Stellplatz und somit war er für uns keine Option. Es gibt einen zweiten Stellplatz am Hafen, der eigentlich auch schön war, aber Helmut hatte Bedenken wegen des sandigen Untergrundes. Es hatte in den vergangenen Tagen viel geregnet und wir wollten das Risiko des Festfahrens nicht eingehen.

Die nächste Möglichkeit war in wenigen Kilometern Entfernung in Hattem.

Dort war noch Platz für uns, der Untergrund war befestigt, wir hatten traumhafte Aussichten auf den Jachthafen und Wiesen und das Städtlein war auch in der Nähe. Wieder ein super schönes und gepflegtes Städtchen mit gut erhaltener Stadtmauer.

Wir bummelten durch die Fußgängerzone und erwischten wohl das teuerste Café am Platz *lach, aber lecker war es. Gerne denken wir an den Boule-Platz zurück, bei dem wir länger verweilten und den Profis beim Spielen zuschauten. Street-Art zierte manche Hauswand mit zur Gegend passenden Motiven.

Abends setzte wieder Regen ein und wir hatten vor dem Womo einen Pool.

Nachts ist uns Regen egal. Morgens war der Himmel wieder strahlend blau, das Wasser war ruhig und spiegelte die Häuserfront und die Natur wieder. Wir konnten uns nicht satt sehen an diesen herrlichen Eindrücken.

Auf unserem Heimweg lag Winterswijk und die meisten Camper wissen, dass dort Obelink ist. Obelink ist so etwas wie IKEA für Camper. Man braucht eigentlich nichts und hat am Ende doch einiges im Einkaufswagen *lach.

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Auf dem Stellplatz Het Winkel war noch reichlich Platz und wir konnten uns einen Platz aussuchen, der nicht so sehr matschig war. Später Ankommende hatten diese Möglichkeit nicht…. Die letzte Nacht in den Niederlanden…

Heimwärts

Die Heimreise gestaltete sich nicht sehr angenehm. Wir hatten Stau, Stau und nochmal Stau und brauchten im Ruhrgebiet für 100 km 2,5 Stunden. Da erst fiel uns auf, dass es in den Niederlanden entspannt zu fahren war und der Verkehr floss – dort gilt Tempo 100 auf den Autobahnen…

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In Montabaur hatten wir uns eine ausgiebige Pause verdient, die wir zum Bummeln durch das autobahnnahe Outlet nutzten.

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auweia, Schuhe zum Beinebrechen …

Abends war noch ein Stopp bei der Familie vorgesehen und nach einem lebhaften Frühstück mit einem Teil der Enkel fuhren wir am anderen Tag nach Hause.

Als alles ausgepackt war und das Wohnmobil an seinem Platz stand setzte Schneeregen ein – na toll… am 20. April will ich das nicht mehr!!! Nach der Reise ist vor der Reise – das tröstete mich *lach

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2024.03._Nordportugal und Galicien

Der Norden Portugals und auch Galicien waren uns gänzlich unbekannt und so kam die angebotene geführte Busrundreise gerade recht. Eine für uns sehr angenehme Abflugzeit um 13.50 Uhr versprach einen entspannten Anreisetag. Das Boarding verzögerte sich um ein paar Minuten – aber das ist ja meistens so… Unüblich war allerdings dass, nachdem die ersten Passagiere schon im Flugzeug waren, diese wieder aussteigen mussten. Es wurde uns mitgeteilt, dass das Flugzeug auf dem Hinweg eine Kollision mit einem Vogel hatte und dieses erst genauer untersucht werden muss. Wir hatten ein flugzeugnahes Gate und konnten den Mechanikern bei der Arbeit zuschauen. Mich faszinieren bei solchen Gelegenheiten immer die Menschen, die hinter der Scheibe fachkundige Ratschläge geben *lach.

Eine Mitreisende hatte eine App der Fluggesellschaft auf dem Handy und verkündete sehr laut und stolz wie Bolle jede kleinste Veränderung, die auf der App sichtbar war. Wir verließen uns lieber auf die Aussagen der Crew, die uns in regelmäßigen Abständen informierte. Ich mache es kurz: es stand die Überlegung im Raum, ob wir ein anderes Flugzeug bekommen oder ob der Schaden repariert werden sollte. Irgendwann war klar, dass wir mit einem anderen Flugzeug gen Portugal starten. Also wurde das Gate gewechselt und wieder ging die Warterei los. Ich dachte an so manches Bild im Fernsehen, in dem Familien mit Kindern in solchen Situationen waren und fand jede Meckerei von Erwachsenen absolut überflüssig.

Nach 2 Stunden bekamen wir einen Verzehrgutschein über 10 € und alle wartenden Leute waren eine Weile beschäftigt, diesen in irgendetwas Ess- oder Trinkbares einzutauschen.

Schön war, dass wir uns schon am Flughafen mit einigen Mitreisenden bekannt machen konnten. Aus einer Reisegruppe aus dem Jahr 2023 trafen wir sogar 2 Mitreisende wieder und freuten uns sehr. Wir hatten sie von damals in sehr angenehmer Erinnerung.

Nach etwas mehr als 3 Stunden Verspätung konnten wir endlich starten. Eine super freundliche Stewardess klärte uns darüber auf, dass, wenn ein Vogel ins Triebwerk gerät die Federn verbrennen und dieser Duft in die Lüftung des Flugzeugs gelangt. Mit diesem Duft nach verbrannten Federn wollten wir vermutlich alle nicht fliegen. Außerdem erfuhren wir, dass es immer Personal in Bereitschaft gibt. Diese Menschen müssen innerhalb einer Stunde am Flughafen sein, wenn z. B. ein Fall wie der unsrige eintritt. Da die Arbeitszeiten genau geregelt sind, war klar, dass die Crew des geplanten Fluges mit der Verspätung außerhalb des gesetzlichen Rahmens gewesen wäre und deshalb kam die Ersatzmannschaft zum Einsatz und deshalb entstand die lange Verspätung.

Mit diesen Erklärungen war ich zufrieden.

Anstatt nach unserer Ankunft in Porto noch einen schönen Strandspaziergang zu machen, gingen wir sofort nach der Ankunft im Hotel zum Abendessen. Während des Abendessens ging mehrere Male das Licht aus und wir saßen im Dunkeln. Erst musste ich lachen, erinnerte ich mich doch an unsere letztjährige Reise. In einem anderen Hotel in Porto ging auch mehrmals das Licht aus und sogar der Feuermelder an…. Vielleicht ist das in Porto normal??

Nach dem Essen verzogen wir uns ziemlich schnell auf unser Zimmer. Die nun doch lange Reise steckte uns spürbar in den Knochen. Im Zimmer war es dunkel = kein Strom. Mich begann es zu nerven: müde und k. o. im fremden Zimmer ohne Licht, Handy fast leer, Koffer noch nicht auf…. Ich kann ganz schön schimpfen *lach. Vermutlich hat das Schimpfen geholfen: irgendwann funktionierte alles wieder und wir sanken todmüde in die Kissen.

Über Portugals Geschichte, Kork und Portwein werde ich in diesem Bericht nicht viel schreiben, sondern ich verweise zu diesen Themen auf den Bericht von 2023, in dem ich dazu ausführlich berichtete.

Der zweite Tag begann zu einer entspannten Uhrzeit. Um 8.30 Uhr wurden wir zu einer Panoramafahrt durch Porto abgeholt. Unsere Reiseleiterin Raquel stellte sich vor und war uns gleich sympathisch. Mit viel Wissen über Land, Leute und Geschichte, gewürzt mit einer angenehmen Portion Humor begleitete sie uns durch unsere Urlaubwoche.

Wir wurden mit vielen Zahlen, Daten und Fakten versorgt, die ich zum Teil nachstehend aufführe. Vollständig ist diese Aufführung nicht und der Reihe nach ebenfalls nicht *lach.  

Porto ist mit 220.000 Einwohnern nach Lissabon die größte Stadt des Landes.

Porto und Lissabon stehen seit alter Zeit in Rivalität. Dies äußert sich in Sätzen wie:

Portugal ist Lissabon, der Rest ist Landschaft.

Das Beste an Porto ist die Autobahn nach Lissabon.

Spitzname für die Einwohner Portos ist Tripeiros = Kuttelesser. Das stammt aus einer Zeit, als sie die Seefahrer mit gepökeltem Fleisch versorgten und selber die Innereien der Tiere aßen. Man kann aus dieser kleinen Geschichte schon erahnen, das Portugal ein armes Land war. Auch heute sieht man, dass wenig Geld für nötige Sanierungen der alten Häuser vorhanden ist. Viele Häuser sind in schlechtem Zustand. Als Tourist lässt man das Flair auf sich wirken, wenn man aber einmal genauer hin schaut, fragt man sich schon, wo das hin führen soll. Das besondere Flair wird unterstrichen durch den verbauten dunklen Granit und die bergige Landschaft. Das historische Zentrum Portos zählt zum UNESCO-Welterbe.

Für manche Sachen ist dann aber doch Geld da: so wird z. B. derzeit an der U-Bahn gebaut und es gibt viele Baustellen.

Auf der einen Seite des Flusses Douro liegt Porto, auf der anderen Seite Gaia. In Gaia leben 300.000 Einwohner. Die Mieten sind dort erheblich günstiger als in Porto. Das Bruttodurchschnittsgehalt in Portugal liegt bei 1.300 €, der Mindestlohn bei 820 €. Sozialabgaben gehen natürlich auch noch ab. Für eine kleine Wohnung in Porto bezahlt man ca. 800 €.

Der Douro entspringt in der spanischen Provinz Soria und mündet nach etwa 897 Kilometern bei Porto in den Atlantik. An der Mündung des Douro ist es wunderschön und deshalb auch teuer. Grundstücke kosten etwa dreimal so viel wie im Zentrum von Porto.

Einer der größten Häfen des Landes liegt in Porto. Er heißt Porto de Leixoes und ist größter Arbeitgeber in Nordportugal. Es werden viele Waren exportiert, z. B. Hüte aus Filz (in vielen Filmen zu bewundern, z. B. Dallas), Kork, Granit und Marmor, Schuhe, Holz für Papierverarbeitung, Wein (z. B. Vinho Verde), Portwein, Kiwis uvm.

Für Touristen ist Porto durchaus sehr sehenswert. Allerdings schrecken circa 150 Regentage im Jahr Sonnenanbeter ab. Oft ist es vormittags nebelig und trübe und klart erst mittags auf.

Deshalb machen die Bewohner des Nordens Portugals meistens an der Algarve Urlaub. Dort scheint die Sonne im Jahr etwa 3.000 Stunden und das Wasser ist warm. Der Atlantik ist nach Meinung unserer Reiseleiterin sowieso nicht für Menschen, sondern eher für Pinguine zum Baden gedacht.

Die durchschnittliche Temperatur im Norden beträgt 13 Grad, im Süden 18 Grad. Unter 0 Grad ist es allerdings selten.

Etwa 800.000 Ausländer leben im Land Portugal und etwa 5 Millionen Portugiesen leben im Ausland.

Ein Thema, welches in Porto sehr wichtig ist, sind die 6 Brücken von Porto über den Douro nach Gaia. Die Namen der Brücken lauten:

  • Ponte Dom Luis I, ist die am häufigsten fotografierte Brücke und hatte den größten Brückenbogen aus Schmiedeeisen, als sie 1886 gebaut wurde. Seit 2003 fährt die Metro auf dem Oberdeck und auf dem Unterdeck öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Taxis.
  • Ponte Infante D Henrique, dem Namen von Heinrich dem Seefahrer, mit 4 Fahrbahnen, mit einem 280 m langen Stützbogen, der weltweit für viele Brücken als Vorbild dient. Sie wurde im Jahr 2003 erbaut und ist somit die jüngste unter den Brücken.
  • Ponte Donna Maria Pia, ist eine seit 1991 stillgelegte Eisenbahnbrücke, entworfen von Gustave Eiffel (dem Architekten des Eifelturms). 
  • Ponte de Soa Joao, eine eingleisige Eisenbahnbrücke mit minimalistischer Architektur.
  • Ponte da Arrabida, bei dieser Brücke mündet der Douro ins Meer, die Autobahn A1 verläuft darüber, in den Säulen befinden sich Aufzüge, eine Treppe führt über 262 Stufen auf 65 Meter Höhe über dem Flussbett.
  • Ponte do Freixo, wurde 1995 eröffnet, 4 Fahrbahnen werden täglich von ca. 100.000 Autos genutzt. Eigentlich sind es 2 Brücken, denn sie sind in der Mitte um 10 Zentimeter voneinander getrennt.

Auf unserer Rundfahrt durch Porto kamen wir am Haus der Musik „Casa da Musica“ vorbei. Für dieses Kunstwerk begann die Planungsphase bereits 1999, 2005 wurde es mit 4 Jahren Verspätung eingeweiht. Der Architekt Rem Koolhaas hat es entworfen und er bekam dafür einen Architekturpreis. Auf allen 1.300 Plätzen hat man das gleiche Klangerlebnis. Die Idee des Architekten war: „Ein weißer Meteorit fällt vom Himmel“… Ich bin wirklich kein Kunstkenner. Wenn Raquel uns nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, was sich Großartiges hinter diesem großen Betonklotz verbirgt, hätte ich es nicht als wertvoll erkannt.

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weißer Meteorit, der vom Himmel fällt

Eine große Menschenschlange erregte unsere Aufmerksamkeit. Die Menschen standen an, um in „Livraria Lello“, einen der schönsten Buchläden Europas zu kommen. Es wird der Buchhandlung ein Zusammenhang zu Harry-Potter-Geschichten nachgesagt. Die Autorin der Bücher lebte eine Zeitlang in Porto und soll sich gerne in der Buchhandlung Lello aufgehalten haben. Ein Grund für Harry-Potter-Fans, sich in die Warteschlange zu stellen.

Vom 75 Meter hohen Glockenturm Torre dos Clerigos hat man einen tollen Ausblick auf Porto und Gaia. Gottseidank war nur der Anblick von außen in unserem Programm enthalten: 240 Treppenstufen wären mir doch recht viel geworden.

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Der Bahnhof Porto Sao Bento ist einer der schönsten Bahnhöfe der Welt. 20.000 Azulejos (blaue Kacheln) zieren die Wände und erzählen Geschichten aus alter Zeit. Ich konnte mich kaum satt sehen an den wunderschönen Bildern. Je länger man schaute, desto mehr Details konnte man erkennen. Die Erklärungen von Rachel zeigten uns viele Zusammenhänge auf.

Eine Stunde freie Zeit bekamen wir für den Besuch der berühmten Markthalle Mercado do Bolhao. Alleine die Architektur der Überdachung ist sehenswert. Es war schön, im eigenen Tempo an den Ständen vorbei zu schlendern und zu schauen, was es so alles gibt. Frische Fische, Austern, Oliven und vieles mehr ließen mir das Wasser im Munde zusammen laufen. Wir gönnten uns einen leckeren Expresso (das ist die portugiesische Schreibweise) und Pastel de Nata.        

Zum Mittagessen wurde uns ein Lieblingsgericht der Portuenser versprochen: Francesinha – die kleine Französin – ein Sandwich aus Kochschinken, Wurst und Steak mit geschmolzenem Käse übergossen.

Wir betraten durch einen von außen sehr unscheinbaren Eingang eine festlich geschmückte Halle. Wieder einmal ein spontaner Wow-Effekt. Die Tische waren festlich gedeckt und die Bewirtung begann zügig. Was soll ich sagen, meine Vorstellung war ein Sandwich mit etwas drauf. In der Realität waren die Sandwichscheiben sehr groß und was drauf war, war mein Fleischbedarf von mindestens einer Woche. Steak, Bratwurst, etwas Frikadellen-ähnliches, viel, viel Käse und dazu Tomatensoße. Irgendwie hat es mir geschmeckt. Es lag nur ziemlich lange und schwer im Bauch.

Bei herrlichem Wetter konnten wir ein wenig freie Zeit am Douro verbringen. Das bunte und gemütliche Treiben ließ uns in das portugiesische Lebensgefühl eintauchen. Um diese Jahreszeit waren noch nicht viele Touristen da. Ich mag es sehr, wenn mehr Einheimische als Touris da sind – obwohl ich ja auch eine Touristin bin *lach.

Unser Heimweg führte uns an der Küste entlang Richtung unser Hotel in Povoa de Varzim.

Einen kurzen Stopp machten wir am Castelo do Queijo, der Käseburg. Direkt auf den Felsen gebaut bildet sie eine kleine Anhöhe, von wo aus man schöne Ausblicke auf den Atlantik und das Terminal, an dem die Kreuzfahrtschiffe anlegen, hat. Ganz Mutige wagten sich sogar mit den Füßen ins Wasser.

Als hätten wir lange nichts mehr gegessen, stürzten wir uns im Hotel ans Büfett. Ich kann mich selbst nicht verstehen*lach, zu Hause hätte ich noch einen Joghurt gegessen und der hätte gereicht….

Am dritten Tag waren wir um 8.00 Uhr mit unseren gepackten Koffern am Bus, denn für die kommenden drei Nächte hatten wir ein Hotel in Galicien. Für die bevorstehende Zeitumstellung auf Sommerzeit in Deutschland eine gute Übung: in Portugal waren wir eine Stunde zurück gegenüber Deutschland, in Spanien hatten wir wieder die gleiche Zeit wie in Deutschland und am Rest unserer Reise wieder portugiesische Zeit. Der Blick auf die Uhr erforderte also höchste Konzentration *lach.

Nach gut eineinhalb Stunden Fahrtzeit durch den stark besiedelten Norden Portugals, erreichten wir die Grenze zu Spanien. Am Fluss Rio Minho liegt auf portugiesischer Seite die Stadt Valenca und auf der spanischen Seite die Stadt Tui.

Mit interessanten Geschichten über Portugal und Spanien gestaltete Raquel die Fahrt kurzweilig. So ist z. B. im Vergleich zu Portugal die finanzielle Situation in Spanien etwas höher angesiedelt: Durchschnittsbruttolohn liegt bei 1.822€ und der Mindestlohn bei 1.134€.

Über den Dichter Luis Vaz de Camoes erfuhren wir, dass er als Nationaldichter verehrt wird. Sein Todestag am 10. Juni wird als portugiesischer Nationalfeiertag hoch gehalten. Eine Büste von ihm steht in Porto. Ein bemerkenswertes Werk ist wohl ein Buch über die Geschichte Portugals in Versform.

Die Legende von Pedro und Ines erzählt von einer verbotenen Liebe zwischen dem Infanten D. Pedro und der Ines de Castro, der Begleitdame seiner Gattin D. Constanca Manuel. Die Geschichte handelt von Mord, Heimtücke, Rache, Macht und allem was zu einer Liebesgeschichte dazu gehört, wenn sie Jahrhunderte überleben soll. Sie hatte übrigens kein Happy End.

Auch das politische Spanien wurde uns näher gebracht. So unterteilt sich Spanien in 17 sogenannte autonome Gemeinschaften. Sie heißen Andalusien, Aragonien, Asturien, Balearen, Baskenland, Extremadura, Galicien, Kanarische Inseln, Kantabrien, Kastilien-La-Mancha, Kastilien, Katalonien, La Rioja, Madrid, Murcia, Navarra und Valencia. Davon abgesehen, dass ich viele der Namen noch nie gehört habe, beeindruckt mich diese Anzahl von politischen Bezirken. Jede Region hat einen besonderen Charakter. Wenn man die Bewohner der einzelnen Gebiete fragt, woher sie kommen, sagen sie selten, sie seien Spanier. In aller Regel nennen sie den Landstrich oder Regierungssitz – wie immer man das korrekt nennt.

Unsere Reise ging nach Galicien. Der Ursprung ist keltisch und Galicien hat eine Größe von 29.000 qkm. Es unterteilt sich in 4 Provinzen und die Hauptstadt ist Santiago de Compostela. Man nennt es auch das Land der 1.000 Flüsse. Viele Rias gibt es, das sind überflutete Flusstäler.

Wir fuhren an der Stadt Vigo vorbei, die einen großen Hafen hat und Fisch in alle Herren Länder exportiert. Peugeot und Citroen produzieren hier einige Autotypen. Das heißt, dieser Landstrich steht wirtschaftlich gut da.

In Portugal werden 60 kg Fisch/Kopf/Jahr verzehrt, in Spanien 46 kg/Kopf/Jahr. Es wird oft diskutiert, warum Fisch so hochpreisig ist. Raquel klärte uns auf, welche Kosten ein Fischer hat: Diesel für sein Boot, Netze die ca. alle 6 Monate ersetzt werden müssen, seine Mitarbeiter, die Verkäufer usw.

Unser erstes Tagesziel war der Ria Arousa und wir machten eine Bootsfahrt mit Besichtigung einer Miesmuschelproduktionsstätte. Ich esse gerne Muscheln, habe mir aber noch nie darüber Gedanken gemacht, wo oder wie diese wachsen. Deshalb fand ich die Einblicke in die Zucht mit den Erklärungen sehr interessant.

Ich versuche, in Kurzform ein wenig Wissen weiter zu geben: Die Muschelmännchen geben ihren Samen ins Wasser ab und die Weibchen ihre Eizellen. Da die Muscheln dicht beieinander leben, finden Samen und Eizellen zueinander, befruchten sich und entwickeln sich zu Larven. In den Zuchtstätten hängen an Flößen aus Holz viele Seile, die sich im Wasser bewegen und an denen heften sich die Larven an. Die Holzflöße sind mit Ketten am Meeresboden befestigt. Die Muscheln brauchen bis zu ihrer Ernte kein zusätzliches Futter, sondern ernähren sich vom Plankton im Wasser. An einem Meter Seil können bis zu 10 kg Muscheln wachsen. Bis zur marktfähigen Größe von 8 – 10 cm wachsen sie in 9 bis 15 Monaten heran. Normalerweise haben die die Muscheln keine Bodenberührung und sind vollkommen sandfrei. Etwa 20 % der Weltproduktion wird in Galicien erzeugt. 

Bei schönem Wetter ist so ein Ausflug auf dem Ria Arousa super. Die Kunst ist, es auch super zu finden, wenn das Wetter nicht so toll ist. Wir hatten ziemlich starken Wind und Helmut und viele andere Mitreisende entschieden sich gleich, die Tour im geschützten Innenbereich des Schiffes zu erleben. Wenn schon Schifffahrt, dann will ich draußen sein und den Wind spüren…

Wir sollten Muscheln zum Probieren bekommen und so saßen Hildegard, Karin und ich an einem Tisch und genossen die Reise. Eine Flasche Wein und Becher sowie eine große Schale mit frischen Muscheln wurden uns gereicht. Ich war hin und hergerissen zwischen Begeisterung und Vernunft. Morgens um 10 Uhr Wein zu trinken bin ich überhaupt nicht gewohnt. Ich habe die Begeisterung gewinnen lassen und ließ mir Muscheln und Wein schmecken. Frische Muscheln …. Ich kann das Wort nur auf der Zunge zergehen lassen, den Geschmack kann man nicht beschreiben.

Blöd war, dass zu dem starken Wind auch noch Regen kam. Ich hatte ein Regencape dabei und fand, dass man es damit auch gut aushalten kann *lach. Mit zunehmendem Regen verschwanden zunächst Hildegard und kurz danach auch Karin in die trockenen unteren Räume des Schiffes. Als ich mich umschaute, waren nur noch wenige Robuste an einem windgeschützten Unterstand. Ich gesellte mich dazu und wir hatten schöne Musik und unseren Spaß *lach.

Nach der wirklich feuchtfröhlichen Bootsfahrt hatten wir freie Zeit und waren ziemlich dringend der Meinung, dass wir etwas essen sollten um aus dem Kicher-Karussell wieder aussteigen zu können. Es war gar nicht so einfach etwas zu finden, denn wir waren noch sehr früh im Jahr und die meisten Lokale hatten zu. Wir fanden eine Eisdiele und mangels ausreichender Sprachkenntnisse auf beiden Seiten ließen wir uns überraschen, was wir bestellt hatten. Es kamen frisch gebackene Waffeln und das war ok.

