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2022 – Das kann man nicht buchen – Istanbul einmal ganz anders

Im Mai 2021 flatterte ein Prospekt ins Haus mit einem Reisevorschlag nach Istanbul, Dubai und Abu Dhabi, der uns sofort begeisterte. Tolles Rahmenprogramm mit Besichtigung vieler Sehenswürdigkeiten, einem Ausflug in die Wüste und einem Abendessen auf einem Schiff vor der Kulisse Dubais. Ich war sofort hin und weg.

Corona war immer noch ein großes Thema, aber optimistisch wie ich bin, war ich mir sicher, dass dieses Thema immer kleiner wird und man ganz bestimmt wieder problemlos Urlaub buchen und genießen kann. Eine kleine Beruhigung war die Tatsache, dass wir in 2020 eine Barcelona-Busreise über den gleichen Reiseveranstalter gebucht hatten, die pandemiebedingt abgesagt werden musste. Unser Geld (wir hatten bereits den vollen Betrag bezahlt) bekamen wir ohne Probleme wieder zurück.

Die mentale Vorbereitung war dann doch eine Herausforderung, denn Corona war treuer als uns lieb ist. Täglich änderten sich die Regeln und wir waren auch darauf gefasst, dass die Reise abgesagt werden muss.

Letzte Informationen ergaben, dass wir mit einem negativen PCR-Test reisen können, geimpft und geboostert – versteht sich von selbst – und den Test selbst bezahlt natürlich auch. Wir mieden Kontakte noch mehr und hielten die Luft an, als die „Positiv-Meldungen“ von Kindern, Enkeln und dem einen und anderen Bekannten sich häuften.

Dienstag, der 15.02.2022 war endlich der finale Testtag und wir waren sehr froh, dass dieser PCR-Test negativ war. Nun stand einer Winterflucht und einem Ausflug in eine ganz andere Welt nichts mehr im Wege.

Donnerstag 17.02.2022

Am Reisetag waren heftige Sturmtiefs in Deutschland unterwegs. Auf dem Weg zum Flughafen hörten wir im Autoradio, dass von Stuttgart aus alle Flüge starten können. Gut!

Auf der Anzeigetafel im Flughafen sahen wir schon: Flüge nach Hamburg waren gecancelt… oje, blöd für alle Betroffenen.

Beim Einchecken ging alles zügig voran und wir schüttelten mal wieder den Kopf über die sich ständig ändernden Corona-Regeln: den PCR-Test hätten wir gar nicht mehr gebraucht….

Der Flug war recht holprig, aber wenn es weiter nichts ist, wollen wir nicht klagen. Am Flughafen in Istanbul bekamen wir die Nachricht, dass Flüge mit Gruppenteilnehmern aus Berlin und München erst spät am Abend bzw. in der Nacht ankommen und unser Programm sich an diesem Tag deshalb ändert. Für uns war es etwas dadurch entspannter. Wir aßen mit den Teilnehmern aus Düsseldorf, Köln, Frankfurt gemeinsam zu Abend, lernten uns schon etwas kennen und kamen früh ins Bett.

Die Berliner Teilnehmer erreichten um 23 Uhr in der Nacht das Hotel und die Münchner um 1.30 Uhr erfuhren wir am anderen Morgen.

Freitag 18.02.2022

Nach dem Frühstück sind wir als komplette Gruppe von 16 Personen in einen interessanten Tag gestartet: Besichtigung des Topkapi-Sultanspalast, historische Wasserzisternen mit beeindruckender Video-Animation und einem Besuch des großen Bazars.

Um 16.30 Uhr wurden alle Teilnehmer im Hotel PCR getestet. Das war für die Einreise nach Dubai am kommenden Abend nötig. Abends erlebten wir eine Dinner-Cruise auf dem Bosporus mit Folklore Darbietungen. On Top hatten wir noch eine Vollmondnacht und die Bilder mit dem vollen Mond über der Bosporus Brücke waren und sind es heute noch sehr beeindruckend. Voller Vorfreude auf einen weiteren interessanten Tag in Istanbul und dann auf Dubai gingen wir abends schlafen.