Unsere Fahrt führte uns weiter zu der kleinen Insel Illa da Toxa, die über eine Brücke mit der Halbinsel O Grove verbunden ist. Durch eine kleine Geschichte, die uns Raquel erzählte, verstanden wir, wie vor langer Zeit die heilende Wirkung des Thermalschlammes und der Heilwasserquellen entdeckt wurde: Ein Pfarrer musste auf Reisen gehen. Er hatte einen alten, kranken Esel, den er auf der Insel zurück ließ und war sich sicher, dass dieser bei seiner Rückkehr gestorben sei. Bei seiner Rückkehr war der Esel jedoch wieder putzmunter und der Pfarrer glaubte, dass dieses nur von dem Schlamm, in dem der Esel sich gewälzt hatte, kommen konnte. Im Garten neben einer Kirche steht eine Skulptur des Esels und die Außenfassade der Kirche ist komplett mit Muscheln verkleidet. Ein sehr beindruckender Ort mit schöner Parkanlage und heute noch ein bekannter Heilkurort in Galicien.

Kein Reisebericht ohne Toilettenabenteuer: wir waren mit 2 Bussen auf der gleichen Route unterwegs. Die Abfahrtszeit der beiden Busse rückte näher und einige der Mitreisenden suchten eine Toilette. Wir fanden diese auch: 1 Toilette für ca. 100 Menschen… das dauert… Neben dem Toilettenhaus war ein Geschäft und wir kamen mit der Verkäuferin ins Gespräch… normalerweise sind hier 5 Toiletten offen, aber der Herr, der diese reinigt und bewacht, machte gerade Pause. Sie versuchte ihn telefonisch zu erreichen. Er kam dann auch, als fast alle fertig waren…. Gottseidank warteten unsere Busse.

Unser Hotel für die kommenden drei Nächte war in Santiago de Compostela. Nach einem ausgiebigen und leckeren Abendessen verzogen wir uns in unsere Zimmer um ausgeruht in den kommenden vierten Tag starten zu können.

Passend zum Sonntag stand Santiago de Compostela auf dem Programm. Nach nur 10-minütiger Fahrt vom Hotel ins Zentrum machten wir mit Raquel einen Rundgang. Ihre Erläuterungen erleichterten es, uns in der anschließenden Freizeit gut zurecht zu finden. Ausnahmsweise war kein gemeinsames Ende der freien Zeit angesetzt, sondern um 17 Uhr ein Treffpunkt am Bus und wer da war, konnte mit dem Bus nach Hause fahren. Es war auch kein Problem, zu Fuß ins Hotel zu gelangen. Auch eine Taxifahrt war möglich und nicht teuer. Also ein Tag mit freier Zeiteinteilung, ganz nach unserem Geschmack.

Das Ende des Rundganges mit Raquel war im Paradores de Santiago de Compostela, einer prunkvollen Herberge direkt an der Kathedrale, welches heute zu den Parador-Hotels gehört. Mit einer Auswahl an leckeren Kuchen und Kaffee genossen wir das edle Ambiente. So würde mir pilgern auch gefallen.

Gestärkt von den Leckereien schlenderten wir durch die Gassen und mussten uns sputen, um an der 12-Uhr-Messe teilzunehmen. Wir gehören nicht dem katholischen Glauben an, und alles war für uns hoch interessant. Katholische Mitreisende erklärten uns später, dass die Liturgie gleich wie zu Hause war. Uns gefiel die gelebte Spiritualität und fühlten uns sehr wohl. Wenn der Geist die Sprache nicht versteht, dann muss die Seele etwas mehr Stimmung aufnehmen.

Die Kirche war bis auf den letzten Platz belegt und ich konnte mir nicht vorstellen, wie das zur Hochsaison aussieht. Im Fernsehen sahen wir einmal, dass nach der Messe der Weihrauchkessel durch die Kirche geschwenkt wird…. das war bei dieser Messe leider nicht der Fall. Einige unserer Mitreisenden hatten sich auch darauf gefreut.

Nach der Messe besichtigten wir ausgiebig diese tolle Kirche mit ihrem ganz besonderen Spirit. Im vergangenen Jahr machten wir u. a. einen Besuch in Fatima. Im Vergleich zu Santiago de Compostela fanden wir in Fatima die Energie wesentlich schwerer. Santiago de Compostela fühlte sich für uns leichter an.

Santiago de Compostela ist die Hauptstadt von Galicien und hat etwa 100.000 Einwohner. Davon sind 28.000 Studenten. Jährlich kommen circa 3 Millionen Besucher. Viele kommen als Pilger auf den beiden bekanntesten Pilgerwegen. Der berühmteste ist der französische Pilgerweg mit 760 km Länge. Der portugiesische Weg ist nur 250 km lang und angenehmer zu gehen. Es gibt klare Regeln, über die man sich im Vorfeld informieren sollte, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, den Jakobsweg gehen zu wollen. Raquel erzählte uns einige davon, die ich aber vergessen habe. Wenn ich denn den Weg gehe, informiere ich mich *lach.

Überall in der Gegend um Santiago de Compostela findet man das Zeichen der Muschel. Die Muschel hat mehrere Bedeutungen, eine davon gefällt mir besonders: sie symolisiert eine offene Hand, die gibt.  

Besondere Tiefe an diesem besonderen Ort gab uns ein Gespräch mit Heinz. Heinz verlor im Jahr 2022 seine Tochter im Alter von erst 43 Jahren. Um diesen Schicksalsschlag irgendwie zu verarbeiten, fuhr er alleine mit dem Fahrrad 2357 km von seinem Heimatort nach Santiago de Compostela. In der Kapelle des Heiligen Franziskus versteckte er eine kleine Muschel für seine Tochter. Unsere gemeinsame Reise machte er unter anderem, um seiner Frau vieles zu zeigen, was ihn auf seiner Reise und an diesem Ort prägte und um nach der versteckten Muschel zu schauen.

Wir begleiteten die Beiden gerne um mit ihnen diesen intensiven Moment zu erleben. Die Muschel war nicht mehr auffindbar. Das war zu erwarten. Trotzdem hatten wir den Eindruck, dass Heinz an diesem Ort sehr stark mit seiner Tochter verbunden war und ihm dieser Besuch gut tat.

Es setzte leider Regen ein und wir machten uns gemeinsam auf die Suche nach etwas Essbaren. Ein Schild, das Tapas versprach, erweckte unsere Aufmerksamkeit. Wir waren in einem Lokal gelandet, das von der üblichen Norm abwich, „100 Montaditos“ – falls es mal jemand sucht. Auf jedem Tisch lagen Zettel mit über 100 verschiedenen Gerichten. In englischer Sprache bekamen wir eine kleine Einweisung von einem Gast am Nebentisch: auf dem Zettel aussuchen, dann Zettel abgeben, dann warten bis der Name ausgerufen wird und dann genießen.

Wir wurstelten uns mit Handyübersetzer und nach dem Ausschlussverfahren durch und waren am Ende satt, ein bisschen stolz * lach – und lecker war es auch!

Wir bummelten noch ein wenig durch die Gassen dieser wirklich besonderen Stadt und ließen uns zum Abschluss nochmals in der Kathedrale nieder. Ein guter Ort um diesen intensiven Tag zu reflektieren.

Der fünfte Tag führte uns in den Norden Galiciens und war somit mit einigen Kilometern im Bus verbunden. Raquel verstand es wieder sehr gut, die Zeit im Bus interessant zu gestalten und uns einiges nahe zu bringen, über das wir uns noch nie Gedanken gemacht hatten.

Zum Beispiel die Geschichte Spaniens hat mich noch nie interessiert, aber wenn man so durch die Lande fährt und das eine und andere erzählt bekommt, finde ich es schön, Zusammenhänge zu sehen und zu verstehen. Geschichte zählte nie zu meinen Lieblingsfächern in der Schule. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem ich selbst schon Geschichte erlebt habe und deshalb verstehe ich manche Zusammenhänge besser als früher. Besser spät als nie! Ich versuche mal wieder eine verständliche Kurzversion von hunderten von Jahren zu schreiben:

Griechen, Kelten, Iberer und Römer versuchten sich die Halbinsel zu Eigen zu machen. Eine Zeitlang hatten die Römer die Oberhand, dann wieder die Westgoten und danach auch muslimische Heere. Danach waren die Mauren an der Macht und danach gewannen die Christen. Wenn man das so Revue passieren lässt, kann man sich vorstellen, dass jede Kultur Spuren hinterlassen hat.

1492 entdeckte Kolumbus Amerika. Zu dieser Zeit wollte man aus Spanien heraus ein einheitliches katholisches Reich bilden. Das Land war auch hundert Jahre später noch in Kriege mit Frankreich, den Niederlanden, England und auch dem Reich der Osmanen verwickelt.

Um 1700 wütete ein Krieg in weiten Teilen Westeuropas. Napoleon eroberte Spanien und setzte seinen Bruder als König ein. Aus dem Untergrund wurde dies bekämpft. Napoleon verlor und Ferdinand VII. wurde als König von Spanien eingesetzt. Seine Tochter Isabella II. folgte ihm auf den Thron.

Nach der Revolution von 1868 entstand die spanische Republik. Die Unruhen blieben und die Kämpfe zwischen den katalonischen Anarchisten und der republikanischen Regierung führten 1936 bis 1939 zu einem Bürgerkrieg. Die Nationalisten unter Franco setzten sich durch.

Aus dem zweiten Weltkrieg hielten sich die Spanier heraus. Durch die Diktatur geriet das Land allerdings in eine politische und wirtschaftliche Isolation. Nachdem 1975 Franco verstarb konnte sich einiges verändern. Es entstand eine Monarchie unter Juan Carlos I., der dafür sorgte, dass es keine Diktatur mehr gab. Unter Ministerpräsidenten Adolfo Suarez wurden die nötigen Reformen eingeführt, die letztendlich zur Einführung einer Demokratie führten. Seit 1985 ist Spanien Mitglied der NATO und gehört seit 1986 zur Europäischen Gemeinschaft. Juan Carlos I. dankte im Jahr 2014 ab und sein Sohn Felipe VI. wurde Nachfolger.

Puh, das ist geballte Geschichte, die noch vieles mehr beinhaltet, ich weiß. Das würde den Rahmen dieses Reiseblogs allerdings sprengen. Wieviel Leid und Elend mag es gegeben haben – unfassbar! Wenn ich heute auf so manche Nachricht aus Spanien achte, dann verstehe ich mehr und hoffe, dass dieses von Kriegen gebeutelte Land Frieden behalten kann.

… so fährt man durch die Lande und merkt gar nicht, wie viele Kilometer man schon geschafft hat *lach.

Ein erstes Ziel an diesem fünften Tag war der Wasserfall Fervenza do Ezaro. Der Rio Xallas fällt ca. 30 Meter tief in den Atlantik in einer atemberaubend schönen Gegend. Über einen langen Holzsteg kann man ziemlich dicht an den Wasserfall kommen und wir konnten tolle Fotos machen. Die Realität kann ein Foto allerdings leider nicht einfangen. Der Wasserfall dient auch der Stromversorgung der Region.

Ans Ende der Welt wollte ich immer schon mal – ohne zu wissen, wo das war *lach. Kap Finisterre ist die Lösung. Es liegt etwa 60 km westlich von Santiago de Compostela. Pilger, für die Santiago de Compostela noch nicht das Endziel bedeutet, gehen bis hier her. Hier befindet sich der Nullpunkt des Pilgerweges.

Über viele Jahrhunderte glaubte man, dass hier die Welt endet und sich dahinter nur Abgrund und Wasser befindet. Der Ort wird auch „Tor zum Jenseits“ genannt und ich fand, er hat wirklich etwas Mystisches. Der steile Abhang, das wilde Meer lassen einen verstehen, warum diese Küste auch Todesküste genannt wird.

Hier werden auch Entenmuscheln geerntet. Eine höchst riskante Arbeit. Ein Kilogramm der Muscheln kostet etwa 200 €. Ich sah mal eine Dokumentation über die Ernte und mein Respekt wächst mit den Eindrücken vor Ort.

Der Öltanker „Prestige“ verunglückte 2002 vor dieser Küste und 64.000 Tonnen Schweröl flossen ins Meer. Man las davon in den Zeitungen…

Auf dem Weg nach A Coruna erfuhren wir wieder einige Vergleiche zwischen Spanien und Portugal. So dauert z. B. die Schulpflicht in Portugal 12 Jahre, von 6 bis 18 Jahren. In Spanien dauert sie nur 10 Jahre, von 6 bis 16 Jahre. In beiden Ländern ist es üblich, die Kinder ab 3 Jahren in einen Vorschule zu schicken. In Portugal lernen die Kleinen ab der 3. Klasse bereits Englisch. In Spanien lernen sie ab 6. Jahren die Sprache der Region in dem sie wohnen, also galizisch, baskisch etc. Englisch ist als Fremdsprache ebenfalls in der Grundschule angesagt.

Picasso lebte in jungen Jahren in A Coruna und erlebte viele prägende Momente in dieser Stadt. Auch seine Liebe zur Kunst hat hier ihre Wurzeln.

Der Künstler Salvadore Dali wollte übrigens Mitte der Siebziger mit John Lennon und 100 Hippies den Jakobsweg gehen und daraus einer Art Happening machen. Leider kam es nicht mehr dazu. Seine Schwester ist den Weg in seinem Gedenken gegangen.

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A Coruna Ist eine Hafenstadt auf einer Landzunge im Nordwesten Spaniens. Viele Häuser haben vorgebaute Glasbalkone, sog. Galerias. Das gibt der Stadt einen besonderen Charme und auch den Beinamen „Stadt aus Glas“. In A Coruna leben ca. 21.000 Studenten. Sie haben die Möglichkeit unter 20 verschiedenen Studienzweigen zu wählen. Bevorzugt wird Architektur gelehrt. Kein Wunder, wenn man sich die prächtigen Bauten der Stadt anschaut. Die mittelalterliche Altstadt ist ansprechend und wir freuten uns über freie Zeit. Den kleinen Hunger zwischendurch zu stillen war nicht einfach, da wir außerhalb der Mittagszeit waren und es noch früh im Jahr waren. Wir fanden mit Heinz und Brigitte eine nette Pizzeria und ließen uns die italienische Spezialität in Spanien schmecken.

Zur verabredeten Zeit fanden wir uns wieder am Bus ein, bis auf 2 Personen. Wir warteten und warteten – ca. 20 Minuten lang, dann kamen die Beiden ziemlich aufgelöst mit einem Taxi und entschuldigten sich sehr: sie hatten sich verlaufen…

Mir hat es wieder gezeigt, dass es durchaus Sinn macht, sich gleich am ersten Tag einer solchen Rundreise die Kontaktdaten, die immer bekannt gegeben werden, ins Handy zu speichern oder mitzunehmen. Wir hatten sie auch nicht dabei…. Buh-Rufe im Bus fand ich mehr als unpassend.

Eine kurze Fahrt führte uns zum Herkulesturm, einem römischen Leuchtturm mit Panoramablick auf die Küste in einer schönen, großzügigen Parkanlage. Wir sollten 1 Stunde Zeit bekommen, um uns auf eigene Faust umsehen zu können.

DER notorische Motzer im Bus (er wusste wirklich zu fast allem etwas – Negatives natürlich) beschwerte sich, was wir denn eine Stunde lang dort machen sollten… Gottseidank reagierte Raquel sehr souverän und ließ abstimmen. Alle anderen Mitreisenden wollten gerne diese eine Stunde haben und im Nachgang kann ich sagen, 2 Stunden hätten wir auch sehr gut dort verbringen können!!!

Im Park war ein Skulpturenpark angelegt und wir hätten durchrasen müssen, um einen Eindruck zu bekommen. So konzentrierten wir uns auf die herrliche Aussicht und den Turm. Er gilt als ältestes aktives Sichtzeichen der Seeschifffahrt und ist seit 2009 UNESCO-Welterbe.

Wie wir es schon öfter mitbekamen, ranken viele Geschichten um solche Orte. Eine davon ist, dass der Legende nach der Turm auf einem Felsen entstand auf dem Herkules und der Riese Geryon drei Tage und drei Nächte gekämpft haben sollen. Herkules gewann und aus Dankbarkeit wurde der Leuchtturm auf den Felsen gebaut.

Müde und voll von Eindrücken gingen wir gleich nach dem Abendessen schlafen. So viele Eindrücke müssen verdaut werden. Ich könnte unmöglich am Ende eines solchen Tages Reise-Blog schreiben. Ein paar Notizen und Fotos genügen allerdings, um zu Hause die Emotionen und Eindrücke wieder zu wecken und aufzuschreiben.

Am sechsten Tag packten wir morgens unsere Koffer und die Reise ging wieder Richtung Portugal.

Ein ganz besonderes Schmankerl war ein Stopp in Combarro. Ein super idyllisches kleines Dorf mit 1.600 Einwohnern, direkt am Meer. Wir schlenderten mit unserm Knopf im Ohr hindurch und lauschten den Erklärungen von Raquel. Kleine wunderschöne Gassen, Lokale direkt am Wasser und eine sehr entspannte Stimmung zogen uns ganz in ihren Bann.

Eine Besonderheit in diesem Landstrich sind die Getreidespeicher. Kleine Häuser stehen auf Stelzen und es werden heute noch Vorräte darin aufbewahrt. Der Aufbau der Häuser ist so gut durchdacht, dass keine Mäuse oder sonstiges Ungeziefer hinein kommen können, gute Durchlüftung dafür sorgt, dass nichts schlecht wird oder schimmelt und dazu sieht es wirklich sehr apart aus.

Wir freuten uns über die Informationen und darüber, dass uns Raquel auch auf Details aufmerksam machte. Als wir wieder im Bus waren, schaute ich sofort in meiner Wohnmobil-Stellplatz-App nach, ob es hier eine Möglichkeit zur Übernachtung gibt: es gibt *lach. Wenn uns einmal der Weg mit dem Wohnmobil in diese Gegend führt, will ich auf alle Fälle hier einige Zeit verbringen!!

Der Motzer fiel mir wieder unangenehm auf. Der Satz: „Wer glaubt denn sowas“, wenn man etwas erklärt bekommt was man nicht kennt, macht mich sprachlos. Solche Leute sollten nicht in Gruppenreisen unterwegs sein. Gottseidank saß er im Bus nicht so nah bei uns, dass ich alle dämlichen Kommentare hören musste *lach

Weiter ging die Fahrt Richtung Portugal. Schon auf dem Hinweg hörten wir einiges über die beiden Städte Tui (auf spanischer Seite) und Valenca (auf portugiesischer Seite) am Grenzfluss Minho. Zwei Brücken verbinden die beiden Städte: die Autobahnbrücke und eine 318 Meter lange Gitterträgerbrücke. Sie wurde 1885 erbaut und dient bis heute dem Straßen- und dem Eisenbahnverkehr.

Wir machten einen Halt in Valenca und staunten über die wunderschöne Altstadt, die unter Denkmalschutz steht. Der gesamte Ort ist von einer Festungsmauer umgeben. Wir hatten von dort einen herrlichen Blick zurück nach Galicien. Viele Spanier kommen nach Valenca zum Einkaufen, weil es preisgünstiger ist. Entsprechend sind die Souvenirläden ausgestattet. Wir hatten ausreichend Zeit, das Städtlein zu erkunden und sogar, einen portugiesischen Expresso in der Sonne zu genießen.

Beide Busse hatten eine ähnliche Abfahrtszeit ausgemacht und die Parksituation für Busse war auf diesem öffentlichen Parkplatz etwas schwierig. Deshalb war Pünktlichkeit angesagt, was auch gut klappte. Wenn natürlich ca. 100 Personen in 2 Busse einsteigen wollen, dauert das eine Weile.

Es näherte sich ein kleines Auto und fuhr langsam aber ständig auf unsere Gruppe zu. Der Ruf „Auto kommt“ ließ uns wohl zusammen rücken, aber irgendwann ging nicht mehr. Ich sah wie in Zeitlupe, wie der vordere Autoreifen auf die Sohlen (also hinten auf die Sohlen) von Karin´s Schuhen fuhr. Sie merkte, dass ihr das Auto zu nahe kam, wollte ausweichen, konnte aber die Füße nicht weg bewegen, da das Auto auf den Sohlen stand. Karin verlor den Halt, wollte sich instinktiv an jemandem festhalten, diese Frau stürzte mit ihr zu Boden und schubste noch eine Weitere mit. Puh, was für eine Aufregung.

Ich will den Spannungsbogen nicht weiter ausdehnen: es ist gottseidank nichts wirklich Schlimmes passiert. Was uns allen sehr leid tat war, dass die Letzte die umgeschubst wurde ausgerechnet eine unserer ältesten Mitreisenden war, die sich tapfer mit Gehwägelchen und Stöcken (je nach Bedarf) auf allen schwierigen Pfaden geschlagen hatte. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf und war ziemlich unter Schock. Unter Schock standen die beiden anderen und die „Zuschauer“ ebenfalls. Die beiden Busfahrer und Reiseleiterinnen kümmerten sich hervorragend um alles. Unser Bus fuhr weiter, denn die Beteiligten waren aus dem anderen Bus. Es kamen noch Polizei und Krankenwagen, aber alle konnten die Reise fortsetzen.

Auf dem Weg nach Braga, was als nächstes Ziel für diesen Tag vorgesehen war, erzählte uns Raquel einiges über Religionen. Der Spruch: „In Braga betet man, in Coimbra studiert man, in Porto arbeitet man und in Lissabon amüsiert man sich“, sagt einiges über die „Qualität“ dieser Orte aus.

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Braga, eine weitläufige und quirlige Stadt

Man hat in Portugal für jede Lebenssituation, jedes Problem einen Heiligen: gegen Augenprobleme Luzia, gegen Bauchschmerzen Anna, gegen Kopfschmerzen Stefan, wenn die jungen Damen einen Traummann suchen Anthonius, wenn ältere Damen einen Traummann suchen Gonzalo, auf Reisen Ulrich von Augsburg, gegen Schlaflosigkeit Hubertus von Lüttich, und so weiter. Hier kann man für und gegen fast Alles einen passenden Heiligen finden.

Um das zu verstehen, muss man in die Geschichte von Staat und Kirche in Portugal einsteigen. Etwa 80 % der Portugiesen gehören dem römisch-katholischen Glauben an und ca. 14 % keiner Kirche. Wallfahrtsorte und die Schutzheiligen spielen eine wichtige Rolle im alltäglichen Leben. Bis ins Jahr 1911 waren Staat und Kirche eine Institution und schrieben die Art, wie Religion zu leben war, vor. Erst im Jahr 2001 wurde die Religionsfreiheit in der Verfassung verankert.

Die Zahlen in Spanien sind ähnlich wie in Portugal, mit 60 % Katholiken. Die Trennung von Staat und Kirche und die Einführung der Religionsfreiheit waren dort bereits im Jahr 1978.

Wenn ein großer Teil der Bevölkerung diese Religiosität lebt, dann fällt es dem Einzelnen bestimmt leichter, „mit dem Strom zu schwimmen“. Ich höre manchmal die Frage, warum sich fremde Religionen bei uns so breit machen können und stelle gerne die Gegenfrage, warum wir nicht unserer Christentum öffentlicher leben und bekennen…

Zurück zur Stadt Braga (ca. 190.000 Einwohner), eines der wichtigsten religiösen Zentren Portugals mit herausragenden religiösen Festen. Die Osterprozession, die nachts stattfindet, ist weit über die Grenzen hinaus bekannt. Die interessante Mischung aus Antik und Modern zieht einen rasch in den Bann. Seit 2017 hat Braga die UNESCO-Auszeichnung City of Media Arts. Über 30 Kirchen befinden sich in der Stadt. Die älteste Kathedrale Portugals, die Se de Braga und die bedeutende Wallfahrtskirche Bom Jesus do Monte möchte ich an dieser Stelle nennen.

Bekannt ist Braga unter anderem für seine filigrane Handarbeiten und den filigranen Schmuck. Auch dazu gibt es viele Geschichten. So tragen neugeborene Mädchen ab dem 4. Tag bereits Ohrringe und bekommen diese in aller Regel von der Patin. Witwen tragen tropfenförmige Ohrringe. In vielen Schaufenstern kann man die Kunst bewundern. Die Handwerkskunst der Glockengießerei ist ebenfalls in Braga zu Hause. Die Glocke von Notre Dame in Paris z. B. wurde hier gegossen.

Ein typisches Gebäck in Braga ist die Tibia de Braga und wir konnten diese Spezialität probieren. Ich vermute, dass es ein Brandteig, der mit Pudding gefüllt ist, war. Lecker war´s!!

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Mit der ältesten funktionstüchtigen Wasserballastbahn der Welt fuhren wir hinauf zur Wallfahrtskirche Bom Jesus do Monte. Einer unserer Mitreisenden hatte aufgrund Höhenangst Bedenken sich in die Bahn zu setzen. Raquel nahm sich seiner an und er fand es nach den 3 Minuten Fahrt dann gar nicht so schlimm wie befürchtet. Die Geräusche der Bahn konnten einem auch ohne Höhenangst Bange machen *lach. Übrigens hat ein Schüler von Herrn Eifel, dem Erbauer des Eifelturmes, diese Bahn im Jahr 1882 gebaut.

Über 116 Meter Höhenunterschied führen barocke Monumentaltreppen mit 581 Stufen hinauf zu diesem Wallfahrtsort. Eine sehr gepflegte Parkanlage und die beeindruckende Kirche ließen uns staunen und genießen. Bereits im 17. Jahrhundert wurde die Kirche errichtet und unter den verschiedenen Bischöfen und Herrschern erweitert und ausgebaut. Man hat einen herrlichen Blick über Braga. Wen wundert es, dass wir schon wieder einmal mitten in einem UNESCO-Kulturerbe standen.

Dieser Tag war wieder einmal prall gefüllt mit Erlebnissen, Eindrücken und Informationen. Redlich müde ließen wir den Abend ausklingen.

Der siebte Tag begann etwas früher, denn wir hatten einige Kilometer im Bus vor uns. Schon ab 6.30 Uhr gab es Frühstück und um 7.45 Uhr war Abfahrt mit dem Bus in Richtung Dourotal.

Der weltweit berühmte Portwein wird im Dourotal produziert. Schon im Jahr 1703 gab es einen Vertrag zwischen Portugal und England, in dem festgelegt wurde, dass Textilien gegen Portwein getauscht wurde.

Ein paar Jahre später, in 1756 veranlasste die Regierung die strenge Abgrenzung des Portweingebietes mit Namen Alto Douro. Wenn ich es richtig verstanden habe, darf nur Wein mit Trauben aus diesem Gebiet sich Portwein nennen. Es gibt roten und weißen Portwein und viele verschiedene Qualitätsstufen. Mehr zu dem Thema habe ich bereits letztes Jahr beschrieben und ist hier zu finden.

Als besondere und aktuelle Leckerei hat uns Raquel auf ein Getränk namens „Port Tonic“ hingewiesen: weißer Portwein mit Tonic und Minze. Leider habe ich es irgendwie nie probiert – ein Grund, dort nochmal hin zu fahren.

Der Douro entspringt in der spanischen Provinz Soria und mündet nach etwa 897 Kilometern bei Porto in den Atlantik. Viele Schleusen ermöglichen auf dem portugiesischen Teil des Douro auf ca. 213 km Länge die Schifffahrt. In Spanien gibt es keine Schleusen. Auf 112 km Länge bildet er die natürliche Grenze zwischen den beiden Ländern.

Der Nordosten Portugals ist dünn besiedelt mit 46 Einwohnern pro qkm. 9 Monate im Jahr sind Winter und 3 Monate im Jahr ist es super heiß mit 40 Grad. Die typische Lebensart sind solidarische Gemeinschaften. So hat z. B. einer einen großen Backofen und die anderen nutzen den mit. Jeder macht etwas für jeden mit allen Rechten und Pflichten. In solch karger Landschaft macht das Sinn.

Für kleine Winzer wird es wirtschaftlich schwierig zu überleben. Sie bekommen ca. 25 ct. pro Kilo Trauben für die Produktion von tafelwein und 1,20 € für die Produktion von Portwein. Davon können sie nicht leben. Deshalb verkaufen viele kleine Winzer ihre Weinberge und so entsteht Stück für Stück ein Monopol i. S. Portwein. Das Problem Erntehelfer zu finden kennen wir in Deutschland auch. Hier in Portugal helfen Menschen aus aller Welt bei der Traubenlese mit.

Die Douro-Boys sind ein Zusammenschluss von Winzern, die sich miteinander organisieren, in neue Technologien investieren und auf Messen die Vermarktung optimieren. Die Douro-Kids ist schon die nächste Generation, die diese aufgeschlossenen Wege beschreitet.

Übrigens trinkt man in Portugal 56 Liter Wein/Kopf und Jahr. Das kam mir ziemlich viel vor, bis ich es ausgerechnet hatte … 153 ml/Tag würde sogar ich schaffen *lach.

Im Dourotal dürfen die Weinberge normalerweise nicht bewässert werden. Nur wenn die Temperaturen zu hoch liegen darf mit Genehmigung eines Prüfinstitutes eine Ausnahme gemacht werden. Der Grund liegt nicht, wie ich annahm am Wassermangel, nein: wenn die Trauben gegossen werden, werden sie nicht so süß. Diese Süße ist für den Portwein sehr wichtig.

Sehr imposant anzusehen sind die Steilhänge, an denen der Wein angebaut wird. Oft sind die Hänge durch Mauern gestützt. An vielen Stellen sieht man Schilder, auf denen „Quinta“ steht. Quinta heißt Weingut.

Im Dourotal wachsen nicht nur Trauben, sondern auch Oliven, Kork, Mispel, Mandeln, Zitronen, Rosmarin usw.

Durch landschaftlich sehr interessante Gegenden führte uns der Weg nach Pinhao, von wo aus unsere zweistündige Schifffahrt auf dem Douro startete. Es war schon sehr beeindruckend diese herrliche Landschaft zu genießen. Das Wetter war schön und wir bekamen eine Kostprobe des leckeren Portweines. Ich kann von mir sagen, dass ich rundherum zufrieden war. *lach

Zum Mittagessen fuhren wir nach Favaios auf die Quinta Da Avessada. Dieses Weingut ist auf viel Besuch mit vielen Bussen eingestellt. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl als Massentourist abgefertigt zu werden. Alles war super und liebevoll organisiert.

Die Quinta liegt etwa 600 Meter über dem Meeresspiegel und dort wird der Muskatellerwein angebaut. Wir wurden mit Akkordeon-Musik begrüßt, vermutlich um uns gleich ein wenig in Stimmung zu versetzen. Ein Gläschen Muskatellerwein tat das Seine für die gute Stimmung. Das Essen war traditionelle Kost und jeder Gang wurde mit einer netten Geschichte im Vorfeld angekündigt. Mir hat es geschmeckt und gefallen. Den liebevoll gestalteten Garten konnten wir nach dem Essen noch eine Weile genießen bevor wir gegen 16 Uhr die Fahrt ins Hotel antraten.

Raquel brachte uns wieder ein paar Geschichten nahe, der volle Bauch und der Alkohol ließen den Großteil der Businsassen allerdings in einen Döse-Zustand verfallen. Mit einem freundlichen „Kuckuck liebe Gäste“ weckte sie uns sanft kurz vor dem Hotel wieder auf.

Der achte Tag war der Abreisetag. Unser Transfer zum Flughafen war für 13 Uhr angesetzt und so hatten wir ausreichend Zeit, gemütlich zu frühstücken und früher Abreisenden nachzuwinken. Ein letzter portugiesischer Expresso in einem typisch portugiesischen Café und ein kleiner Spaziergang am Strand machten diesen Tag rund.

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Wir lernten auf dieser Reise wieder super nette Menschen kennen und nehmen viele beeindruckende Bilder und Geschichten mit. Ein Dank an Raquel, die ihre Begeisterung für Geschichte und die Liebe zu ihrem Land sehr ansprechend vermittelte. … und für´s Korrektur lesen ein Extradank!!

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2023.04._Toscana im Frühling

Bevor ich unsere Toskana-Erlebnisse erzähle frage ich in die Runde: sind die Berichte zu lang? Mir wurde empfohlen, jeden Tag in eine neue Mail zu packen. Meine Idee ist, dass man den Bericht in mehreren Etappen lesen kann. Was meint ihr? Gebt gerne ein Statement in den Kommentaren ab oder auch persönlich an mich. – Danke!!

Der Plan war, in einem freien Zeitfenster von 4 Wochen die Toskana zu bereisen. Leider raubte uns eine hartnäckige Erkältung eine halbe Woche und wir konnten erst ein paar Tage später als geplant starten. Manchmal muss man halt vernünftig sein.

Das Wetter war zu Hause nass und viel zu kalt für Mitte April (10 Grad) und die Vorstellung auf angenehme Temperaturen in der Toskana fiel mir schwer. Diese Vorstellung sollte man beim Packen des Wohnmobils aber schon haben…

Sehr wichtig war mir, dass wir noch in Deutschland eine neue, zweite Gasflasche kauften, damit wir genügend Gas zum Heizen hatten. Kurze Hosen und T-Shirts packte ich natürlich auch ein, aber – so weit will ich schon einen Vorausblick geben: viel zu wenige. Pullis und Jacken blieben ab Tag 2 in den unteren Regionen der Kleiderbox und die zweite Gasflasche hätten wir auch nicht gebraucht *lach.

Den ersten Stopp machten wir noch in Deutschland in Efringen-Kirchen auf dem Stellplatz Gutenau. Man kann dort ruhig stehen, hat Ver- und Entsorgungsmöglichkeit und wird von einer WebCam bewacht. Was will man mehr? Für den zweiten Tag war die Fahrt durch die Schweiz gen Italien geplant. Den Rat lieber Menschen gebe ich an dieser Stelle gerne weiter: in der Schweiz (und auch schon davor), sollte man im Handy das Roaming ausschalten. Die Schweiz gehört nicht zur EU und somit können Telefongebühren anfallen. Die schweizer Netze sind ziemlich stark und schon einige Kilometer vor und nach der Grenze sind die Handys mit Netzen der Eidgenossen verbunden. Da wir mit Google-Maps navigieren, machte es in der Vorbereitung Sinn, die geplante Route herunterzuladen.

Die Fahrt war entspannt und wir bewunderten die imposante Landschaft. Interessant fanden wir unter anderem, dass an ganz normalen Parkplätzen an der Autobahn Ladestationen für E-Autos eingerichtet waren.  

Kurz vor dem Gotthardt-Tunnel machten wir eine ausgiebige Pause und stellten uns dann in den – nicht angekündigten – Stau. Im Radio vernahmen wir später: 1,5 Stunden Stau vor dem Gotthardt-Tunnel. Gut dass wir unserer Intuition und dem Blasendruck nachgegeben hatten – so war der Stau zwar lästig, aber nicht wirklich schlimm. Die fast 17 km Fahrt durch den Tunnel lehrten mich: ich kann 15 Minuten die Luft anhalten *lach. Es geht einspurig mit Gegenverkehr durch den Tunnel. Wir waren froh, endlich wieder Tageslicht zu sehen. Es wird an einer zweiten Röhre durch die Berge gebaut und wenn diese fertig ist und der Gegenverkehr im Tunnel weg fällt, ist die Fahrt bestimmt wesentlich angenehmer. Laut Internetrecherche soll dies 2029 sein.

Unser Ziel für diesem zweiten Tag war ein Stellplatz in Como in Italien. Der Stellplatz liegt relativ nahe an der Grenze und es hatten offensichtlich noch einige Wohnmobilisten die gleiche Idee wie wir: nach der Schweiz, ganz oben auf der Landkarte, in Italien zu übernachten. Der Stellplatz war voll besetzt, aber davor konnten wir noch ein Plätzchen ergattern. Die Stadt Como kennt wohl die Thematik und duldet die Übernachtungsgäste wurde uns erzählt. Gleich nach der Ankunft war Kleiderwechsel angesagt, denn bei sonnigen 20 Grad abends um 17 Uhr waren die mollig warmen Pullover definitiv out. Irgendwie kamen wir uns vor wie Träumer. Die vielen Eindrücke der Schweizer Bergwelt wirkten noch in uns nach und auf einem kleinen Spaziergang an den Comer See genossen wir bereits mediterranes Flair.

Comer See

Der dritte Tag führte uns durch die Poebene nach Parma. Ein schöner Stellplatz mit allem was wir brauchten war vor Ort. Sogar ein Supermarkt lag gleich nebenan und wir füllten unsere Vorräte auf. Mir gefällt es, zu schauen was man woanders einkauft und isst. Deshalb kann ich viel Zeit in Supermärkten zubringen *lach. Die Übersetzer-App im Handy leistete uns wertvolle Hilfe, wenn wir ratlos vor manchen Leckereien standen. Jede Menge Fisch und allerlei Meeresgetier taten es mir besonders an. Da erst andere Lebensmittel verarbeitet werden sollten, verschoben wir den Einkauf auf später…. Ein Fehler, wie sich „später“ herausstellte, denn so eine tolle Angebotspalette in Sachen frischer Fisch fanden wir auf unserer Reise leider nicht mehr. Lehre: gleich zugreifen, wenn etwas beeindruckt!

Mit den Rädern fuhren wir in die Innenstadt von Parma. Von der Piazza Garibaldi aus erkundeten wir die Straßen und Gassen zu Fuß. Viele Geschäfte mit eleganter Herrenmode und extravaganter Damenmode fielen uns auf. In den Gassen erfreuten kreative Hingucker unseren Blick. Bars, Cafés und Restaurants luden zum Ausruhen ein. Das Geschäft, an dem ich nicht vorbei kam, war ein Spezialitätenladen mit Parmaschinken. Ich musste natürlich eine Kostprobe kaufen. Ein Espresso am Tresen einer Bar war für Helmut das Highlight.

Parma Musikgasse

Was man alles in Parma sehen und besichtigen könnte, sahen wir nicht. Dafür müsste man eine Städtetour buchen – diesen Plan hatten wir auf dieser Tour allerdings nicht. Glücklich und zufrieden verspeisten wir abends am Wohnmobil die gekauften Köstlichkeiten und freuten uns auf den nächsten Tag.

Der vierte Tag begann mit einem Schreck, denn Helmut touchierte beim Ausparken ganz leicht das hinter uns stehende Wohnmobil. Die Frau des Besitzers war gerade im Bad, stürzte leicht und hatte sich natürlich sehr erschrocken. Wir tauschten die Adressen aus und hofften, dass kein körperlicher Spätschaden auftrat (nach Monaten zu Hause denken wir, dass alles gut ausgegangen ist!). Blechschaden war keiner. Die Mitwohnmobilisten waren sehr nett und nahmen unsere Entschuldigung an.

Mann, Mann, Mann: eine klitzekleine Unaufmerksamkeit und schon gab es einen Grund, der den Puls ziemlich hochtrieb…

Hellwach und konzentriert machten wir uns auf den Weg nach Pisa. Wir überquerten Flüsse, die sehr ausgetrocknet waren. Wir lasen schon zu Hause von der anhaltenden Trockenheit in Italien. Das in live zu sehen war schon beeindruckend. Es sprengte unsere Vorstellungsgabe, wie es mit normalem Wasserstand aussehen könnte. Waren die Flüsse dann ganz voll? Sind sie sowieso immer im Sommer ziemlich trocken… viele Fragen und keine Antworten…

Die Landschaften links und rechts der Autobahn waren sehr abwechslungsreich: weite Landschaften die sehr dünn besiedelt sind, Berge mit und ohne Häuser, Burgen auf Berghöhen, kleine Orte, die wie in die Bergwelt geklebt wirkten. Wir stellten uns das Leben in diesen Regionen recht einsam und auch anstrengend vor. Alleine zum Einkaufen müsste man ziemlich weit fahren.

Schon von weitem sah man das Marmorgebirge mit knapp 1900 Metern Höhe. Dort wird der weltberühmte weiße Carrara-Marmor abgebaut. Da unser Ziel die Toskana war, ließen wir diese bestimmt auch sehr interessante Region auf der Autobahn an uns vorbeirauschen. Wir konnten Blicke auf riesige Blöcke des weißen Marmors erhaschen, der dort gelagert wurde.

Einen kleinen Absatz möchte ich den Mautstationen widmen. Wir hatten uns eingelesen, dass wir auf den gelb markierten Spuren nicht fahren durften, weil wir keine Mautbox hatten. Wenn man auf die erlaubten Schranken zu fährt, beginnt sofort eine weibliche Stimme – auf Italienisch – logisch! – ohne Punkt und Komma zu reden. Das macht einen nervös. Die Nervosität steigt, wenn man merkt: der untere Terminal ist zu nieder, da für PKWs und der obere Terminal ist zu hoch, da für LKWs. Die Türe geht nicht auf, weil man dicht dran fahren musste. Helmut hing also so halb aus dem Seitenfenster und suchte eine Möglichkeit mit der EC-Karte zu bezahlen. Ich „half“ ihm vom Beifahrersitz aus mit klugen Ratschlägen. Um die italienische Dauerrednerin zu übertönen, mussten wir uns auch laut unterhalten. Zu guter Letzt bezahlten wir mit Bargeld und waren nur froh, als sich diese Schranke öffnete… puh, das kostete jedes Mal richtig Nerven. Da will man wirklich alles richtig machen und blickt es nicht…. Meistens mussten wir nach ein paar Kilometern herzhaft über unseren Stress lachen. Wir sind halt doch Landeier *lach.

Mautstation
… wenn ich das Foto sehe, steigt schon mein Puls *lach

In Pisa fanden wir einen Stellplatz, der zweckmäßig war, das heißt, alles war da, was Camper brauchen. Wir fühlten uns sicher, konnten ruhig schlafen und der Weg zu den Sehenswürdigkeiten war kurz. Diesen Weg legten wir mit den Rädern zurück.

Fahrradfahren in Italien machte uns übrigens keinen Spaß. In Italien fährt man anders Auto als in Deutschland. Als Radler fühlten wir uns nicht wirklich sicher. Radwege gab es ab und zu, aber diese endeten irgendwo und man musste auf der Straße weiter fahren. Vielleicht bin ich einfach schon zu alt, um mich auf dieses Abenteuer einzulassen *lach.

Wirklich lustig war der Besuch des Schiefen Turmes. Um die Piazza dei Miracoli (Platz der Wunder) zu erreichen, passierten wir einen Straßenzug, auf dem sich Händler mit ihren Ständen platzierten und unglaublich viele Menschen an den Ständen vorbei drängten – um etwas zu kaufen, etwas zu essen oder einfach um die Piazza zu erreichen. Man bedenke, es war der 19. April – wie ist es dort im Sommer und zur Ferienzeit????

Als wir die Piazza dei Miracoli (mir gefällt dieser Name – weckt kulinarische Erinnerungen an früher *lach) erreichten, staunten wir über Menschen aus aller Herren Länder, die sonderbare Verrenkungen machten. Eine Probe fürs Theater? – Nein, alle wollten ihren ganz speziellen Schnappschuss mit dem berühmten Turm, dem Schiefen, machen. Wir natürlich auch, das ist doch klar. Irgendwann waren wir es müde und fanden ein Plätzchen auf einer Treppe und ließen dieses Treiben auf uns wirken. Viele Menschen legten einen unglaublichen Ehrgeiz an den Tag, um eine ausgefallene Pose vor und mit dem Turm zu fotografieren. Es lagen wirklich Omas auf der Straße und brauchten Hilfe zum Aufstehen – aber ein tolles Foto hatten sie – das zu beobachten war besser als jeder Film im TV: life ist live *lach.

In den Gassen Pisa´s war das Leben etwas beschaulicher. Wir bummelten an Cafés, Restaurants und vielen kleinen Läden vorbei und ließen später am Wohnmobil die Eindrücke Revue passieren.

Piazza mit Hinterhofatmosphaere

Am fünften Tag erwachte ich mit einer kräftigen Erkältung. Trotzdem machten wir uns auf den Weg nach Lucca. Der Stellplatz dort war ein großer Parkplatz, hatte aber alles, was wir brauchten. Gleich um die Ecke waren ein kleiner Bäcker und ein Metzger, der auch Gemüse aus der Region verkaufte.

Der Bäckerladen war wirklich klein: es konnte nur ein Kunde mit Begleitung in den Verkaufsraum. So warteten wir geduldig vor der Türe, bis wir dran kamen. Es gefiel uns, wie sich die Leute begrüßten. Helmut und ich unterhielten uns über den schönen Klang der italienischen Sprache und kamen so mit einer italienischen Frau ins „Gespräch“ – also sie auf Italienisch und wir auf Deutsch über die Musik der Sprache. Wenn man „Bon Giorno“ und „Guten Tag“ gegenüber stellt, kann man es sehr gut erkennen *lach.

Ein Gewitter am frühen Nachmittag kam mir gerade recht, denn ich konnte mich ausruhen und meine Erkältung pflegen. Gegen später schauten wir uns das Städtlein an. Auf uns wirkte es ein wenig duster, da die Häuser ziemlich hoch und die Gassen mit ihrem Kopfsteinpflaster ziemlich eng waren.

Die Piazza dell´ Anfiteatro war sehenswert. Die Römer erbauten hier ein Amphitheater und bis heute ist es in seiner historischen, ovalen Form erhalten. Auch das bekannteste Wahrzeichen von Lucca besuchten wir und beradelten es ein Stück: die gut erhaltene Stadtmauer, die das historische Stadtzentrum umgibt. Breite Wege auf den Festungswällen aus dem 16. und 17. Jahrhundert werden heute zum Spazierengehen, Radfahren, Joggen genutzt. Viele Bäume spendeten Schatten und man konnte das bunte Treiben auf einer Parkbank sitzend auf sich wirken lassen.

Früh schlafen gehen, war an diesem Abend mein Wunsch und es lohnte sich, denn am sechsten Tag war mein Befinden schon wieder wesentlich besser als am Vortag.

Auf der Landkarte hatten wir einen kleinen Ort mit Namen San Miniato gefunden. Einen Stellplatz sollte es dort auch geben und da es nicht so weit von Lucca entfernt war, nahmen wir uns das als nächstes Ziel vor. Herrliche Landschaften begleiteten uns und schon von weitem sahen wir auf einem Hügel wie gemalt das schöne San Miniato. Leider konnten wir den Stellplatz nicht finden. Auch Fragen an Einheimische halfen uns nicht weiter. Eine große Herausforderung war, dass die Straßen zu Sträßchen wurden und vermutlich irgendwann zu Gassen und Gässchen. Helmut weigerte sich an einem bestimmten Punkt weiter zu fahren. Mit viel Geschick konnte er das Wohnmobil wenden. Das war auf diesem engen Raum wirklich eine Herausforderung. Auf die Schnelle musste ein neues Ziel her, denn Plan B hatten wir nicht.

In der Stellplatz App fand ich einen Ort mit Namen Montaione. Der Weg dorthin führte über kleine Nebenstraßen. Das klingt jetzt vielleicht nicht besonders interessant, aber mit dem großen Wagen und den wirklich engen Straßen war es schon sehr besonders. Landschaftlich war es ein Traum, so abseits der touristischen Pfade unterwegs zu sein.

In Montaione fanden wir den Stellplatz sehr schnell: er war für zwei Wohnmobile vorgesehen, hatte Ver- und Entsorgung, Strom, Müllbehälter und – tara: kostete nichts. Das erlebten wir in Italien ein paar Mal und waren und sind es immer noch: sehr begeistert. Manche Orte wissen, wie man Touristen positiv stimmt. Wir honorierten das auf Touristenart und unterstützten die dortige Gastronomie. Auch unsere Vorräte füllten wir wieder auf.

Wenn sich der ängstliche Typ Leser jetzt fragt, ob der Platz auch sicher war: wir denken schon. Mehrmals am Tag und Abend hielt die Polizei auf einem Parkplatz in der Nähe und die Polizisten daddelten auf ihren Handys. Der Platz war in einem Wohngebiet und obwohl das zweite Wohnmobil abends weg fuhr, hatten wir keine Bange, sondern eine ruhige und angenehme Nacht.

Ach ja, Montaione per Pedes zu erkunden lohnte sich auch. Wir empfanden es als ein nettes kleines Städtchen mit fantastischen Aussichtspunkten ins weite Land!

Für den siebten Tag, einem Samstag, nahmen wir uns vor nach Volterra zu fahren. Wir suchten nach einem Plätzchen, an dem wir uns evtl. etwas länger aufhalten konnten, denn Dienstag war ein Feiertag in Italien und wir konnten uns ausrechnen, dass Italiener an Feiertagen das Gleiche machen wie wir in Deutschland: die Brückentage nutzen für Ausflüge mit dem Wohnmobil.

Volterra war für mich kein wirklich interessantes Ziel, denn ich hatte im Vorfeld gelesen, dass sich Schreiber von Vampir-Romanen dort inspirieren ließen. Das passt überhaupt nicht zu meinen Vorlieben und das Vorurteil war fertig! In Gesprächen unterwegs wurde uns allerdings immer wieder erzählt, wie schön es dort sei und so gab ich meiner Neugierde nach – gottseidank!

Aber nun der Reihe nach, denn der Besuch in Volterra barg viele Abenteuer in sich. Als wir so von Montaione nach Volterra fuhren begeisterte uns wieder die herrliche Landschaft. Volterra ist eine Festung auf einem Berg und schon von weitem konnte man sie sehen.

Je näher wir dem Ort kamen, desto voller wurden die Straßen. Ein deutsches Wohnmobil, welches uns entgegen kam, hielt an und informierte uns, dass „alles dicht sei, es sei Markt, die Polizei würde sofort abschleppen lassen und man käme nicht einmal zu dem Stellplatz“. Na toll… Helmut wendete bei nächster Gelegenheit und ich zückte meine Stellplatz-App. Im Vorbeifahren sah ich im letzten Moment ein kleines Schild, das einen Weg zum Wohnmobil-Stellplatz wies. Reaktionsschnell konnte Helmut abbiegen. Nach der nächsten Kurve sahen wir den Stellplatz und viele, sehr viele, eigentlich viel zu viele Wohnmobile. Mit großen Augen stellten wir uns erst einmal in die Reihe, um auf den Stellplatz zu kommen. Wie erwartet, waren es fast nur italienische Fahrzeuge und wir merkten: unsere Idee, sich einen Stellplatz für ein paar Tage zu suchen war grundsätzlich richtig, wir waren nur zu spät dran. Jedes Plätzchen war belegt, ob es ein vorgesehener Parkplatz war oder nicht. Wild gestikulierend liefen Männer auf dem Platz herum und wiesen Wohnmobile ein.

Manchmal habe ich so eine unerklärliche bockige Art und mag Situationen nicht so sehen, wie sie wirklich sind. Also stieg ich aus und marschierte auch über den Platz. In einer Ecke stand doch tatsächlich noch ein Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen und ich sprach die Bewohner an. Deutsche unter sich im fremden Land sollten das so tun *lach. Hocherfreut vernahm ich die Botschaft, dass sie in wenigen Minuten weg fahren wollten. Sie wollten noch so lange warten, bis Helmut sich mit unserem Wohnmobil durchgekämpft hatte. Also war ich jetzt auch wild gestikulierend auf dem Platz unterwegs und lotste Helmut an den frei werdenden Platz. Puh, das war eine große Erleichterung, als wir endlich dort standen. Wir saßen lange im Wohnmobil und sahen durch unsere Frontscheibe einen Film der allerbesten Sorte!

Man stelle sich die Situation in Deutschland vor: der Stellplatz ist voll – fertig.

In Italien versuchte man durch zusammen rücken und miteinander reden so viele Wohnmobile wie möglich unterzubringen. Wichtig zu sagen ist mir auch, dass immer darauf geachtet wurde, dass niemand zugeparkt wurde und jederzeit eine Abreise möglich war. Sogar eine Reservierung mit einem Campingstuhl wurde respektiert. Es standen abends auf dem Wohnmobil-Stellplatz für offiziell 30 Wohnmobile (lt. App) mehr als 60 Wohnmobile. Auch auf dem benachbarten Parkplatz standen die fahrbaren Wohnungen und niemand störte sich dran, sondern freute sich, dass so viele ein Plätzchen gefunden hatten.

Typische italienische Lebensart konnten wir auch in der Situation beobachten, als Tische und Stühle herausgeräumt wurden. Neben den Womos war kein Platz mehr dafür. Kurzerhand wurde eine lange Tafel auf dem verbleibenden Fahrweg gebildet und miteinander gegessen, getrunken und gelacht. Nein, es wurde kein Gelage daraus, sondern zu ziviler Zeit war alles wieder weg geräumt und es kehrte Ruhe auf dem Platz ein.

Der Besuch in Volterra hatte sich wirklich gelohnt. An jeder Ecke gab es einen optischen Wow-Effekt. Der Stadtkern ist eine große Fußgängerzone. Handwerkskunst mit Alabaster und Olivenholz ist in kleinen Geschäften zu bestaunen. Man kann dort auch einen Turm besichtigen, von welchem man direkten Blick auf die Hofgänger des aktiven Gefängnisses werfen kann. Wir waren zu spät dran (leider? gottseidank?). Der Aufgang auf den Turm war schon geschlossen und wir ließen uns von andern Touristen davon berichten. Die prominente Lage auf dem Berg beschert in alle Richtungen wunderschöne Ausblicke in das weite Land. Musikalische Klänge einer tollen kleinen Band zauberten zusätzlich eine märchenhafte Stimmung, die wir auf der Piazza bei Eis und Espresso genossen.

Von Abenteuerlust gepackt, machten wir uns am nächsten, dem achten Tag trotz nahendem Feiertag und Stellplatz-Turbulenzen auf den Weg nach San Gimignano. Wir fuhren relativ früh los und unser Plan ging auf, denn in San Gimignano hatten andere Reisende die gleiche Idee und wir bekamen problemlos einen Platz auf dem angepeilten Stellplatz. San Gimignano kannte ich bereits von einer früheren Reise mit Kollegen und hatte es in wunderschöner Erinnerung. Deshalb stürzten wir uns in die Touri-Hochburg, aßen das obligatorische Weltmeister-Eis und bestaunten die schönen alten und gut erhaltenen Häuser. Sonntags sind mit Sicherheit noch mehr Touristen als normalerweise dort und deshalb nahm in unserer Planung der Wunsch nach etwas einsameren Gegenden Gestalt an.

San Gimignano Ausblick

Diesen Wunsch konnten wir uns am neunten Tag in Monteriggioni erfüllen. Ein sehr schöner Stellplatz in nicht touristisch überlaufener Lage war genau nach unserem Geschmack. Ein gemütlicher Tag am Womo mit Wäsche waschen und einem kleinen Spaziergang gab uns die Gelegenheit, unsere Reise ein klein wenig zu verdauen.

Das Bezahlsystem des Stellplatzes funktionierte wie ein Parkhaus: Ticket ziehen, dann öffnet sich die Schranke. Bei uns klappte das, wir konnten allerdings beobachten, dass viele Fahrzeuge bei der Ausfahrt Probleme hatten und über die Sprechanlage mit der Zentrale diese Probleme klärten. Abends gegen 22 Uhr vernahmen wir ein permanentes Piepen – piep – piep – piep…. das kann schon nerven, auch wenn man nicht sehr empfindlich ist. Wir ordneten es der Schranke und den Ausfahrtproblemen zu. Mangels italienischer Sprachkenntnisse unterließen wir aber den Klärungsversuch über die Sprechanlage…. irgendwann hörte das Piepen auf.

Für den zehnten Tag planten wir, mit dem Bus nach Sienna zu fahren. Die Bushaltestelle war direkt am Stellplatz und wir waren pünktlich dort. Nach einer geraumen Weile mussten wir verstehen, dass an diesem Tag kein Bus kommen sollte. Die Bushaltestelle bediente u. a. eine Schule und wurde am Feiertag nicht angefahren. Unsere Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Wir fuhren mit den Rädern ein wenig in der Gegend herum, besichtigten das Castello Monteriggioni und freuten uns darüber, dass es uns so gut ging.

Der elfte Tag war für mich ein Highlight, denn unser Weg führte uns nach Castiglion Fibocchi zur Fattoria la Vialla. Die Fattoria lernte ich über kunstvolle und sehr kreative Prospekte kennen und hatte zu Hause schon einmal im Onlineshop bestellt.

Für eine Nacht darf man kostenlos auf dem Wohnmobilstellplatz bleiben, wenn man dort einkehrt oder einkauft. Gottseidank hatten wir reserviert, denn der Stellplatz war voll. Wir spürten eine richtig schöne und heitere Stimmung und fühlten uns sofort wohl. Helmut war vor dem Besuch ein wenig kritisch, weil er meine Begeisterung für Bio und Besonders kennt. Er ist nun auch infiziert *lach.

Zunächst gönnten wir uns ein Mittagessen. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man sich Prospekte angeschaut hat und sitzt auf einmal in der gezeigten Szenerie. Ich bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht und genoss wirklich jeden Moment. Meine geheime Frage war ja, ob sie (die Bewohner der Fattoria) in Wirklichkeit genauso sind, wie sie es auf den Fotos vermitteln. Die Antwort darauf ist ein klares Ja. Die Fröhlichkeit des Personals springt über, die Qualität der Speisen und Getränke ist super gut und das gesamte Ambiente ein Träumchen.

Alle paar Stunden wird eine kostenlose Führung über die Fattoria angeboten und wir waren natürlich dabei. Wir erfuhren Interessantes über den Olivenanbau und die Verarbeitung zu Öl, durften im Weinkeller eine Weinprobe mitmachen und hörten, dass die Fattoria 20.000 Schafe auf Sardinien hat, die die Grundzutaten für den leckeren Pecorino liefern. Wir konnten einen Blick in die Zauberküche und die Bäckerei erhaschen und den Angestellten bei der Arbeit zuschauen.

Für unsere weitere Reise deckten wir uns im Hofladen mit Lebensmitteln ein. Super ist, dass man fast alles probieren kann und vieles erklärt bekommt. So z. B. dass aus Oliven, die aus der Gegend kommen ein geschmacklich intensiveres Öl gepresst wird, als aus den Oliven, die aus Sizilien geliefert werden. Dieses Olivenöl ist milder. Ich weiß, dass das intensivere Olivenöl wegen der Polyphenole gesünder ist, trotzdem schmeckt mir das Milde besser *lach. Die gekauften Waren werden mit einem kleinen Golfwägelchen zum Wohnmobil gebracht – eine heitere Angelegenheit, da sich jeder freut, dass er nichts den Berg runterschleppen muss.

Lustig war, dass an der Kasse eine deutsche Frau arbeitete, die uns fragte, wo wir her kämen – sie kommt aus dem Nachbarort in unserer Heimat. Die Welt ist klein. Durch sie kamen wir zu der für mich wertvollen Information, dass über den Winter in Deutschland ebenfalls probiert und eingekauft werden kann, z. B. in Horb unter dem mich verwirrenden Namen Fattoria la Vialla Speisekammer. Als Insider weiß man es…

Abends machten wir einen langen Spaziergang auf der Fattoria und genossen die entspannte Atmosphäre und die herrliche Landschaft.

Tage später trafen wir Leute, die auch auf dem Wohnmobilstellplatz waren und ihre Augen strahlten, denn sie hatten die gleiche Meinung wie wir: die Toscana ist wunderschön aber das Highlight war die Fattoria la Vialla.

Am zwölften Tag ging die Reise weiter. In der Nähe von Castiglion Fibocchi liegt Arrezzo, eigentlich auch eine Reise wert. Wir waren aber noch nicht soweit, dass wir gleich neue Eindrücke aufnehmen wollten und so legten wir Montepulciano als nächstes Ziel fest.

Die ca. 60/70 km lange Strecke erwies sich als sehr abenteuerlich. Die Straßen waren eng und einfach nur schlecht. Helmut war irgendwann so genervt, dass ich in der Stellplatz-App eine Lösung suchte. Auf dem Weg lag die Ortschaft Toritta di Sienna und hier sollte es einen Stellplatz geben. Als wir auf den Stellplatz fuhren hatten wir wieder dieses Wow-Erlebnis: herrliche Aussicht, ruhig, kostenlos sogar incl. Strom. Auf einem Spaziergang lernten wir einen netten kleinen Ort mit interessanten Ecken kennen und waren wieder einmal sehr, sehr happy.

Im Gespräch mit Womo-Nachbarn tauschten wir uns aus über woher und wohin und bekamen tolle Tipps für Ziele, die wir nicht auf dem Schirm hatten.

Am dreizehnten Tag stand wieder Montepulciano auf dem Plan. Auf dem Platz, auf dem die Wohnmobile stehen dürfen, war allerdings Kirmes mit allem was dazugehört (Riesenrad, Fahrgeschäfte Essensstände…). Also ein Satz mit X und Montepulciano musste auf unsere Bekanntschaft verzichten.

Die Stellplatz-App zeigte einen Stellplatz in Chianciano Terme. Der Platz war schön, gut organisiert und mit super sauberer Dusche, Toiletten und Waschmaschine. Normalerweise nutzen wir alles (außer Waschmaschine) im Wohnmobil. Hier habe sogar ich eine Ausnahme gemacht und die sanitären Anlagen benutzt.

Chianciano Terme scheint ein eher gehobener Badekurort zu sein. Um diese Zeit (Ende April) war allerdings noch nicht viel los und so erschienen uns die tollen Hotels und Geschäfte eher trostlos. Einen ganz normalen Supermarkt konnten wir nicht finden. Zum ersten Mal veräppelte uns Google Maps nach Strich und Faden und wir marschierten ziemlich weit vergeblich durch die Mittagshitze um einfach nur Trinkwasser zu kaufen. Lehre: lass es nie knapp werden.

Zur Frustbewältigung kehrten wir in einem kleinen Lokal ein, in dem sich offensichtlich viele Einheimische nach Feierabend trafen. Ich bestellte einen Aperol Spritz und Helmut einen Espresso mit einem Croissant. Wir bekamen ein kleines Tablett mit verschiedenen Häppchen, Nüssen und Chips dazu gereicht. Das ist offensichtlich so üblich, staunten wir und ließen es uns schmecken. Wir bezahlten übrigens 7 €. Wir ließen das la Dolce Vita auf uns wirken und beobachteten die Gespräche, die uns, da Hände und Füße intensiv beteiligt waren, manche Erkenntnisse erschlossen *lach.

Der vierzehnte Tag brachte uns nach Montalchino. Geplant war, dass wir unterwegs zunächst Wasser kaufen wollten. Google Maps versprach uns einen Supermarkt in unserem Zielort. Tja, irgendwie war der Wurm drin… Montalchino liegt auf einem Berg. In die Stadt dürfen keine Autos und natürlich schon gar keine Wohnmobile. Parkplätze sind ziemlich weit außerhalb und eher für PKWs gedacht. Also sind wir auf den Wohnmobil-Stellplatz gefahren. Montalchino liegt auf einem Berg und daneben ist ein noch höherer Berg und auf diesem ist der Stellplatz *nicht lustig.

Mit Rucksäcken ausgerüstet machten wir uns per Pedes auf den steilen Weg nach unten – wohl wissend – heimwärts ist er mindestens genauso steil, dieser Weg. Wir kauften mit Maß und Ziel ein, aber es war dann doch recht viel. Helmut traute sich zu, zusätzlich zum Rucksack noch 4 2-Ltr. Flaschen Wasser zum Wohnmobil zu schleppen. Gaaanz langsam schritten wir voll bepackt den Weg nach oben. Etwa in der Hälfte des Weges hielt ein kleiner Fiat neben Helmut und eine nette Italienerin fragte ihn, ob er zum Wohnmobilstellplatz wolle und bot ihm an, ihn mitzunehmen. Nett, wie er ist, wollte er mich mitfahren lassen, aber für uns alle war kein Platz in dem Auto, also ließ ich ihn ziehen *lach, mit der hübschen, netten Italienerin und 8 Litern Wasser.

Nachmittags marschierten wir den Weg noch einmal und besichtigten das wirklich wunderschöne Städtchen. In der Innenstadt sind die Gassen sehr eng und wir verstanden, warum keine Autos in die Stadt dürfen. Viele Geschäfte mit Wein sahen wir. Der berühmte Brunello de Montalchino kommt von hier – Weinkenner kennen ihn vielleicht – wir nicht.

Wir verwöhnten uns mit Espresso an der Bar (Helmut strahlt jedes Mal) und Eis. Wir kamen mit 4 Schwedinnen ins Gespräch und konnten uns mit unseren Englisch-Kenntnissen in Italien über unsere Reise austauschen. Wenn das mal nicht Multi-Kulti ist *lach.

Gerade rechtzeitig bevor Regen einsetzte waren wir wieder am Wohnmobil. Ohne vollen Rucksack war der Weg zwar anstrengend aber gut machbar (schreibt die, die nicht gerne Berge hoch läuft).

Da für den nächsten Tag auch viel Regen angesagt war entschieden wir, den fünfzehnten Tag noch auf dem Stellplatz zu bleiben.

In einer Regenpause schlenderten wir wieder durch die Altstadt von Montalchino, besichtigten die Kirche und staunten wieder einmal über die herrliche Landschaft, die man von dort oben sehen konnte. Wir kamen an einem Festzelt vorbei und es wurde gegessen und getrunken. Unser Magen meldete sich und wir studierten die dortigen Mahlzeiten. Nix mit Wurst und Brötchen, oder Schnitzelweck oder so… Mit der Übersetzer-App konnten wir die Speisekarte entziffern und trauten uns an den Tresen. Heute noch kann ich sagen, dass ich selten auf einem Fest so lecker gegessen habe.

Montalchino speisekarte

Den restlichen Tag verbrachten wir faul im Wohnmobil und ließen uns von den Regentropfen auf dem Dach unterhalten.

Schon oft sahen wir in Dokumentationen über die Toscana die warmen Quellen von Saturnia. Deshalb war es mein Wunsch, diese auch auf die Reiseroute zu packen. Am sechzehnten Tag standen sie auf dem Programm.

Die Route führte uns durch die Berge der Toscana zum Teil auf 900 Meter Höhe. Wir waren ungefähr 1,5 Stunden unterwegs – allerdings auf abenteuerlichen Straßen. Ich weiß, ich schrieb das schon das eine und andere Mal, aber es gibt immer noch eine Steigerung. Als wir am Ziel angekommen waren, hatten sich die Fahrräder in der Garage gelockert, aus jedem Schrank fiel uns etwas entgegen und – man fasst es kaum: sämtliche Kleiderbügel waren von der Stange gefallen… Helmut war vorsichtig gefahren! Daran lag es nicht!!

Gesund und durchgerüttelt fanden wir einen netten Platz auf dem Stellplatz in Saturnia. Man konnte die Nähe zu den Thermen überall erkennen, denn es hingen fast an jedem Wohnmobil Handtücher und Badebekleidung zum Trocknen.

Wir gönnten uns zunächst eine ausgiebige Mittagspause und machten dann einen Erkundungsspaziergang zu den Quellen. Auf dem Parkplatz davor waren sehr viele PKWs und Menschen, die sich umzogen. Unsere Vermutung, dass es sich um einen Besuchermagnet handelte, bestätigte sich immer mehr – als wir um die letzte Ecke bogen, hatten wir die Gewissheit … so, wie auf den Werbefotos, werden wir die Quellen nicht genießen können. Unzählbar viele Menschen standen oder lagen im Wasser. Wir fassten den Entschluss, abends noch einmal zu kommen – in der Hoffnung, dass dann weniger Menschen da sind.

Die Vorab-Information über die Gegebenheiten war für mich hilfreich: es gab keine Bank, um die Kleidung abzulegen, es war leicht schlammig, so konnte man (also wir) auch nichts auf dem Boden platzieren und die Vernunft ließ keinen Zweifel daran, dass immer nur einer ins Wasser gehen und der Andere bei den Klamotten bleiben sollte. Das Wasser war angenehm warm und der erwartete Schwefelgeruch nicht übermächtig.

Wir hatten einen entspannten Nachmittag und machten uns gegen Abend nochmals auf den Weg, um uns auch in den berühmten und gesunden Fluten zu aalen. Wie erwartet, waren weniger Menschen da, aber immer noch zu viele. Da ich ziemlich verfroren bin, ließ ich Helmut gerne den Vortritt.

Meine persönlichen Eindrücke sprechen jetzt nicht unbedingt für die berühmten Quellen. Ich bin allerdings nicht der Maßstab, was Bewegung im Wasser außerhalb eines gechlorten Pools angeht. Ich schlurfte also durch den Schlamm ins Wasser und stellte fest (ich habe das vorher wirklich nicht so wahrgenommen) dass das Wasser nur bis zu den Knöcheln, maximal bis Mitte Wade geht. Im Wasser war der Grund mit kleinen Kieseln bedeckt. Ich fasste mir ein Herz und legte mich in diese Brühe, dass nur der Kopf herausschaut. Helmut machte ein paar Fotos und spätestens als der eine und andere Hygieneartikel an mir vorbei schwamm war meine Saturnia-Euphorie vorbei. Das angelesene Wissen über die „Würmer“ im Wasser, konkret um die Larven der Zuckmücke, die völlig harmlos sein sollen, hatte auch seine Wirkung. Gottseidank gab es Duschen vor Ort.

Wenn ich heute Fotos von den Quellen sehe, denke ich, dass es ein unglaubliches Naturschauspiel ist, welches wirklich sehens- und erlebenswert ist. Wenn ich allerdings die Menschen selig lächelnd im Wasser sehe, muss ich grinsen: ich habe mein Foto…. einmal und nie wieder *lach.

Wir kamen mit super netten Womo-Nachbarn ins Gespräch. Manchmal denkt man sich, schade, dass die Wege sich so schnell trennen. So ging es uns mit Gerhard und Bianca. Sie wollten an den Bolsena-See und wir zur Laguna di Orbetello. Als wir am nächsten Morgen, dem siebzehnten Tag, weiter zogen, hinterließ ich meine Handy-Nr. am Scheibenwischer * lach, das habe ich vorher noch nie gemacht!!! Wir hatten uns eigentlich verabredet, um uns zu verabschieden, verpassten uns aber.

Quer durch das Land fuhren wir durch herrliche Landschaften – über die Nebenstraßen lasse ich mich jetzt nicht schon wieder aus. Wir machten manchen Fotostopp um die Bilderbuch-Atmosphäre einzufangen und in uns aufzusaugen. In einem klitzekleinen Ort machten wir eine Kaffeepause, in der Helmut wieder seinen geliebten Espresso am Tresen einer Bar einnahm. So gefällt uns das! Abseits der Touristenströme mit den Einheimischen in urigen Kneipen.

Von der Laguna di Orbetello hatten wir in Gesprächen mit Wohnmobilisten als sehr fahrradfreundlich erzählt bekommen. Vor Ort schaute ich mir Routen über die Komoot-App an und stellte fest, dass die meinen Leistungslevel sprengen würden: über Berge, zum Teil am Strand, zum Teil Fahrrad tragen … ne, ne…

So machten wir uns mit dem Fahrrad auf, im Nachbarort Porto Ercole einen Bäcker zu finden. Der Radweg führte uns erstaunlich lange an der Hauptstraße entlang und endete irgendwann … Etwas misslaunig radelte ich durch den Straßenverkehr hinter Helmut her, den Berg hinunter. Die Vorstellung, dass ich das alles wieder hochstrampeln musste, gefiel mir nicht. Uralte Häuser und enge Gassen vermochten meine Laune nicht positiv beeinflussen.

Als wir unten waren tat sich vor uns eine Kulisse auf, die mir kurz den Atem nahm: das Meer, der Hafen, links und rechts eingerahmt von massiven Festungsanlagen. Deren Geschichte geht bis ins 16. Jahrhundert zurück und sie ließen uns den mächtigen Schutz vor Wasser, Wind und Feinden spüren. Wieder einmal so ein Wow-Moment!!!

Linker Hand lag der Yachthafen, mit einer hübschen Promenade mit Geschäften und Lokalen und rechter Hand waren die Fischerboote. Wir hatten Glück und konnten miterleben, wie ein Fischerboot ankam. Viele Kisten verschiedenster und bereits vorsortierter Fische wurden ausgeladen. Leider war es nicht möglich, einen frischen Fisch zu kaufen, denn die Ware war schon vorbereitet für einen Großhändler aus Rom. Trotzdem super spannend zu sehen.

Einen kleinen Bäckerladen fanden wir auch. Es gab viele kleine verschiedene Kuchen/Kekse/Kaffeestückchen und natürlich auch Brot. Die Bäckerei-Verkäuferin freute sich, als wir von vielen Keksen ein Probiererle kauften – und wir freuten uns auch.

Ab dem achtzehnten Tag drehte sich die Himmelsrichtung unserer Reise. Wir rechneten uns den Heimweg aus, und planten genügend Zeit ein, um an schönen Plätzen verweilen zu können.

Einen ersten Stopp machten wir in Grosseto, aber außer Einkaufsmöglichkeiten fanden wir nichts, was uns zum Bleiben animierte. So freuten wir uns wieder einmal über die Freiheit des Reisens und zogen weiter.

Wir hatten in Toritta di Sienna einen Tipp für einen wunderschönen Stellplatz bekommen und dieser lag jetzt auf unserer Route: San Vincenzo. Etwas abseits auf der Höhe hat ein Aussteiger ein Stückchen Paradies für sich geschaffen und bietet einige wenige Stellplätze für Wohnmobile an. In Original-Toskana-Umgebung mit Zypressen und Kräuterwiesen, Blick übers Meer, am Horizont konnte man die Inseln Elba und Korsika erkennen Ruhe und Natur – boa, ich weiß nicht, wie ich dieses herrliche Fleckchen Erde in Worte fassen kann. Wir genossen jeden Augenblick und ich erinnere mich noch gut daran, als ich vor dem Wohnmobil kochte und gar nicht fassen konnte, in welcher traumhaften Umgebung ich gerade war.

Einen Störer gab es dann doch…. auch im Paradies gab es das *lach: Ein weiteres Wohnmobil näherte sich und der Fahrer stieg aus, besah sich alles, kam zu uns und meinte, dass dieser Platz doch sehr teuer sei (30€/Nacht) und er nicht verstehen könne, warum. Ich zeigte nur mit dem Arm auf die herrliche Landschaft und sagte: „darum“. Er blieb dann trotzdem und kam später nochmal zum Nörgeln: keine Duschen da (hallo, er hat bestimmt eine im Womo). Der Stellplatzbetreiber wies die Plätze sehr sorgfältig zu, dass jeder einen ungestörten Blick auf das herrliche Panorama hatte und auch weit genug weg war vom Nachbarn. Darüber regte der Nörgler sich auch auf und zu guter Letzt natürlich das Wichtigste: er hatte keinen Empfang mit seiner SAT-Schüssel… Mann, Mann, Mann, derartige Leute können einem echt leidtun…. Meine Freundlichkeit hat bei solchen Menschen Grenzen und ich gehe ihnen aus dem Weg…

Wir besahen uns auch die Ortschaft San Vincenzo. Der Strand ist wohl sehr bekannt, aber da wir noch in der Vorsaison waren, wurde dort gearbeitet und vorbereitet für die kommenden Touristenströme. Auch der riesiger Yachthafen beeindruckte uns und wir konnten uns gut vorstellen, dass im Sommer dort wirklich viel los sein würde.

Der Abend bescherte uns einen traumhaften Sonnenuntergang am Wohnmobil und ich denke, die Bilder sprechen eine eigene Sprache…

Später, als es dunkel war, hörten wir auf einmal ein Piepen: piep, piep, piep… genau das gleiche Piepen wie in Monteriggioni. Nur, hier war keine Schranke, der wir damals dieses Piepen zuordneten. Kurzerhand rief ich den Stellplatz-Chef an (er wohnt auch auf dem Platz). In meinem besten Englisch (ich muss heute noch schmunzeln) fragte ich ihn: „Outside is a „piep, piep“, what is it?“. Ich hörte wie er eine Türe öffnete, eine Weile lauschte und mich dann aufklärte: „Its a little bird. We are in nature.“ Aha….

Mit Google ist heute vieles möglich und ich konnte tatsächlich herausfinden, dass es sich um eine Zwergohreule handelte – wieder was gelernt *lach.

Schweren Herzens wollten wir uns am neunzehnten Tag auf den weiteren Weg Richtung Heimat machen, als früh morgens mein Handy klingelte und Gerhard und Bianca am anderen Ende der Leitung fragten, wo wir denn gerade wären. Das war eine Freude!! Am Bolsena-See war um diese Zeit überhaupt nichts los und sie wollten sich ebenfalls Richtung Heimat bewegen. Wir schwärmten von unserem Paradies und nach einem kurzen Check der Route kündigten sie ihr Kommen in ca. 3 Stunden an. Juchhu: noch ein Tag im Paradies mit super netten Leuten….

Wir verbrachten einen tollen Nachmittag und Abend miteinander und die schönen Gespräche klingen immer noch in unseren Herzen nach.

Am zwanzigsten Tag siegte die Vernunft und wir fuhren weiter Richtung Norden. Auf der Höhe von Pisa gibt es einen Stellplatz in Marina di Pisa. Wenn man wollte, könnte man mit dem Fahrrad auf ausgewiesenen! Fahrradwegen nach Pisa fahren. Wir haben es nicht getestet, ob diese ausgewiesene Fahrradroute brauchbar ist.

Wir schauten uns das nette Städtchen an, genossen den schönen Hafen, gönnten uns eine Fischplatte und freuten uns wieder einmal über all das Schöne was wir erleben durften und dürfen.

Der einundzwanzigste Tag hatte wieder einige Abenteuer für uns bereit… Unser Tagesziel war ein Stellplatz in Santa Margherita bei Portofino. Nachdem wir die Autobahn verlassen hatten, waren die Straßen so unglaublich voll, dass es höchste Konzentration bedeutete unbeschadet ans Ziel zu kommen. Rollerfahrer fuhren ohne Rücksicht einfach drauf los und vertrauten darauf, dass PKWs und Womos auf sie aufpassten. In einer Situation klappte sich unser rechter Seitenspiegel an einer Hecke ein und ich wies Helmut drauf hin, dass er weiter links fahren sollte… das war nicht möglich, da Roller an Roller die Straße vereinnahmten. Auf Hupen wurde sowieso nicht reagiert, weil – wer eine Hupe hatte hupte…. Ich sehnte mich zurück ins Landesinnere – so einen Wahnsinn erlebten wir dort nie.

Als wir endlich den Stellplatz erreichten und sogar noch den letzten freien Platz ergatterten, genügte ein Blick und wir waren uns einig: hier bleiben wir nicht. Also stürzten wir uns wieder ins Getümmel und fuhren quer über die Halbinsel nach Camogli.

Der Stellplatz war zwar auch nicht wirklich schön, aber es war entschieden ruhiger. Womo-Nachbarn erzählten uns von Wildschweinen, die früh morgens bis an die Womos kämen – wir haben sie nicht gesehen, aber das Wissen darum gefiel uns.

Die Womo-Nachbarn waren übrigens Schweizer, die uns den Tipp gaben, dass wir doch einfach unser Essen aus Deutschland mitbringen sollten, wenn wir in die Schweiz fahren würden. Es war ihnen bewusst, dass die Schweiz für Deutsche relativ teuer ist. Auf diese Weise könnte man die schöne Schweiz erkunden und erleben.

Auf einem Spaziergang auf einem wunderschönen Höhenweg, mit Blick übers Meer bis nach Genua, konnten wir den Trubel des Tages abschütteln.

Am zweiundzwanzigsten Tag, übrigens einem Sonntag, wurden wir um 5 Uhr morgens von der Müllabfuhr geweckt… So kamen wir wenigstens früh weg, denn wir peilten als Tagesziel den Lago Maggiore an. Die Autobahn durch die ligurischen Alpen war nicht nach meinem Geschmack: Tunnel, Brücke, Tunnel, Brücke usw. Ich war froh, als wir endlich die Poebene erreichten.

Die weite, flache Landschaft tat meinem Auge wohl und ich konnte mir gut vorstellen, einmal nur die Poebene zu bereisen, von Stellplatz zu Stellplatz zu tingeln bis an die Adria. Es ist eine fruchtbare Gegend und wir sahen sogar Reisfelder…

Am unteren Ende des Lago Maggiore, in Ranco fanden wir einen wunderschönen Stellplatz, der fast die Annehmlichkeiten eines Campingplatzes hatte. Wir gönnten uns auch den dreiundzwanzigsten Tag in dieser schönen Gegend, machten eine kleine Radtour, fanden einen schönen Fährhafen, eine wunderschöne Parkanlage und genossen die Sonne.

Mit der Sonne war es das dann auch. Laut Wetterkarte sollte ab dem vierundzwanzigsten Tag ein Wetterumschwung mit Regen kommen.

Auf Empfehlung vieler Reisender nahmen wir auf dem Heimweg die Route über den San Bernadino-Tunnel. Was uns nicht bewusst war, dass der Tunnel auf 1.600 m Höhe liegt = da muss man erst mal hinauf fahren. Bei schönem Wetter ist das bestimmt richtig schön. Als wir nach oben fuhren, konnte man die Hand nicht vor Augen sehen (siehe Wetterumschwung). Gottseidank hatten wir einen LKW vor uns, der mit max. 40 km/h fuhr. So konnten wir uns relativ stressfrei anhängen. Als wir auf der anderen Seite der Berge durch den Tunnel kamen, war schönes Wetter. So ein Erlebnis ist einfach jedes Mal schön.

Wir steuerten den ersten Rastplatz an und eine andere Wohnmobilistin bedankte sich bei uns, weil sie sich an uns angehängt hatten *lach… man tut was man kann.

Die Rückreise durch die schöne Schweiz, vorbei am Bodensee, mit einem Stopp bei Freunden verlief ruhig und problemlos und wir freuten uns nun auch auf ein paar Tage zu Hause, um die vielen, vielen Eindrücke zu verarbeiten.

** Kurz vor Weihnachten, also nach 7/8 Monaten trudelten 2 Strafzettel bei uns ein: wir hätten an 2 Mautstationen nicht bezahlt. Der nicht bezahlte Betrag lag einmal bei 9,40 € und das andere Mal bei 1,34 € – die Rechnungen von einer Anwaltskanzlei beliefen sich auf 53,08 € und 11,32 €. Recherchen im Internet ergaben, dass es sogenannte Touristenfallen gäbe. Da sind wir wohl reingetappt. Sollten wir nochmal nach Italien reisen, dann werden wir uns für eine MautBox entscheiden. Damit sollte so etwas nicht passieren.

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2023.03._Rundreise durch Portugal mit vielen Highlights

Wir waren schon oft in Portugal und die Lebensart gefällt uns. Eigentlich wissen wir aber über Kultur, Geschichte und viele interessante Themen sehr wenig. So kam uns eine Rundreise gerade recht, die genau die Punkte abdeckte, die uns interessierten. Terminlich entschieden wir uns für die erste mögliche Reise Anfang März. Die Erwartungen an das Wetter waren realistisch: etwas wärmer als zu Hause und wenn wir Glück haben, schon ein paar Sonnenstunden. Nach dieser Reise erhöhen sich auch zu Hause die Chancen auf angenehmere Temperaturen und dann lockt das Wohnmobil…

Am ersten Tag war wieder frühes Aufstehen angesagt, um den Flughafen in Frankfurt rechtzeitig zu erreichen. Koffer packen und diese frühe Anreise sind für mich schon ziemlich nervig… ohne geht es halt nicht – und es ist Klagen auf hohem Niveau *lach.

Flug, Abholung vom Flughafen durch den Reiseveranstalter und Fahrt zum Hotel nach Ericeira klappten wie am Schnürchen. Das Hotel liegt direkt am Meer, ist schon etwas in die Jahre gekommen, hat aber einen ganz besonderen Charme. Wir kamen uns vor wie die Träumer: im eigenen Bett aufgewacht und einige Stunden später das Meer mit seinen Wellen und sogar schon einigen Windsurfern zu bestaunen. Wir erkundeten das überschaubare Städtlein auf eigene Faust und spätestens als wir einen Espresso mit einem Pastel de Nata in der Sonne genossen, fiel alle Reiseanspannung von uns ab und die portugiesische Lebensart erreichte unsere Herzen.

Abends erhielten wir von der Reiseleitung einige Informationen über unsere Reise und nach dem vorzüglichen und vielfältigen Abendessen vom Büfett freuten wir uns noch mehr auf die vor uns liegenden Tage.

Am zweiten Tag fuhr der Bus um 8.15 Uhr vom Hotel ab nach Lissabon. Wir fanden das eine zivile Zeit (wir hatten andere Vergleiche – siehe Skandinavien-Reise). Um diese Uhrzeit war, wie fast überall auf der Welt, relativ viel Berufsverkehr. Lissabon hat ca. 500.000 Einwohner, in der Metropolregion leben etwa 2.800.000 Menschen. Die Straßen sind gut ausgebaut.

Unsere Reiseleiterin Teresa nutze die Zeit, um uns viel Interessantes über die Region zu erzählen. Im Herzen Lissabons, dem Praca de Dom Pedro IV, begann unser Stadtspaziergang. Der Platz ist von schönen Gebäuden umgeben und hat eine entspannte und doch quirlige Atmosphäre. Besonders gefiel mir das wellenförmig verlegte Mosaik auf dem Boden. Da noch nicht sehr viele Touristen unterwegs waren, konnte man dieses Kunstwerk uneingeschränkt genießen.

Eine Kaffeepause machten wir in einem der vielen Cafés und natürlich durfte ein Pastel de Nata nicht fehlen. Man konnte bei der Herstellung zuschauen – dann schmeckt es mir nochmal so gut *lach.

Ich finde eigentlich gar nicht die richtigen Worte, um das Gefühl in dieser tollen Stadt zu beschreiben: quirlig, beschaulich, alt, neu… Mit großen Augen marschierten wir hinter Teresa her – unseren Knopf im Ohr um ihren Erzählungen zu lauschen und immer ihren orangenen Schirm im Blick, damit wir sie ja nicht aus den Augen verloren.

Der Unterschied zwischen dem auffälligen ALT und NEU führt zurück zu dem schlimmen Erdbeben zusammen mit einem Großbrand und Tsunami am 1. November 1755. Es zählt zu einer der verheerendsten Naturkatastrophen europäischer Geschichte mit unzählbar vielen Todesopfern. Bis an die Algarve hinunter blieb fast kein Stein auf dem anderen. Nur die Oberstadt und ein alter, maurischer Stadtteil Lissabons (Alfama), blieben fast völlig verschont. Die Altstadt Alfama liegt zwischen dem Castelo S. Jorge und dem Flussufer des Tejo und Touristen lieben es heute noch durch die romantischen, engen Gassen zu schlendern.

Mit diesem Wissen schaut man noch ehrfürchtiger auf die Stadt und das ganze Land und lernt zu verstehen, warum viele alte Gebäude so gehegt und gepflegt werden und auch Ruinen Anziehungspunkte für geschichtsinteressierte Menschen sind.

Die Besichtigung der Catedral Sé Patriarcal aus dem 12. Jahrhundert war sehr interessant. Beeindruckende Fliesenbilder machten die Geschichte lebendig. Wir waren froh, so früh im Jahr hier zu sein, denn es bedurfte wenig Fantasie, sich diesen Platz im Sommer vorzustellen, wenn viele Menschen Urlaub machen.

Teresa wies uns eindringlich auf „Taschendiebe“ hin und darauf, unsere Taschen und Rucksäcke vor dem Körper zu tragen. Trotzdem wurden tatsächlich bei zwei Mitreisenden die Rucksäcke geöffnet. Gottseidank ohne Schaden, da wir gegenseitig aufeinander aufpassten und sich keine Wertsachen in den Rucksäcken befanden. Wir waren trotzdem ein wenig schockiert, wie schnell und unbemerkt das geht. Teresa erklärte uns, dass arme Menschen aus vielen verschiedenen Ländern sich solche Orte, an denen viele Menschen aufeinander treffen, aussuchen um sich widerrechtlich zu bereichern. Man kennt das ja auch aus anderen Ländern. Also immer, wenn es eng wurde, war die Aufforderung Taschen und Wertsachen vor dem Körper zu tragen.

Nach der „offiziellen“ Führung hatten wir ca. 2 Stunden Zeit für individuelle Mittagspause und/oder Besichtigungen auf eigene Faust. Wir wollten unbedingt mit der ältesten Standseilbahn, der Ascensor do Lavra fahren. Gegen eine kleine Gebühr kann man die Strecke von 182 Metern mit einer Höhendifferenz von 43 Metern zurücklegen. In jeder Dokumentation über Lissabon kann man sie sehen und mich freut es: ich bin damit gefahren und es hat mir sehr gefallen *lach. Aus Zeitgründen sind wir hoch und hinunter gefahren. Man kann auch nur eine Richtung buchen und dann in der Oberstadt spazieren gehen. Wir haben es vorgezogen, zu Fuß durch verwinkelte Gassen die Oberstadt zu erreichen und die vielen kleinen Lokale und Geschäfte zu bewundern.

In der Oberstadt hielten wir uns Richtung Elevador de Santa Justa, ein 45 m hoher, kunstvoll gestalteter Aufzug der die Ober- mit der Unterstadt verbindet und im Jahr 1902 gebaut wurde. Man hat einen herrlichen Ausblick auf Lissabon und den Tejo. Da wir bei einem früheren Besuch Lissabons bereits mit dem Aufzug gefahren waren, zogen wir es vor, zu Fuß Richtung Treffpunkt zu gehen und unterwegs eine Pasteis de Bacalhau – eine portugiesiche Stockfisch-Pastete auf die Hand mitzunehmen. Stockfisch und Kartoffelpüree als Nocken geformt in Öl ausgebacken – sie schmecken uns warm und kalt.

Die Besichtigung des Hieronymus-Klosters auf Portugiesisch: „Mosteiro dos Jeronimos“, seit 1982 UNESCO-Weltkulturerbe hat uns super gefallen. Das Kloster ist nicht mehr als solches aktiv, aber man kann die Spiritualität immer noch spüren. Kunstvolle Architektur, Fliesen die Geschichten erzählen, eine beeindruckende Kirche – ein Besuch lohnt sich und man kann verstehen, warum es selbst um diese frühe Jahreszeit schon Wartezeiten beim Einlass gibt.

Wenige Minuten Busfahrt brachten uns zum Torre de Sao Vicente im Stadtteil Belem. Der Turm wurde zur gleichen Zeit erbaut wie das Hieronymus-Kloster, stand aber zum Zeitpunkt seiner Erbauung mitten in der Tejo-Mündung. Heute liegt er am Ufer des Tejo.

Ein Espresso am Wasser, gemütliches Gemurmel einiger Touristen, aus der Ferne der Klang einer Geige … ein schönes Plätzchen zum Entspannen.

Ein weiterer Stopp am Seefahrerdenkmal rundete den Tag ab. Der 52 Meter hohe Bau wurde 1960, 500 Jahre nach dem Tod von Heinrich dem Seefahrer zu dessen Ehre und zu Ehren vieler Seefahrer, die Portugal den Handel mit Europa ermöglichten, errichtet. Sehenswert ist auch das große Windrosen-Mosaik auf dem Boden vor dem Denkmal. Es zeigt unter anderem eine Weltkarte, auf der die Orte und Routen portugiesischer Seereisen und Entdeckungsrouten zu sehen sind.

Voller Eindrücke freuten wir uns auf die relativ frühe Heimkehr ins Hotel und überlegten, ob wir uns eine Runde Sauna vor dem Abendessen gönnen sollten. Zeit genug war – theoretisch – denn beim Durchzählen vor der Abfahrt fehlte ein Mitreisender. Teresa telefonierte mit allen möglichen Stellen, wir fuhren zwischen den verschiedenen Treffpunkten hin und her – vielleicht hatte er ja etwas missverstanden. Irgendwann tauchte er auf. Mit einem fröhlichen „Tschuldigung“ war für ihn die Sache abgehakt. Leider habe ich Kommentare aufgeschnappt, die in die Richtung „die Gruppe solle sich nicht so anstellen“ gingen. Solche Menschen eignen sich wirklich nicht für eine Reise in einer Reisegruppe!!

Nach einem wieder sehr vorzüglichen Abendessen (leider ohne vorherigen Saunagang) verzogen wir uns auf die Zimmer um früh schlafen zu gehen.

Die Geschichte Portugals begegnete uns immer wieder und ich muss gestehen, dass ich mir nicht merken konnte, wann welcher König welche Kirche oder welches Kloster erbaut hat und deshalb ein Denkmal bekam. Während der Erzählungen von Teresa war es sehr interessant, aber die Fülle der Informationen war letztendlich zu einem Brei in meiner Erinnerung geworden. Da ich den Anspruch an mich habe, dem Leser auch ein wenig dieser Informationen weiter zu geben, bediente ich mich des Internets und will an dieser Stelle in einfacher Kurzform die Geschichte darstellen.

  • Portugal wurde im 12. Jahrhundert als unabhängiges Königreich gegründet.
  • Im 15. Jahrhundert führte Portugal unter der Führung von Heinrich dem Seefahrer zahlreiche Entdeckungsreisen durch, die zur Entdeckung neuer Gebiete und zur Gründung von Kolonien in Übersee führten.
  • Im 16. Jahrhundert wurde Portugal eine bedeutende Seemacht und kontrollierte ein weltweites Imperium, das von Brasilien bis nach Indien und China reichte.
  • In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchlief Portugal eine turbulente Phase mit politischen Unruhen, Diktatur und Revolutionen. Nach1974 verlor Portugal den Rest seiner Kolonien.
  • Seit dem Ende der Diktatur in den 1970er Jahren hat sich Portugal zu einer stabilen Demokratie und einer aufstrebenden Wirtschaft entwickelt.
  • Heute ist Portugal ein Mitglied der Europäischen Union mit interessanter Kultur und Geschichte.

Portugal hatte im Laufe seiner Geschichte viele Könige. Hier sind einige der bekanntesten Könige und ihre wichtigsten Leistungen:

  • König Dom Afonso Henriques: Er war Portugals erster König und gründete das Königreich Portugal im Jahr 1139. Er führte auch erfolgreiche Kämpfe gegen die Mauren, die damals in Portugal lebten.
  • König Dom João II.: Er war ein mächtiger König, der im 15. Jahrhundert regierte. Er förderte die Entdeckungsreisen und die Gründung von Kolonien in Übersee (zu dieser Zeit spricht man allerdings noch nicht von Kolonien…). Er war auch dafür bekannt, dass er seine Feinde schnell und unerbittlich bestrafte.
  • König Dom Manuel I.: Er regierte im 16. Jahrhundert und war während seiner Amtszeit ein großer Unterstützer der Entdeckungsreisen. Unter seiner Herrschaft wurde der berühmte Seefahrer Vasco da Gama zum ersten Europäer, der von Europa nach Indien segelte.
  • König Dom João V.: Er war ein mächtiger König im 18. Jahrhundert und regierte während einer Zeit des Wohlstands und der kulturellen Blüte in Portugal. Er förderte den Bau von prächtigen Palästen, Klöstern und Kirchen und unterstützte auch die Künste.
  • König Dom Pedro IV.: Nach der französischen Invasion Anfang des 19. Jahrhunderts und als sein Vater, König Portugals zurück kehrte, kämpfte er für die Unabhängigkeit Brasiliens und wurde Brasiliens 1. Kaiser. Nach dem Tod des Vaters in Portugal wurde er König Pedro IV. Als Liberaler und nach seinem Sieg über die Absolutisten gab er den Thron Portugals an seine Tochter Maria. Sie wurde Königin Maria II.

Am dritten Tag fuhren wir wieder durch den Berufsverkehr Richtung Lissabon, allerdings dieses Mal über die Vasco da Gama-Brücke, die mit 17,2 km eine der längsten Brücken Europas ist. Den Blick auf die Brücke bzw. zurück auf Lissabon fand ich sehr eindrücklich. Es war gerade Ebbe und wir konnten die Sandbänke erkennen. Bestimmt ist Schifffahrt auf dem Tejo nicht ganz einfach.

Der erste Halt war in Azeitao in einer kleinen Keramikmanufaktur. Auf sehr anschaulicher Weise zeigte uns der Inhaber die verschiedenen Arbeitsgänge, die nötig sind, bis eine kunstvolle Fliese entsteht. Über mehrere Trocknungsvorgänge schrumpft das Naturprodukt kontrolliert auf die gewünschte Größe. Die typischen Azulejos, was etwa „kleiner polierter Stein“ bedeutet, sind in Blautönen gehalten. Manches Mal sieht man auch gelbe oder grüne Bestandteile und kann Rückschlüsse auf das Jahrhundert der Herstellung schließen: blau-weiß-gelb = 17. Jahrhundert, blau-weiß = Anfang 18. Jahrhundert. Ein Highlight war natürlich, dass wir selbst Azulejos bemalen durften. Es gab verschiedene Motive zur Auswahl und wir bekamen eine ausführliche Anleitung – übrigens schon im Vorfeld im Bus von Teresa, somit waren wir bestens vorbereitet. Meine künstlerische Begabung liegt jetzt nicht wirklich im Malen. Trotzdem freue ich mich an meiner Fliese und verbinde eine sehr schöne Erinnerung damit. Fertig gebrannt bekamen wir sie am letzten Tag unserer Reise überreicht.

Der lt. Programm geplante Besuch bei der Cristo-Rei-Statue konnte leider nicht stattfinden. Wegen Bauarbeiten ist sie derzeit nicht erreichbar. Als Ersatz machten wir einen schönen Ausflug nach Cascais, einer Küstenstadt westlich von Lissabon. Cascais ist bekannt für seine schönen Strände und den Jachthafen. Mehrere bekannte Kirchen und Paläste mit wunderschönen Azulejos geben dem Ort ein schönes Flair. Wir genossen eine ausgedehnte Mittagspause mit Zeit zum Bummeln durch die Gassen.

Über die Strandstraße fuhren wir weiter nach Sintra, einem kleinen Städtlein in den Bergen. Größter Anziehungspunkt ist der Königspalast Palácio National de Sintra. Prächtige Holzdecken und wunderschöne Wandverkleidungen mit den Azulejos ließen uns den Reichtum der damaligen Zeit erahnen. Die Kegelschornsteine der großen Küche fallen schon von weitem auf.

Beim Besuch des Palastes fiel mir auf, dass wir doch einige Personen mit Handicap, sprich mit einem oder 2 Stöcken/Gehhilfen in der Gruppe hatten. Die Begehung des Palastes war mit sehr vielen Treppen, unebenen Stufen und Wegen verbunden. Nie hatte ich den Eindruck, dass jemand Rücksicht eingefordert hat. Ich ziehe meinen Hut vor so viel Mut und Disziplin!

Müde und zufrieden kamen wir am frühen Abend ins Hotel nach Ericeira zurück und genossen noch einige Augenblicke die herrliche Brandung – nur mit Augen und Ohren– damit keine Missverständnisse aufkommen *lach. Das Hotel liegt direkt am Meer und man kann sich der grandiosen Naturgewalt nur schwer entziehen. Nach dem Abendessen bereiteten wir unsere Koffer für die Weiterfahrt am nächsten Morgen vor und sanken müde in die Kissen.

Der vierte Tag begann ein wenig früher. Schon um 7.15 Uhr sollten wir unser Gepäck zum Bus bringen, damit wir pünktlich um 7.30 Uhr abfahren konnten. Auf der Fahrt zu unserem ersten Stopp in Nazare hörten wir von Teresa viel über Könige, ihre Kinder und die danach benannten Schlösser und Klöster. Es war sehr interessant zu hören – für mich allerdings nicht zu behalten. Ich habe Probleme, im näheren persönlichen Umfeld verwandtschaftliche Bande zu verstehen.

Vieles behalten kann ich allerdings, wenn es um das Thema Essen geht. So haben verschiedene Klöster ihre Geheimrezepturen zu bestimmten Backwaren. Deshalb gibt es in vielen Städten leckere Gebäcke, die es nur dort gibt. Wir wurden von Teresa darauf aufmerksam gemacht und konnten vieles probieren. Ich muss nicht betonen, dass ich alle, die ich versuchen konnte, sehr lecker fand!

Auch der soziale Aspekt des Klosterlebens hat mich beeindruckt. So konnten sich z. B. Witwen in Klöstern einkaufen und dort in Ruhe ihren Lebensabend verbringen. Zu Kriegszeiten nahmen Klöster Mädchen auf, um sie vor den Kriegsgeschehen zu schützen.

So manche Geschichte über Orte und ihre Namen wurde uns von Teresa nahe gebracht und machten die Fahrt kurzweilig.

In Nazare machten wir Pause und ließen die Landschaft auf uns wirken: ein wunderschöner, weitläufiger Sandstrand der auf einer Seite von einer über 100 Meter hohen Landzunge begrenzt wird. Die meisten Einwohner leben mittlerweile in der Strandregion. Früher war das unklug, denn der Atlantik barg viele Gefahren – nicht nur riesige Wellen, sondern auch Piraten, die leichten Zugang zur Bevölkerung gehabt hätten. Deshalb lebte man früher auf der Anhöhe. Wenn die Stürme und Wetter das Meer heute aufwühlen, verbarrikadieren die Einwohner ihre Häuser mit Brettern. Durch die Möglichkeiten der Technik kann man schon früh gefährliche Wetter erkennen. Nazare zählt zu einer sehr beliebten Urlaubsregion – auch für die Portugiesen. Die Anhöhe ist mit der Strandregion durch eine Bahn verbunden und die Strandpromenade lädt ein zu bummeln und zu genießen.

Auf der einen Seite bedrohliche Naturgewalt und auf der anderen Seite zieht genau diese Situation viele Surfer aus aller Welt an. Zwischen November und Februar gibt es die höchsten Wellen und zieht die Big Wave Surfer*innen von überall nach Nazare. Mit fast 30 Metern wurde die größte Monsterwelle gemessen. Im Februar finden die Weltmeisterschaften statt. Ich habe mir im Internet ein paar Videos angeschaut und bin im Nachgang noch sehr froh, dass sich während unseres Besuches das Meer friedlich präsentierte. Unter Stichwort: „Nazare, Monsterwellen“ kannst du es bei Google anschauen.

Der nächste Halt war in Alcobaca, wo wir das Kloster Mosteiro de Alcobaca besuchten, welches seit 1989 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Es handelt sich um ein ehemaliges Zisterzienserkloster und gehört zu den größten, ältesten und berühmtesten Klöstern des Landes. Gefühlt mitten in der Stadt liegend prägt es diese sehr. Über 250.000 Besucher pro Jahr zeugen von der magischen Anziehungskraft. Eine Klosterbäckerei präsentierte die dortigen Spezialitäten, die so kunstvoll aussahen, dass man sie nur mit Ehrfurcht essen konnte.

Weiter ging es nach Coimbra, einer Universitätsstadt mit besonderem Flair. Rund 30.000 Studenten stillen hier ihren Wissensdurst. Die verschiedenen Studiengänge erkennt man an der Farbe der Kleidung. Die Besichtigung der Universität war ausgiebig möglich, da am Samstag keine Vorlesungen stattfanden. Die Atmosphäre von viel Geschichte und viel Wissen ließ uns ehrfurchtvoll durch die Gänge schreiten. Da die Universität in der Oberstadt liegt, hatten wir einen herrlichen Blick über die Stadt bis ins Umland hinein.

Am Rande bekamen wir einen Brauch mit, bei dem die ersten Semester eine Aufnahmeprüfung bestehen sollten. Wenn ich es richtig interpretiere, sollten die jungen Burschen in Unterhosen eine öffentliche Treppe hinunter gehen – eigentlich ziemlich harmlos und es sah aus, als hätten sie viel Spaß miteinander. Wenn man im Internet recherchiert, ist diese Universität dafür bekannt, viele studentische Traditionen zu pflegen.

In der Mittagspause schlenderten wir durch die Fußgängerzone Coimbra´s. Eine Mitreisende hatte leckeren Frischkäse entdeckt und den ließen wir uns mit einem Brötchen auf einer Parkbank schmecken. So hatten wir etwas mehr Zeit, die Stadt auf uns wirken zu lassen und natürlich die dortigen süßen Leckereien zu probieren.

Ganz anders geartet war unser nächstes Ziel. Aveiro liegt an einer Lagune mit Kanälen, die man mit farbenfrohen Booten befahren kann. Früher wurden diese zur Seetang-Ernte genutzt. Man nennt Aveiro auch das Venedig Portugals. Heute ist Salzgewinnung ein Standbein der Wirtschaft. Schöne Fliesenbilder an den Häusern erzählen Geschichten von früheren Zeiten. Eine süße Köstlichkeit ist hier ein mit einer Eigelbcreme gefülltes Blätterteigtörtchen. Die Eigelbcreme wird mit Wasser und Zucker gekocht. Super lecker und sehr hübsch anzusehen. Die Tradition stammt aus alter Klosterzeit und erfreut heute noch die Sinne. Die übrig gebliebenen Eiweiße wurden zum Stärken beim Bügeln benötigt – vermutlich war es umgekehrt, dass die Eigelbe übrig blieben und verwendet wurden.

Die nächsten beiden Nächte verbrachten wir in einem Hotel in Porto, ein Hochhaus mit 19 Stockwerken. Als wir uns für das Abendessen frisch machten, ertönte ein Feueralarmsignal. Aus vielen Türen schauten Hotelgäste auf den Flur heraus. Aus unserer Reisegruppe waren mehrere Zimmer in diesem Stockwerk belegt. Wir beratschlagten, was klugerweise zu tun ist, denn die Aufzüge funktionierten nicht mehr und telefonisch konnte man die Rezeption nicht erreichen. Wir waren in der 6. Etage untergebracht und entschieden uns, über den Notausgang nach unten zu gehen. Also schnappten wir uns Papiere, Handy und Jacke und liefen hinunter. Dort bekamen wir die Auskunft, dass eine Störung im Wellnessbereich den Feueralarm ausgelöst hätte und bereits alles wieder in Ordnung sei. Hoch konnten wir dann mit dem Aufzug fahren. Ich fand es eine interessante Erfahrung, denn so mancher Gast ließ sich von dem Alarm nicht irritieren. Beim Abendessen am 2. Abend in diesem Hotel war die gleiche Situation wieder. Wir waren allerdings schon beim Essen und ließen uns von der Gelassenheit des Personals anstecken. Wenn es einmal einen echten Notfall gibt, dann bricht Panik aus – weil mancher es aussitzt bis zum Schluss…

Am fünften Tag, einem Sonntag war es möglich, sich aus dem Vormittagsprogramm der Reisegruppe auszuklinken. Diese Möglichkeit nahmen wir gerne wahr. Gegen Mittag machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Leider war das Wetter an diesem Tag ziemlich nass und ungemütlich. Trotzdem hatten wir schöne Einblicke in das sonntägliche Porto als wir durch die schmalen Gassen Richtung Hafen gingen.

Am Nachmittag sollte eine Schifffahrt auf dem Duoro stattfinden. Darauf freute ich mich sehr, hatte aufgrund des Wetters aber gemischte Gefühle. Ich mache es kurz: wir waren froh, als die Fahrt vorbei war *lach. Gegen den Regen waren wir durch eine Plane geschützt, gegen den Wind schützten wir uns mit unseren Regenschirmen. Meinen Schirm habe ich übrigens in Porto am Hafen gekauft *lach – eine Erinnerung. Gottseidank waren wir eine kleine Gruppe, die viel Spaß hatte und die Situation mit Humor meisterte. Wenn ich heute daran zurück denke, sehe ich uns noch auf der Bank sitzen, offene Schirme so sortieren, dass uns wenig Wind erwischt und lachen.

Von den 6 berühmten Brücken und der herrlichen Landschaft links und rechts des Flusses haben wir nicht viel gesehen und es hat uns in diesem Moment auch nicht wirklich interessiert. Es muss ja Gründe geben, nochmal nach Porto zu fahren…

Passend zum Wetter hatten wir zum Abschluss der Douro-Schifffahrt einen Termin in einer Portweinkellerei mit Verkostung. Dort konnten wir uns wieder aufwärmen – innerlich und äußerlich.

Über Portwein und seine Herstellung hatte uns Teresa schon einiges erzählt. Vor Ort Einblick zu bekommen war sehr interessant. Ganz einfach zusammen gefasst ist Portwein ein Weinverschnitt aus jungen und älteren Weinen und hat 19-21 % Alkohol. Die Lagerung hat großen Einfluss auf den Geschmack. In 20.000-Liter-Fässern hat der Wein wenig Kontakt mit dem Holz, der Geschmack ist neutral und die Farbe rubinrot. In 600-Liter-Fässern, wird der Geschmack des Holzes intensiver und die Farbe wird bernsteinfarbig. Seit etwa dem 17. Jahrhundert wird Portwein hergestellt, indem nach Lese und Pressung der Gärprozess mit 80 %igem Brandwein unterbrochen wird. Dadurch bleibt der Zucker im Wein. Die Süße des Endproduktes kann mit der Länge der Gärung gesteuert werden. Ein Portwein-Institut macht Qualitätskontrollen und dokumentiert diese mit Stempeln auf der Flasche. Die beste Qualität ist „vintage“. Dieser Wein hat 10-12 Jahre Lagerung hinter sich. Es empfiehlt sich, diesen zu dekantieren, da sich Satz bildet. Wenn eine Flasche Portwein vintage geöffnet wird, sollte sie innerhalb 24 / 48 Stunden getrunken werden, da der Wein sonst oxidiert. Er eignet sich deshalb für besondere Anlässe. Der Portwein für „normale Gelegenheiten“ ist der LBV = LateBottleVintage.

Der sechsteTag begann regnerisch. Im Bus erzählte uns Teresa viel Interessantes über Portugal, die gesellschaftlichen Strukturen und Sozialabgaben. Das Durchschnitts-Einkommen liegt bei ca. 700 €/Monat. Darüber kann sich jeder selbst seine Gedanken machen. Wir waren in Geschäften und in der Gastronomie und die Preise sind etwas günstiger als bei uns – allerdings bei weitem nicht in diesem Verhältnis…

Als wir an unserem ersten Ziel, in Batalha ankamen, war es wieder trocken und wir konnten das berühmte Dominikaner-Kloster Mosteiro de Santa Maria da Vitoria innen und außen bewundern. Das Kloster ist UNESCO-Weltkulturerbe und wurde im 14. Jahrhundert aufgrund eines Gelübdes zum Dank für den Sieg Portugals über Kastilien errichtet. Über viele Jahrhunderte wurde daran gebaut und es ist bis heute nicht fertig. Was nicht fertig sein soll, hat sich meinem Auge allerdings verschlossen.

06.03.2023 Batalha Kloster
Dominikaner-Kloster Mosteiro de Santa Maria da Vitoria

Fatima war unsere nächste Station. Wir hatten genügend Zeit, diese wichtigste Pilgerstätte Portugals auf uns wirken zu lassen. Der große Platz vor der Kirche war gottseidank nicht so sehr mit Menschen gefüllt, wie man das manches Mal schon auf Fotos gesehen hat. Die Frage, ob wir Menschen gesehen haben, die auf Knien die letzten Meter zur Kirche gerutscht sind, wurde uns schon öfters gestellt: Nein, haben wir nicht gesehen. Wir konnten eine große Spiritualität wahrnehmen und waren beeindruckt wie auch junge Gläubige sehr andächtig waren. Es fällt mir schwer, diese spirituellen Momente in Worte zu fassen, was mir wieder einmal bestätigt: man kann viel lesen und erzählt bekommen – was man selbst erlebt ist etwas anderes. In der Ortschaft Fatima holt einen der touristische Kommerz schnell wieder ein. Madonnenfiguren in allen Farben und Formen werden zum Verkauf angeboten. Das sind bestimmt für die Käufer kostbare Erinnerungen an ihre Pilgertour.

Unser Weg führte uns in der Mitte des Landes vom Norden so langsam Richtung Süden. Sehr verblüfft war ich als ich an den Ufern des Tejo Reisfelder sah. Die hätte ich in Portugal wirklich nicht erwartet. Im Landesinneren sind im Sommer um die 40 Grad. Trotzdem lohnt sich in unmittelbarer Nähe zum Tejo der Anbau.

Das oberflächliche Laienauge sieht auf der Fahrt durch Portugal manches Mal Viadukte in der Nähe von historischen Städten. Teresa klärte uns auf: das sind Wasserleitungen, sogenannte Aqädukte. König Joao V. legte 1799 fest, dass Wasserleitungen auch kunstvolle Bauwerke sein könnten. Zum Teil kann man sie besichtigen.

Wasserleitungen
Äquadukt

Des Öfteren waren auch Störche die Hingucker. Auf Überlandstrom-masten oder auf Baumplantagen waren oft viele Nester zu sehen. Wir erfuhren, dass ältere Störche nicht mehr den Weg nach Afrika auf sich nehmen und in Portugal bleiben. Die Jungen fliegen noch dort hin. Wenn sie zurückkommen, müssen sie sich ein eigenes Nest bauen. Störche leben übrigens monogam.

Auf den Besuch in einer Korkeichenfabrik in Azaruja, in der Nähe von Evola freute ich mich schon im Vorfeld sehr und wurde nicht enttäuscht. Mein Staunen über dieses kostbare Naturprodukt ist noch größer geworden. Eine Korkeiche muss 25 Jahre lang wachsen. Dann wird sie zum ersten Mal geschält mit einer ganz bestimmten Technik und sehr vorsichtig, denn wenn man den Baum verletzt, stirbt er. Nach diesen ersten 25 Jahren wird der Baum alle 9 Jahre geschält. Wenn man durch die Lande fährt, sieht man große weiße Zahlen auf den Bäumen. Diese sagen aus, wann der Baum das letzte Mal geschält wurde. Eine 2 steht z. B. für 2022. Die Schälung darf nur von Mai bis August durchgeführt werden. Danach kann der Baum durch die Hitze Schaden nehmen. Der geschälte Kork wird 1 Stunde lang bei über 100 Grad gekocht um Bakterien zu eliminieren. Dann wird er nach Qualität sortiert. Nach 21 Tagen findet der gleiche Prozess von Kochen und Sortieren nochmal statt. Es wird alles verwendet. Minderwertige Ware wird zu Granulat verarbeitet und dämmt gut gegen Feuchtigkeit, Lärm und Temperatur. Im zur Korkeichenfabrik angeschlossenen Geschäft konnten wir bewundern, was man alles aus Kork machen kann.

Die Früchte der Korkeiche sind übrigens normale Eicheln. In Portugal macht man daraus u. a. Eichelmehl für Brot. Eicheln werden auch an bestimmte Schweinerassen verfüttert.

Wenn ich diesen langwierigen Prozess der Korkherstellung betrachte, dann blutet mir noch mehr das Herz, wenn ich im Sommer brennende Berghänge in Portugal sehe. Die Natur hat es so eingerichtet, dass der Baum über die Wurzeln immer wieder austreibt.

Weitere Baumbestände sind Pinienbäume. Mit ihren tiefen Wurzeln verfestigen sie den Sandboden. Pinienkerne dürfen übrigens nur Dezember bis März gesammelt werden, damit sich die Bäume gut entwickeln können. Bei dieser Fahrt, aber auch schon früher fand ich die Pinienwälder immer sehr einladend. Im Sommer im Schatten von Pinienbäumen ein Picknick zu machen stelle ich mir sehr schön vor.

Seit geraumer Zeit vermehren sich auch Eukalyptusbäume in Portugal. Diese wachsen in Monokultur und ihre Samen überleben auch bei Waldbränden ohne Probleme. Sie sind schneller in ihrem Wachstum als andere Pflanzen. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die Industrie mehr Vorteile im Anbau von Eukalyptus sieht, als im Anbau der traditionellen Bepflanzung mit Korkeiche und Pinien. 

Unser Hotel in Evora bot wieder alles, was das Herz begehrte und so konnten wir die Eindrücke des Tages verarbeiten und uns auf die Weiterreise vorbereiten.

Der siebte Tag begann mit mystischem Nebel in Evora, der uns anfangs auf unserem Stadtspaziergang begleitete. Mir hat diese Stimmung gefallen und sie passte auch gut zu den historischen Gebäuden, die wir betrachteten, wie den römischen Tempel von Evora. Die mittelalterliche Kathedrale von Evora ist eines der wichtigsten Denkmäler der Stadt. Mit herrlichem Innenhof und einem gotischen Kreuzgang bleibt sie in meiner Erinnerung. Die Sonne zeigte sich zum Abschied von Evora und so konnten wir fröhlich weiter zu unserem nächsten Ziel fahren.

Ab und zu hörten wir die eine und andere Stimme, die so langsam von Kirchen und Klöster satt waren. Jo, irgendwie konnte ich es verstehen und trotzdem ist jede Geschichte wieder anders und interessant. Außerdem sollte man das Programm für die Reise anschauen – genau so hatten wir es gebucht.

Gebucht hatten wir auch einen Besuch in einer Olivenölmanufaktur. Auf dem Weg dorthin sahen wir große Plantagen mit blühenden Mandelbäumen. Seit etwa 4 Jahren werden Mandelbäume angebaut, sind also ganz neu in Mode. Die Bäume blühen erst und dann kommen die Blätter – das wusste ich auch nicht. In der Pfalz in Deutschland blühen die Mandelbäume erst im Mai, an der Algarve sogar schon im Januar.

Viele Landgüter haben eine Olivenmanufaktur und gleichzeitig auch eine Weinmanufaktur. So können die Mitarbeiter das ganze Jahr beschäftigt werden.

6-7 kg Oliven ergeben etwa einen Liter Olivenöl. Nicht filtriertes Olivenöl ist intensiv grün und hat ca. 0,2 % Säure. Oliven werden von November bis Januar gelesen. Grüne Oliven sind nicht reif. Reife Oliven sind schwarz und schmecken bitter, würde man sie direkt vom Baum essen wollen. Deshalb werden sie in Wasser und Salz eingelegt.

Geerntet wird traditionell indem man Tücher unter die Bäume legt und den Baum schüttelt oder die Äste schlägt. Die herunter gefallenen Oliven können so sauber gelesen werden.

Wenn man in größerem Stil Oliven anbaut, pflanzt man die Bäume enger zusammen. Ähnlich wie im Weinanbau kann man dann die Oliven mit Maschinen ernten, indem man mit einem kleinen Traktor durch die Reihen fährt und die Oliven ansaugen lässt. Wenn die Olive keinen Kontakt mit dem Boden hat, wird eine Verunreinigung durch Erde vermieden, was eine bessere Qualität zur Folge hat. Die Oliven werden gewaschen, die Blätter entfernt und kommen dann in eine Mühle. 14.000 kg Oliven kann die Mühle in einer Stunde verarbeiten. Das Öl fließt während dieses Vorgangs schon ab und die erste Pressung ist fertig. Übrig bleiben das Fleisch und die Kerne. Diese bilden eine Paste, die in lauwarmen Wasserbad bewegt wird. Es entsteht die kalte Pressung, die in großen Stahlbehältern aufbewahrt wird.

Die restliche Paste – ohne die kleinen Kerne, die werden herausgesiebt – wird an Firmen verkauft, die sie weiter verarbeiten. Zwei bis dreimal kann noch Olivenöl herausgeholt werden, das in seiner Qualität aber nicht mehr gut ist. Als Seife, Creme, Futter, Dünger findet bis zum Schluss alles seine Verwendung. Die Kerne werden für die Heizung benutzt.

Tipps für die Aufbewahrung von Olivenöl gab’s vom Chef persönlich: im Kühlschrank flockt gutes Olivenöl aus. In Glasflaschen verändert es seine Farbe, wird gelb und schmeckt schnell ranzig. Also nicht in den Kühlschrank geben und darauf achten, dass die Flaschen aus dunklem Glas sind.

Auf einem Rundgang durch den Garten sahen wir einen Erdbeerbaum. In Portugal wird daraus Schnaps (Medronho) und Likör gemacht. Auch mit dem Verzehr der Früchte sollte man vorsichtig sein, denn sie gären im Magen und man kann davon betrunken werden.

Auch einen Pfefferbaum sahen wir. Interessant, die Pfefferkörner am Baum zu sehen. Wenn man ein Blatt reibt, riecht es wie schwarzer Pfeffer.

Die Verkostung von Olivenöl, Wein und Mandeln war sehr ansprechend gestaltet und wir fuhren fast wie Freunde vom Hofgut weiter.

Gegen 16 Uhr kamen wir an der Algarve in Lagos an und nutzen die Zeit bis zum Abendessen trotz leichtem, aber warmen Regen für einen schönen Strandspaziergang.

07.03.2023 Lagos im Regen

Das Hotel liegt direkt am Strand und ließ wieder keinen Wunsch offen. Ein Teil der Reisegruppe hatte eine Verlängerungswoche gebucht und wir freuten uns mit ihnen, dass sie es so schön hatten und auch die Wetteraussichten perfekt waren.

Bevor es an´s Abschied nehmen ging, verbrachten wir am achten Tag noch ein paar schöne Stunden miteinander. In Sao Goncalo de Lagos bewunderten wir die herrliche Aussicht an einem Aussichtpunkt und konnten einen vorsichtigen Blick auf die unter uns liegenden Grotten werfen. Einige Teilnehmer nutzten die Gelegenheit und gönnten sich am Nachmittag eine Grottenfahrt. Wir erlebten diese schon vor ein paar Jahren und schwärmen immer noch.

08.03.2023 Postkartenmotiv
Postkartenidylle

Wir fuhren an den südwestlichsten Punkt Europas, nach Sagres. Die wilde Natur, die sich den Naturgewalten stellen muss, beeindruckt mich bei jedem Besuch. Die Festung liegt 60/70 Meter über dem Meer und wurde von englischen Piraten zerstört. Die kleine Capela de Nossa Senhora da Graça (Gnaden Kapelle) blieb unversehrt. Der Altar hat wunderschöne Fliesen.

Übrigens war trotz starkem Wind, wie er an dieser Stelle der Welt wohl normal ist, die Temperatur so, dass Kurzarm angesagt war – so schnell kann das gehen *lach.

Die Reise ging weiter zum Cabo de Sao Vicente und wir sahen den lichtstärksten Leuchtturm des europäischen Festlands.

08.03.2023 Sao Vincent Leuchtturm

Auf dem Rückweg machten wir noch eine kleine Stadtführung in Lagos und bekamen von Teresa Informationen über das eine und andere Denkmal sowie Instruktionen, über Busverbindungen, öffentliche Toiletten, und einige praktische Hinweise, die besonders für die Teilnehmer, die eine Verlängerungswoche gebucht hatten, hilfreich waren.

Unser neunter und letzter Tag war wieder ein wenig verregnet. Die Fahrt Richtung Lissabon bzw. Ericeira unterbrachen wir in Monchique zu einem Spaziergang in strömendem Regen. Ich gehörte eigentlich zu der Fraktion, die im Bus bleiben wollte, bin dann aber doch kurzfristig in die Regenjacke gesprungen und habe den Spaziergang mitgemacht. Gottseidank, denn es war richtig interessant und schön. Aus dem Monchique-Gebirge kommen Heilwässer, die in ganz Portugal verkauft werden. Man kann dort auch in Thermalwasser baden. Wir sahen Johannesbrotbäume, Mispelbäume, riesige Flächen mit Kapuzinerkresse, Cistrosen, einen stattlichen Gummibaum und vieles mehr.

09.03.2023 Regenspaziergang Caldes
Es war trotzdem schön!!

Der nächste Stopp in Silves verlief trocken und wir konnten entspannt die Festung besuchen und unsere Mittagspause genießen – mit „draußen essen“ *lach. Wir waren schon öfters in Silves und hatten deshalb nicht den Anspruch vieles anzuschauen.

Am späten Nachmittag kamen wir wieder in Ericeira, unserem ersten Hotel der Rundreise an. Diesmal hatten wir ein Zimmer mit Balkon und Meerblick und wir konnten uns nicht an der Brandung satt sehen. Das Meer hatte sich zum Abschied nochmal richtig ins Zeug gelegt *freu.

Am Morgen der Heimreise klappte auch alles wie am Schnürchen, wir wurden zu ziviler Zeit am Hotel abgeholt. Am Flughafen Lissabon wartete ein netter junger Mann und brachte uns zu unseren Gates. Im Nachgang bekam ich mit, dass bei einem Teil den Teilnehmer der Verlängerungswoche Probleme mit Streiks am Flughafen in Deutschland auftraten und der Reiseveranstalter deshalb kurzerhand den Urlaub um einen Tag verlängerte, damit die Urlauber ohne widrige Umstände nach Hause kamen.

Mein persönliches Fazit ist, dass mir das Inland von Portugal sehr viel mehr gefällt als die Algarve. Ich bin nicht der Mensch, der gerne stundenlang am Strand liegt und ich finde die hübschen kleinen und größeren Städtchen, die wir besuchten sehr ansprechend. Mit dem Wohnmobil hätten wir mehr Zeit …. * lach

Ein herzlicher Dank geht an Teresa, die uns mit viel Begeisterung für Geschichte und Geschichten immer wieder gut unterhielt und informierte und auf alle Belange der Gruppe und Einzelner einging, soweit es möglich war.

Ein herzlicher Gruß geht auch an unsere Mitreisenden. Jeder konnte seinen Urlaub individuell gestalten. Erst an den letzten beiden Tagen sind wir alle – so meine Beobachtung – ein wenig „aufgetaut“ und haben uns ausgetauscht.

Sehr interessant fand ich die Möglichkeit, Einblick zu bekommen, wie es sein kann, wenn man ein halbes Doppelzimmer bucht – bei den einen sehr positiv und bei anderen sehr negativ. Ich habe des Öfteren schon die Angebote gelesen und mich gefragt, wie so etwas abläuft. Mit gutem Willen und Rücksichtnahme von beiden Seiten kann das offensichtlich gut funktionieren.

Als abschließenden Kommentar kann ich diese Reise uneingeschränkt weiterempfehlen!

Die nächste Reise steht in den Startlöchern. Als nächstes wollen wir wieder mit dem Wohnmobil schöne Erfahrungen an Orten machen, die wir noch nicht kennen… wir sind gespannt und du kannst es auch sein *lach

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2019.08._Kurztrips und viele Kilometer mit dem Wohnmobil

Rund um Geburtstage in der Familie und im Freundeskreis bauten wir zeitlich kürzere Routen. Wir lernten den Stellplatz Dörpershöhe bei Remscheid kennen – eigentlich ein Wanderparkplatz, auf dem man mit dem Wohnmobil stehen kann, wenn man denn autark stehen kann.

Auf dem Campingplatz Bad Gandersheim genossen wir ein paar schöne Stunden beim Grillen, Schwimmen, Minigolf spielen und vor allem mit der Familie.

In der Nähe von Großkarlbach feierten wir in einem Wingertsheisel (in einer Weinbergshütte) die Geburtstage von und mit Freunden und freuten uns wieder einmal an der Flexibilität des Wohnmobilisten, denn wir konnten direkt an der Hütte übernachten und mussten uns abends nicht in ein Hotel oder eine Pension bringen lassen. Die Atmosphäre am Morgen nach so einem Fest, finden wir auch schön. Es wird aufgeräumt und man kann die Gespräche und Begegnungen noch einmal Revue passieren lassen. Die Helfer genossen noch eine nette Zeit miteinander, bis der nächste Mieter der Hütte den Platz beanspruchte. Das scheint ein sehr begehrtes Feierplätzchen zu sein – kein Wunder! Es liegt abgelegen, alles was man braucht ist vorhanden und landschaftlich ist es einfach traumhaft schön, mitten in den Weinbergen mit Weitsicht ins Pfälzer Land.

Es bot sich an, im Nachbarort Bissersheim (vermutlich hätten wir das ohne diesen Geburtstag niemals gefunden) das „Fest der offenen Höfe“ zu besuchen. Winzer, Landwirte und Gastronomen hatten ihre Pforten geöffnet und boten ihre Köstlichkeiten an. Die Stimmung im gesamten Ort war von einer gemütlichen Leichtigkeit getragen und wir erlebten mit unseren Freunden nochmals ein paar wunderschöne Stunden.

Auf dem Heimweg verbrachten wir einige Nächte auf dem uns schon bekannten Stellplatz in Lorsch. Zum Frühstück war eine in der Nähe wohnende Freundin da und wir freuten uns über die Möglichkeit des ziemlich spontanen Zusammenseins.

Wieder einmal wurde ein Enkel eingeschult und wir feierten dieses für ihn markante Ereignis mit ihm und der Familie.

Eine Wanderung in Bensheim mit Freunden, die wir auch nicht oft sehen können rundete diese Tour ab. Das Fürstenlager und das Kirchberghäuschen in Bensheim sind Tipps, die wir für Spaziergänge oder Wanderungen – je nachdem wie man das möchte – gerne geben. Wunderschön gelegen, geschichtsträchtig, sehenswert und nach unserem Geschmack immer wieder einen Stopp wert.

Wenn man gerne Eis isst und im kleinen Gefrierfach im Wohnmobil Platz hat, sollte man unbedingt in Heppenheim die Autobahn verlassen und sich im Fabrikverkauf der Firma Langnese mit Eis eindecken. Wir haben mittlerweile den Trick raus, bzw. ein Auge dafür, wieviel Eis ins Gefrierfach passt. Jahrelanges Tetris-Training hilft dabei. Der kleine Umweg lohnt sich.

Etwas verrückt (für unsere Maßstäbe) war der nächste Ausflug. Nach wenigen Tagen zu Hause zum Wäsche waschen und Besuch beim Frisör fuhren wir für 5 Tage nach Hamburg. Nein, kein Besuch in irgendeinem angesagten Musical, sondern ein Seminar, das uns damals als wichtig erschien.

Auf dem Stellplatz in Bad Nauheim verbrachten wir die Nacht (da haben wir schon öfters auf dem Weg gen Norden übernachtet), bevor wir am anderen Morgen weiter Richtung Hamburg fuhren. Sehr angenehm überrascht waren wir von dem Stellplatz Elbepark-Bunthaus, auf dem wir noch ohne Reservierung einen Platz bekamen. Das sei eine glückliche Ausnahme wurde uns gesagt. Man kann einen herrlichen Spaziergang zu einem Leuchtturm machen.

Der Stellplatz liegt nahe am Wasser, ist umgeben von viel Natur und doch ist die Großstadt ganz nahe – das gefiel uns Landeiern gut! Mit dem Bus kommt man direkt vom Stellplatz in die Innenstadt und wir nutzten unseren Ausflug zu einer Besichtigungsrundfahrt mit dem Hopp-on-Hopp-off-Bus und zu einer Hafenrundfahrt mit einem Abstecher in die Speicherstadt. Hamburg: wir kommen wieder! Dann allerdings mit mehr Zeit!!!

In der Nähe von Lüneburg wurden wir zum Mittagessen bei lieben Menschen erwartet und das erleichterte uns den Abschied von Hamburg – und, was soll ich sagen: Lüneburg ist auch wunderschön.

Wir sollten unsere Reisen strukturierter planen, denn so ist das ja fast stressig: überall ist es schön und überall muss man zu schnell weiter….

Auf dem Heimweg zeigte uns die Stellplatz-App einen netten Stellplatz in der Nähe von Kassel an, den wir zur Übernachtung anfuhren. Er befindet sich auf dem Gelände einer Jugendherberge und – so schnell kann man eigentlich gar nicht denken – waren wir wieder in einer ganz anderen Welt. Diese Welt gefiel uns auch. Den jungen Leuten wird viel geboten an Sport und Spiel und es hatte den Anschein, dass ihnen ihr Aufenthalt gefiel.

Einen Ruhetag gönnten wir uns noch unterwegs. Wir haben festgestellt, dass es uns gut tut, noch einen letzten Tag gemütlich im Wohnmobil, ohne neuen Input die Reise Revue passieren zu lassen. Bei einem Besuch auf dem Wochenmarkt in Friedberg deckten wir uns mit allem ein, was man so braucht für einen entspannten Abend mit leckerem Essen und auf dem Stellplatz in Ladenburg fanden wir noch ein freies Plätzchen, sodass wir unseren Plan ausleben konnten.

Auf dem relativ kurzen Nachhauseweg kreisten die Gedanken schon um den nächsten Urlaub. Mal schauen, was uns wieder einfiel … nach der Reise ist vor der Reise …

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2022.08_Skandinavien

Schon seit geraumer Zeit liebäugelte ich mit einer Reise nach Skandinavien. Gerne wollte ich die Länder mit dem Wohnmobil bis ans Nordkap bereisen und mit viel Zeit die Schönheiten dieser Länder genießen. Meinem lieben Mann grauste vor den vielen Kilometern, die gefahren werden müssten. So drehten sich unsere Gespräche immer im Kreis – bis eines Tages ein Newsletter ins E-Mail-Postfach flatterte und eine Reise angeboten wurde: mit dem Bus in 12 Tagen ans Nordkap und zurück. Da war er, der Kompromiss, der für uns beide gangbar war!

In der Vorbereitung lasen wir einiges und beschäftigten uns mit der Reise. Die vielen Kilometer innerhalb sehr kurzer Zeit waren uns bewusst und die Vorfreude enthielt deshalb eine gewisse Spannung. Macht das der Rücken mit? Wird das langweilig? Man kann sich ja verrückt machen, wenn man das möchte.

Endlich ging es los. Um 2.55 Uhr aufzustehen ist grundsätzlich gegen meinen Biorhythmus und bis dahin zu schlafen war mir nicht möglich. Das konnte ja heiter werden: so eine Reise völlig unausgeschlafen anzutreten. Wir wurden in Pforzheim mit dem Bus abgeholt. Noch 2 weitere Paare stiegen zu. Wie sich später herausstellte, waren darunter die ältesten Teilnehmer der Gruppe mit 82 und 84 Jahren. Zunächst waren wir erst mal mit uns selbst beschäftigt. bzw. ich mit mir. Zeit zum Schlafen im Bus wäre gewesen, aber wir waren viel zu neugierig auf das was kommt. In den kommenden Stopps stiegen Mitreisende zu und in Darmstadt war der Bus voll. Ich hatte mir das ziemlich blöd vorgestellt, in jedem Dorf zu halten und Leute einsteigen zu lassen. Das war es definitiv nicht. Die 6 Stopps waren gut verteilt und die Reise zu unserer ersten Übernachtung nach Hamburg konnte unkompliziert weiter gehen.

unser Bus
Unser Bus und Hauptaufenthaltsort für die nächsten 12 Tage

In Hamburg wurden wir bereits vom Reiseleiter unseres Reiseveranstalters erwartet. Wir erfuhren, dass 2 Busse die gleiche Tour machten. Der andere Bus sammelte die Leute von Freiburg bis Karlsruhe ein. Ab und zu gäbe es Berührungspunkte der beiden Busse, aber normalerweise sei jeder Bus eine eigenständige Gruppe. Es gab Informationen über die Reise und Dinge, die beachtet werden sollten, wie z. B. dass es in Skandinavien Diebstahl ist, wenn man etwas vom Frühstücksbüfett mitnimmt. In aller Regel kommt die Polizei und man bekommt eine Anzeige und eine Geldstrafe wird fällig (unsere Reiseleiterin erlebte so eine Situation schon einmal auf einer früheren Reise). Auch an die Pünktlichkeit wurde appelliert, da die Reise zeitlich straff geplant sei. Wir lernten unsere Reiseleiterin Bärbel kennen und nach einem leckeren Abendessen vom Bufett und einem kleinen Spaziergang rund um das Hotel fielen wir ziemlich k. o. ins Bett.

2022 Map 09

Tag 2 fing ziemlich früh an: ab 5.30 gab es Frühstück im Hotel und die Abfahrt war auf 7 Uhr fest gelegt. Unser Busfahrer gab uns die Order, jeden Morgen 10 Minuten VOR Busabfahrt am Bus zu sein, da er Zeit brauchte, die Koffer einzuladen. Mein Gefühl war, dass die Zeit langsamer läuft. Ruckzuck waren wir in Puttgarden und fuhren mit der Fähre nach Rödby in Dänemark. Auf unserer Fahrt durch Dänemark erhielten wir immer wieder interessante Informationen von unserer Reiseleiterin. Die Fahrt über die Insel Lolland, durch den Guldborgtunnel zur Insel Falster und über die größte dänische Insel Zealand war sehenswert. Ich wusste schon, dass es in Dänemark viele Inseln gibt, aber in meinem Kopf war Dänemark der Zipfel oberhalb von Flensburg. Schon jetzt war mir klar, dass sich die Reise lohnt, denn ich war es zu diesem Zeitpunkt und bin es immer noch: sehr begeistert von den schönen Landschaften Dänemarks.

Kurz vor Kopenhagen machten wir Mittagspause und sollten vom Busfahrer versorgt werden. Dieses erste Mittagessen ging ziemlich in die Hose (Name: Nudelsuppe, Fakt: braunes Wasser ohne alles – und geschmeckt hat es auch nicht wurde uns berichtet). Helmut und ich merkten es gottseidank noch rechtzeitig und versorgten uns an der Rastplatz-Gastronomie mit einem leckeren Baguette. Der Busfahrer Eberhard entschuldigte sich später für die missglückte Kulinarik. OK, so etwas passiert, aber wir waren wachsam. Lecker Essen gehört zu einer gelungenen Reise dazu und wir waren gespannt, wie das weiter geht.

Als nächstes machten wir eine Stadtrundfahrt in Kopenhagen. In den knapp 2 Stunden erfuhren wir sehr viel über die Geschichte Kopenhagens, das Königshaus und Hygge, die dänische Gemütlichkeit. Wir standen vor Schloss Amalienburg, bewunderten die kleine Meerjungfrau, sahen die Börse, den Tivoli und das neue Opernhaus. Mich begeisterten die ausgebauten Fahrradwege und die Möglichkeiten, die Fahrradfahrern geboten sind. Neben den Radwegen gibt es extra abgetrennte Bereiche für Fußgänger. Mit meiner Begeisterung konnte ich leider nicht anstecken, denn wir wurden mehrfach darauf hingewiesen, wie gefährlich man als Fußgänger lebt. Die Radler seien ziemlich rücksichtslos unterwegs. Gegenseitige Rücksichtnahme ist vermutlich überall auf der Erde ein Thema. Um mir ein eigenes Bild zu machen, fehlte leider die Zeit – ein Grund, noch einmal herzukommen. 

Auf der Küstenstraße fuhren wir den Öresund entlang nach Helsingör um mit der Fähre nach Helsingborg in Schweden überzusetzen. Die Fähre fährt an Schloss Kronborg vorbei. Dort soll Shakespeare zur Handlung in Hamlet inspiriert worden sein. Man nennt es deshalb auch das Hamlet-Schloss.

In der Region Smaland in Alvesta übernachteten wir in einem kleinen gemütlichen Hotel. Das Abendessen war lecker und mit den vielen Eindrücken in uns hatten wir keine Einschlafschwierigkeiten.

2022 Map 10

Tag 3 fing auch wieder früh an: ab 6 Uhr Frühstück, Abfahrt 7 Uhr. Von den 3 Paaren, die in Pforzheim zugestiegen waren, verstanden wir uns von Anfang an sehr gut mit Manuela und Ingo. Sie saßen auf den Plätzen vor uns im Bus und wir teilen u. a. den gleichen Humor. Ingo und Helmut frühstücken gerne lang und ausgiebig. Die beiden waren von der kurzen Frühstückszeit etwas gestresst: musste doch in relativ kurzer Zeit ziemlich viel an Nahrung aufgenommen werden, damit es bis zur Mittagspause reichte. Zwar waren wir mit Keksen etc. versorgt, aber das war nicht wirklich zufriedenstellend.

Wir fuhren den Vätternsee entlang, der ca. 3,5 x so groß wie der Bodensee ist. In Gränna hielten wir bei einer Zuckerfabrik und ich brauchte viel Disziplin, meinen Einkauf in Grenzen zu halten. Da wir vorher von Bärbel schon die Geschichte der Zuckerfabrik erfahren hatten, schauten wir mit anderen Augen darauf. Nur in Kurzform: aus der Not geboren von einer Mama, die ihre Kinder irgendwie durchbringen wollte und vom Erfolg der Geschäftsidee überrascht war. Ein jeder kennt bestimmt die rot-weißen Zuckerstangen, die man z. B. an den Weihnachtsbaum hängen kann…. Die kommen hier her!

Zuckerfabrik in Graenna scaled e1667652545838

Apropos Einkauf, außer in Finnland konnte man nirgendwo mit Euro bezahlen, aber mit EC-Karte. Selbst kleinste Beträge waren kein Problem mit der Karte. Wir brauchten in keinem Land Geld umtauschen.

Die Mittagspause verbrachten wir in Berg am Götakanal. Darüber hatte ich wenige Wochen zuvor eine tolle Dokumentation im TV gesehen und stellte fest: in echt ist es noch viel schöner!!! Ein Wohnmobilstellplatz neben unserem Bus-Parkplatz ließ mir ein wenig das Herz bluten…. Der Götakanal ist 190 km lang und hat einen Höhenunterschied von 91 Metern, der mit 57 Schleusen ausgeglichen wird. Ein geschichtsträchtiges Bauwerk in herrlicher Landschaft.

Mit Hackbällchen, Soße und Brötchen versöhnte uns Eberhard übrigens mit dem missglückten Mittagessen vom Vortag.

Wer meint, das wäre alles nicht zu toppen, der hat noch keine Stadtführung in Stockholm gemacht. Als Überschrift kann man setzen: eine tolle Stadt. Eine Stadt, die auf 14 Inseln liegt, die durch mehr als 50 Brücken verbunden sind. Wir konnten die Wachablösung am Schloss erleben (muss man gesehen haben, auch wenn ich eigentlich drüber lachen muss, weil es so aus der Zeit gefallen wirkt), durch die Altstadt gehen und einen Eindruck vom Flair der Stadt mitnehmen. Quirlig, traditionell, architektonisch interessant und vieles mehr trifft auf Stockholm zu. Auch der Begriff teuer passt: Grundstücke kosten wohl zwischen 8.000 und 12.000€/qm.

In Stockholm aßen wir zu Abend, da wir um 19 Uhr über Nacht mit der Fähre durch das Schärenmeer nach Turku in Finnland fahren wollten. Vor dieser Überfahrt war mir ein wenig bange, da Innenkabinen gebucht waren und ich unter Platzangst leide. Gottseidank konnte ich es aus meinen Gedanken ausblenden, wo sich die Kabinen befanden und hatte sogar einen angenehmen Schlaf in der minikleinen Kabine.

Den Abend verbrachten wir an Deck bei herrlichem Wetter und später erhaschten wir noch einen Blick auf den fast vollen Mond. Diese Bilder haben sich mir ganz tief eingeprägt – soo schön!! Man merkte übrigens bereits, dass es später dunkel wurde, weil wir schon ziemlich weit im Norden waren und wir musste den Tag aus Vernunftgründen nach der Uhr beenden.

2022 Map 11

Der vierte Tag begann richtig gut! Frühstück auf der MS Galaxy am Panoramafenster bei der Einfahrt in den Hafen von Turku, der ältesten Stadt in Suoni – das heißt Finnland. Das Frühstücks Bufett ließ keinen Wunsch offen, das Ambiente war traumhaft – auch dieser Tag konnte nur super werden! Über die Uhrzeit des Frühstücks reden wir gar nicht mehr: 6 Uhr und um 7 Uhr war Abfahrt. Der Bus wartete außerhalb der Fähre auf uns, da im Bauch der Fähre kein Platz zum Ein- und Aussteigen war.

Angeberwissen: Finnland hat etwa die Größe von Deutschland, allerdings mit 5,5 Mio. Einwohnern. Diese leben überwiegend im Süden des Landes. Im Norden leben ca. 0,5 Einwohner auf einem Quadratkilometer. Man nennt Finnland auch das Land der tausend Seen. Als See darf sich allerdings erst eine Wasserfläche von 5a nennen. Ca. 86 % Finnlands sind Waldfläche und ab September ist mit Schnee zu rechnen.

Um kurz nach 10 Uhr erreichten wir bereits Helsinki. Wieder stieg eine sehr nette Stadtführerin zu und brachte uns ihren Lebensraum nahe. Mittelpunkt in Helsinki ist der schneeweiße Dom mit seinen türkisenen Kuppeln. Viele Künstler verwirklichten sich hier und geben der Stadt ein schönes Bild. Wir machten am Fußballstadion eine kurze Pause, und stellten fest, dass am Abend vorher ein Fußballspiel von Eintracht Frankfurt gegen Real Madrid stattgefunden hatte. Die Fußball-Interessierten waren ziemlich elektrisiert. Wir fuhren am Opernhaus vorbei, standen am Denkmal von Paavo Nurmi, einer Läuferlegende und bewunderten eine Skulptur von Passio Musicae, der 1967 verstarb. Lustig ist auch die Idee, in einem Riesenrad eine Saunakabine zu installieren, die man buchen kann. Ein kleiner Sprachkurs in finnischer Sprache kam im Bus sehr gut an und wir übten fleißig ein paar einfache Worte, z. B. Bussikuski für Busfahrer oder yksi (eins), kaksi (zwei), kolme (drei), kippis (Prost) und natürlich kiitos (danke).

Mich beeindruckten die Ausführungen der Stadtführerin zur finnischen Lebensart. Auf dem Glücksatlas steht Finnland auf Platz 1. Sie nannte als Grund dafür, dass die Finnen ein zufriedenes Volk sind und sich als Gemeinschaft empfinden. So weiß jemand, wenn er Müll in die Landschaft wirft, dass ein anderer aus seiner Gemeinschaft diesen wegräumen muss und unterlässt es. Man ist zufrieden mit der Regierung und den Gegebenheiten, die das Leben mit sich bringt. Was geändert werden sollte wird diskutiert und dann findet man eine Lösung, mit der wieder alle zufrieden sind. Ich finde, daran kann man sich eine große Scheibe abschneiden, besonders, wenn man aus einem Land kommt, in dem Nörgeln und Besserwissen chic sind.

Die Mittagspause war ebenfalls nach unserem Geschmack: eine ganze Stunde Zeit auf einem Markt am Hafen von Helsinki und man konnte finnische Leckereien probieren. Wir sahen einige Frankfurt-Fans mit ihren Koffern. Sie nutzten den Ausflug zu ihrem Verein auch dazu, ein wenig von der Stadt zu sehen. Der Platz, an dem die Helsinkier feiern liegt ebenfalls am Hafen. Mitten auf dem Platz steht ein Brunnen mit einer nackten Dame als Bronzestatue. Wir hörten einige lustige Begebenheiten zu dieser Statue und rund um den Brunnen.

Weniger lustig ist die Tatsache, dass im Hafen einige große Schiffe als Eisbrecher bereit stehen. Da Finnland nichts vom Golfstrom abbekommt, frieren die Wasserstraßen recht schnell zu.

Zur Kaffeezeit erreichten wir Lahti, eine durch den Wintersport sehr bekannte Stadt. Im Sommer ist der Auslauf der großen Schanze ein großes Freibad. Doppelte Nutzung ist eine gute Idee!! Überhaupt ist Lahti eine heimliche grüne Hauptstadt, weil schon sehr früh wirtschaftliches Wachstum mit Umweltschutz verbunden wurde. Wieder etwas, von dem andere Länder lernen können.

In Finnland werden übrigens viele Rastplätze an der Autobahn bzw. Hauptverkehrsstraßen mit Supermärkten bereichert. Wir fanden das super, denn so konnten wir uns immer wieder mit frischem Obst und Keksen o. ä. eindecken.

Eine Weile genossen wir noch die Fahrt durch die finnische Seenplatte und übernachteten in einem tollen Sport & SpaHotel in Leppävirta.

Ein ganz spezielles Thema möchte ich nur kurz anreißen: Pippi-Pausen. Alle 2 – 2,5 Std. gab es einen Stopp zu diesem Thema mit klaren Hinweisen, wo sich die Toiletten befanden. Für dringende Notfälle stand uns die Toilette im Bus zur Verfügung. Aus Erfahrung kann ich sagen, das funktioniert auch! In Deutschland sind die Toiletten kostenpflichtig in den anderen Ländern nicht! Wir fanden immer saubere Örtchen vor – geht also auch ohne Kosten….

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Der fünfte Tag hatte wieder ein pralles Programm und versprach in der Vorschau Höhepunkte der Reise.

Zunächst war „ausschlafen“ angesagt: Abfahrt war erst um 7.30 Uhr – man wird bescheiden.

Ein erster Stopp im Glockenmuseum in Pyhäjärvi ließ uns über die Menge der ausgestellten Glocken in allen Größen staunen. Natürlich ließen wir die eine und andere Glocke erklingen und hatten unseren Spaß dabei.

Vorbei an Oulu, der größten Stadt Nordfinnlands mit 200.000 Einwohnern wurden wir an den östlichsten Punkt der Ostsee, im Bottnischen Meeresbusen in Finnland gefahren.

Herrliche ursprüngliche Landschaft und ein rauer Wind begeisterten uns und wir ließen uns das „Dreigangmenü“ Brötchen, Wurst, Senf zur Mittagszeit schmecken. Mit einem Blick auf die Landkarte wurde das Staunen immer größer, denn wir waren schon ganz schön weit im Norden unterwegs.

Die Zeit drängte und so ging es zeitnah weiter Richtung Polarkreis und der Heimat des Weihnachtsmannes in Rovaniermi. Ja, alles ist touristisch aufgezogen, aber trotzdem kam das Kind in den meisten hervor. Die Taufe zur Polarfrau bzw. zum Polarmann war lustig und ein Besuch beim Weihnachtsmann weckte Gefühle aus frühen Kindheitstagen. Den Auswirkungen der Pandemie war es geschuldet, dass viele Geschäfte früh schlossen, da einfach noch nicht viele Kunden da waren. Unsere Portemonnaies waren dankbar. Bestimmt hätte man einiges für Weihnachtsdeko ausgeben können.

Mit weihnachtlichen Melodien im Ohr legten wir das letzte Stück Wegs für den heutigen Tag zurück. Wir übernachteten im Skigebiet Levi, das den Wintersportfans bestimmt bekannt ist. Levi liegt in einer traumhaften Landschaft und wenn wir nicht so hungrig und müde gewesen wären, hätten wir gerne noch einen Spaziergang gemacht. Beim Einchecken ins Hotelzimmer funktionierte unsere Karte nicht. Helmut machte sich auf den Weg zur Rezeption, um den Fehler zu melden. Die Karte wurde neu aufgeladen und voller Freude auf ein leckeres Abendessen wollte er die Zimmertüre öffnen – funktionierte wieder nicht. Etwas knurrig ging er wieder zur Rezeption, ich sang ein beständiges Ommmmm vor mich hin und bewachte unsere Koffer. Die sehr nette Rezeptionistin kam dieses Mal mit, um nach dem Fehler zu schauen, denn das konnte sie sich nicht erklären. Auweia, wie peinlich: wir standen am falschen Zimmer. Die vielen Eindrücke erschöpfen und Helmut hat sich bei der Übergabe der Zimmerkarten irritieren lassen und sich die falsche Nummer gemerkt. Auf den Zimmerkarten stand keine Zimmernummer drauf…. Ich bin bei dem Thema sowieso draußen, den Zahlen sind normalerweise Helmuts Welt *lach.

Endlich konnten auch wir uns dem Abendessen widmen und waren begeistert von dem leckeren Essen vom Buffet.

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Der sechste Tag begann mit einer abenteuerlichen Fahrt durch Lappland. Etwa 40 km ungeteerte Straße verlangsamten unsere Reise. Es kam uns ungefähr pro halbe Stunde ein Auto entgegen, ab und zu sahen wir Rentiere links und rechts der Straße und ab und zu auch auf der Straße.

Wir erfuhren einiges Interessantes über Lappland und ihre Einwohner. In meiner Erinnerung an lange zurückliegenden Schulunterricht heißen die Einwohner von Lappland Lappen. Das empfinden diese allerdings als Schimpfwort. Die Einwohner von Lappland sind die Samen. Es leben wenige Menschen in diesen Regionen. Unsere Reiseleiterin legte eine CD mit traditioneller Musik von den Samen auf und wir genossen die Landschaft, die an uns vorüberzog. Typische Holzhäuser standen ab und zu in Sichtweite zur Straße zum Teil von Bäumen verdeckt. Bären leben hier auch – leider (oder gottseidank?!) hat sich uns keiner gezeigt.

Unter dem Eindruck dieser ganz besonderen Musik und Landschaften verlor ich mein Herz an Lappland. Jetzt, da ich Monate später diese Zeilen schreibe, kann ich noch den Emotionen und Eindrücken der Weite, der Ursprünglichkeit und der Lebensfreude nachspüren.

Am Inarisee (Inarijärvi), dem drittgrößten See Finnlands machten wir eine schöne Pause und staunten wieder über die Gegensätze, die dieses Land zu bieten hat. Auf dem See schaukelten große Yachten, Motorboote und Wasserflugzeuge. Wasserspiele auf dem See erzeugten ein Gefühl von Urlaub und Entspannung. Shopping durfte natürlich auch nicht zu kurz kommen und in den kleinen aber feinen Geschäften konnte man sich mit Kleider aller Art für den kommenden Winter eindecken. Hier weiß man, was gut gegen Kälte ist *lach.

In Gesprächen in der Gruppe kam die Frage auf, wie es sich bei einem medizinischen Notfall in dieser einsamen Gegend verhält. Wir kamen oft an Hubschrauberlandeplätzen vorbei, am Inarisee standen die Wasserflugzeuge und man hat wirklich überall Handyempfang. Sorgen braucht man sich meines Erachtens nicht zu machen. In Deutschland steht der Notarzt auch nicht sofort am gewünschten Ort.

Kurz nach dem Inariesee sahen wir den ersten Wegweiser zum Nordkapp: noch 343 km. Gegen Mittag überquerten wir die Grenze nach Norwegen und fuhren den Porsanger Fjord entlang Richtung Nordkapp. Der Porsanger Fjord ist der viertlängste Fjord in Norwegen und zum Teil 310 m tief. Dass man bei Fjorden auch Ebbe und Flut in großer Deutlichkeit sieht, überraschte mich. Die Dimension der Landschaft in seiner Größe und Weite beeindruckten uns sehr.

Die Mittagspause am Fjord bei Ebbe ermöglichte es, weit in den Fjord hinein zu gehen. Wieder gab es „Dreigangmenü“ mit Brötchen, Wurst und Senf. Brötchen wurden frisch aufgebacken, Wurst gibt es mit Abstand bessere. Einmal auf dieser Reise hätte gereicht. Eine Ausweichmöglichkeit gab es nicht. Apropos Essen, in dieser Gegend, so hoch im Norden wächst die Moltebeere. Sie ist eine gute Vitamin C-Quelle für die Menschen, die hier leben. Die Natur ist schon sehr klug!

Wir fuhren den Porsanger Fjord entlang, machten in Olderfjord nochmal eine kleine Pause und freuten uns auf das Ziel unserer Reise: das Nordkapp. Schon die Anfahrt machte uns sprachlos ob der unbeschreiblichen Natur. Die Dimension der Landschaft sprach ich schon an und ich könnte es immer wieder tun…. man kommt sich vor wie ein kleines Krümelchen auf dieser Erde und kann nur staunen.

Abenteuerlich waren die vielen engen und nur mäßig gut ausgebauten Tunnels. Da doch erstaunlich viele Menschen das Nordkapp mit dem Fahrrad anfahren (ich weiß nicht, wie ich dazu stehen soll…) ist die Situation auf den Straßen noch mehr angespannt. Die Tunnel sind selten beleuchtet, Fahrradwege gibt es nicht und in den Tunnels kommen 2 große Autos (z. B. Bus, LKW, Wohnmobil) gerade so aneinander vorbei.

Es ist also höchste Konzentration vom Fahrer gefragt. An dieser Stelle ein dickes Lob und Dankeschön an unsere beiden Busfahrer, die uns immer das Gefühl der Sicherheit vermittelten. Dieses Lob und Dankeschön gehörte eigentlich an den Abschluss eines jeden Tages!!! Wenn wir uns beim Essen labten und dann müde unsere Zimmer bezogen, sorgten sie für Sauberkeit und Ordnung im Bus, bereiteten mit Bärbel zusammen die exakte Route für den kommenden Tag vor usw. Wenn uns unterwegs einmal die Augen zufielen waren sie entspannt und trotzdem hochkonzentriert am Steuer.

Eberhards Frueh und Spaetsport Danke
Busfahrer Eberhards Sportprogramm: morgens Einladen und abends wieder Ausladen

Endlich waren wir am Ziel dieser Reise! Man kann darüber auf verschiedene Arten berichten: Es regnete, war kalt und stürmisch und man sah nicht viel… und zu Hause waren 34 Grad. Schade, wenn man das so empfindet.

Ich hatte so meine Vorstellungen vom Nordkapp… man fährt durch den Tunnel und ist dann auf der Insel und am Nordkapp…. jo, nicht falsch, aber eigentlich überhaupt nicht richtig. Dass die Insel 925,7 qkm hat ist der erste Punkt, den ich mir nicht vorstellen konnte. Es sind fast 50 km auf recht engen Straßen durch einsame schroffe Natur und unendlicher Weite vom Nordkapptunnel bis ans Nordkapp zu fahren. „Das Nordkapp ist der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas“, sagt Wikipedia.

Ich war tief beeindruckt und sog jede Kleinigkeit in mich auf. An der Kugel zu stehen war für mich ein Erlebnis, das ich vermutlich nur in diesem einen Zeitfenster von 2 Stunden in meinem Leben hatte. Der Regen störte mich nicht, er gehört in diesen Breitengraden dazu, genauso wie der Wind. Im Museum wurden uns in einem Film Eindrücke über das Leben auf der Nordkapp-Insel gezeigt und unser Staunen wurde immer größer. Hier leben ca. 3000 Menschen mit der Natur und der sehr rauen Witterung.

Unser Hotel befand sich in Kamoyvaer auf der Nordkapp-Insel und war urig und gemütlich. Es gab die eine und andere negative Stimme dazu – uns gefiel es. Es war blitzsauber und unser Bad war renoviert. Ich versuchte mir vorzustellen, wie man hier in monatelanger Dunkelheit bei Wind und Wetter und jeder Menge Schnee leben kann.

Nach dem Abendessen hatten wir die Gelegenheit bei der Künstlerin Eva Schmutterer einen Besuch zu machen. Dieses Angebot nahmen wir gerne an: super, mit jemandem reden zu können, der hier wirklich lebt!! Sie kam vor vielen Jahren der Liebe wegen von Deutschland in diese Region. Gerne beantwortete sie unsere Fragen und wir erfuhren vieles über das alltägliche Leben auf dieser Insel. Eine Situation, die in unseren Breitengraden unvorstellbar wäre ist z. B. die, dass man sich im Winter zum Einkaufen verabredet, hinter dem Schneepflug im Konvoi in die nächste Stadt nach Honningsvag fährt und genauso auch wieder zurück. Wenn die Bewohner von Kamoyvaer im Winter einmal einige Zeit von der Außenwelt ganz abschnitten sind, schicken sie dem Bürgermeister per Mail ihre Einkaufslisten und sobald es irgendwie möglich ist, werden die Waren per Boot angeliefert. Das ist jedes Mal ein Fest im Ort und wer es möglich machen kann steht an dem kleinen Hafen und bejubelt die Ankunft des Bootes.

Mit speziellen Lichtlampen gleichen sie den Mangel an Licht aus und sogar die Haustiere haben jeden Tag ihre Zeit, unter der Lichtlampe ihre Serotonin-Depots aufzufüllen. Die Häuser sind im Boden verankert, damit ihnen der Sturm nichts anhaben kann. Spezielles Fensterglas kann sich nach innen wölben und so dem Wetter trutzen. So eine ganz andere Welt, andere Gegebenheiten, extreme klimatische Verhältnisse usw. beeindrucken mich zutiefst und ich habe großen Respekt vor Menschen, die sich dort zurechtfinden und sogar wohl fühlen.

Wir erfuhren übrigens im Nachgang, dass am Tag vor und am Tag nach unserem Besuch am Nordkapp dieses wegen Orkan gesperrt war. Wohnmobile können direkt am Nordkapp stehen und bei dem Orkan seien einige umgefallen…. das erste Mal, dass ich richtig froh war, mit dem Bus dort zu sein.

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Das Frühstück am siebten Tag war wie zu Hause nur mit Blick auf einen kleinen Hafen und mit mehr Menschen. Es gab kein Buffet, sondern alles stand auf dem Tisch. Ich fand es gemütlich und passend für diese Gegend. Die Rezeption muss man sich wie ein großes Wohnzimmer vorstellen, auf mich wirkte alles sehr heimelig. Die Frau, die strickend in dem überdimensionalen Sessel saß, verstärkte diesen Eindruck noch. Ich wäre gerne noch geblieben…

Das Nordkapp verabschiedete sich von uns mit einem herrlichen Regenbogen. Die Fahrt ging Richtung Vesteralen und Lofoten. Ich war froh, dass ich die Landschaft vom Bus aus auf mich wirken lassen konnte und wenig intensives Programm geplant war.

Eine Pause machten wir an der Nordlicht-Kathedrale in Alta und eine weitere auf dem Gildetun Rastplatz, von wo aus wir einen herrlichen Blick auf die grandiose Landschaft hatten. Interessant war auch, im Fjord die kreisrunden Lachsbecken zu sehen. Ich weiß nicht, wie sie korrekt heißen.

Unser nächstes Hotel war in Tromsö am Hafen und nach dem Abendessen erkundeten wir noch auf eigene Faust die Gegend. Im Sommer kann es hier 20 Grad werden. Da der Golfstrom hier vorbeikommt, ist das Klima angenehm. Tromsö hat einen Flughafen und einen Hausberg, auf den man mit einer Seilbahn hinauf fahren kann. Das wäre doch auch nochmal eine Reise wert.

Einen Absatz widme ich den lieben Mitreisenden und meinen Beobachtungen dazu. Man wächst schnell zu einer Zweckgemeinschaft zusammen und jeder respektiert den Freiraum des Anderen. So hatten wir nicht den Eindruck, irgendwelche Gespräche aufgedrückt zu bekommen. Gemeinsames Interesse waren die vielen unglaublichen Eindrücke dieser Reise. Mit einem Schmunzeln denke ich an unsere beiden Senioren, die offensichtlich nicht wissen, dass eine Warteschlange hinten beginnt *lach. Auch die beiden Damen, die weite Strecken einfach verschlafen haben, störten niemanden. Ganz interessant finde ich immer noch die Geschichte der beiden Frauen mit dem gleichen Nachnamen. Warum das so ist? Sie waren beide einmal mit dem gleichen Mann verheiratet. Familien-geschichten können auch friedlich und schön enden. Auch die Mitreisende mit der lauten Stimme störte mich nicht – aber nur, weil ich ziemlich vorne im Bus saß und sie ziemlich hinten. Verwundert habe ich ab dem 5./6. Tag Gespräche mitbekommen, wo man sich ernsthaft Gedanken darüber machte, ob das Taxi für die Heimfahrt bestellt ist und ob man sich darauf verlassen könnte. Es ist schon interessant, was für unterschiedliche Menschen in einem Bus zusammengewürfelt sind. Einige Kontakte haben sich bis heute gehalten und ich freue mich, wenn ich von dem einem oder anderen etwas höre oder sehe.

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Der achte Tag versprach wieder interessante Eindrücke. Die erste Pause machten wir an einem Samenzelt, wo die Samen warme Schuhe, Jacken, Mützen, Trolle uvm. verkauften. Urig fand ich das offene Lagerfeuer mitten im Zelt. Von der knapp bemessenen Pausenzeit verloren wir wertvolle Minuten an der Hightech-Toilette. Natürlich stand wieder eine Schlange an und wir freuten uns, dass wir vor dem nächsten Bus angekommen waren. Das Problem war, dass die Türen immer wieder aufgingen und niemand sich die Zeit nahm, die Technik zu verstehen und das Wissen dann weiterzugeben. So war helle Aufregung, wer wem die Türe zuhält. Ganz besondere Herausforderungen auf so einer Reise *lach. Die Gegensätze Hightech-Toilette und Verkaufszelt der Ureinwohner beeindruckten mich wieder einmal.

Auf der weiteren Reise erfuhren wir geschichtliche Hintergründe, denn Bardufoss, wo wir vorbei fuhren, ist heute ein wichtiger Standort militärischer Einrichtungen und die meisten der 2500 Einwohner sind wirtschaftlich direkt oder indirekt davon abhängig. Der Flugplatz war im 2. Weltkrieg strategisch wichtig. Vor Narvik gab es 1940 ein großes Seegefecht – ein unschönes Kapitel deutscher Geschichte.

Ab Narvik fuhren wir den 80 km langen Ofotfjord entlang, der 550 m tief ist und von 1700 m hohen Bergen umgeben ist. Hier sind wir wieder beim Thema Dimensionen.

Zum Mittagessen gab es nun zum 3. Mal Brötchen, Wurst und Senf. Nur der Hunger trieb es rein und ein leckeres Softeis musste den Frust stillen. Das hat das Eis auch geschafft!!! Eis in Skandinavien ist lecker und obwohl die Temperaturen frisch sind, wird unendlich viel Eis gegessen. An jeder sinnvollen Möglichkeit steht ein Geschäft oder ein Stand mit Softeis. Das Softeis ist übrigens mit dem, was wir in Deutschland kennen nicht vergleichbar.

Wieder ein wenig Angeberwissen:

Über die Tjeldsundbrücke kamen wir auf die Vesteralen, eine Inselgruppe, die den Lofoten vorgelagert ist. Man kann den Unterschied leicht erkennen: die Vesteralen haben runde Bergkuppen, da in der Eiszeit der Eispanzer darüber gegangen ist. Die Lofoten haben spitze und zackige Berggipfel – sie schauten aus dem Eispanzer heraus. Endlich habe ich verstanden, was ich vor vielen Jahren in der Schule lernen sollte….

Auf Verkehrsschildern stand eine Ortschaft mit Namen A i Lofoten, ein Tipp fürs Kreuzworträtsel.

In dieser Gegend leben die Menschen in erster Linie vom Fischfang. Kabeljau wird zu Stockfisch verarbeitet und in alle Welt verkauft. Erst an zweiter Stelle kommt der Tourismus.

Es gibt sogenannte submarine Tunnel, die als Ersatz für Fähren unter dem Wasser durchführen. Man kann es spüren, denn zunächst fährt man leicht bergab und dann wieder bergauf.

Das größte Tier auf den Lofoten ist der Fuchs.