Samstag 19.02.2022

Nach dem Frühstück wurden die PCR-Ergebnisse verteilt… 3 Frauen waren leider positiv – darunter auch ich. Eine hatte eine leichte Erkältung, ich und die andere nichts.

Nun mussten rasch Entscheidungen gefällt werden: wollen die Männer nach Dubai weiterreisen? Puh, offensichtlich sind unsere Beziehungen ok – nein, sie wollten bei uns bleiben.

Wollen wir in ein Krankenhaus oder im Hotel bleiben? Auch diese Entscheidung fiel uns leicht: wir fühlen uns gut und bleiben im Hotel. Die Reiseleiterin sagte zu, sich wieder zu melden und musste sich der Gruppe und den geplanten Tageszielen zuwenden. Wir Frauen schickten unsere Männer noch auf den Ausflug mit. Bis auf einen haben sie dieses Angebot angenommen. Wie sie später berichteten, konnten sie den Ausflug natürlich nicht genießen. Aber wenigstens waren sie etwas abgelenkt.

Das Hotel stellte im Erdgeschoß, am äußersten Ende des Hotels und des Flures 3 Doppelzimmer als Quarantänestation zur Verfügung. Das Hotel ist ein 5*Haus und die Zimmer sind geräumig, schön und sehr sauber. Auch das Essen war lecker. Nachteil war, dass unser Zimmer in einer schmalen Gasse lag und auf der anderen Straßenseite wieder mehrstöckige Häuser standen. Dadurch kam nur wenig Tageslicht in die Zimmer. Normalerweise ist man nur zum Schlafen im Zimmer, aber in unserem Fall hätten wir schon gerne etwas Himmel gesehen.

Wir räumten unsere Zimmer ein und trafen uns immer wieder auf dem Hotelflur getroffen um uns gegenseitig Mut zusprechen.

Sonntag 20.02.2022

Tag zwei der Quarantäne beginnt oder schon der Dritte? Die Informationen die uns erreichen über Quarantäneregeln in der Türkei waren widersprüchlich. Das einzige, was bisher sicher schien war, dass man mit positivem Test sieben Tage in Quarantäne muss und sich ab dem 5. Tag frei testen kann. Allerdings muss man trotzdem die sieben Tage in der Türkei bleiben.

Wir Frauen saßen viel auf dem Hotelflur und richteten uns dort „wohnlich“ ein. Wir, das sind Margit (mit Volkmar) aus der Gegend um Berlin, Marianne (mit Sepp) aus der Gegend um Cham und Monika (mit Helmut) aus der Nähe von Karlsruhe.

Die Männer machten immer wieder mal einen Erkundungsmarsch und wir spielten Rommee und erzählten uns aus unseren Leben. Schon nach dieser kurzen Zeit waren wir uns recht vertraut. Abends bestellten wir Essen im Hotel und holten es vor der Zimmertüre ab – das war gewöhnungsbedürftig aber es gibt Schlimmeres. Anschließend saßen wir wieder im Hotelflur und erzählten uns Geschichten und desinfizierten mit Blutwurz unseren Rachen. Wieder ein gutes Team: jeder hatte etwas von Deutschland dabei: Halstabletten, Taschenmesser, Blutwurz usw. „Wir machen das Beste draus“, das war immer wieder unsere Parole.

Montag 21.02.2022

Tag 4 der Quarantäne zeigte, dass die Unsicherheit in der Situation doch an allen Nerven zerrte. Wie sind die Regeln? Wie verhalten wir uns korrekt im Hotel. Über unsere Reiseleiterin bekamen wir immer wieder Informationen, die wir nicht verstanden. Bisher gingen die Männer immer an die Rezeption und bestellten z. B. Essen für uns, das uns dann vor die Zimmertüre gestellt wurde. Das soll nur noch telefonisch geschehen und die Männer sollen sich, außer zum Frühstück nicht im Hotel blicken lassen.

Wir versuchten Verständnis für die Situation des Hotels zu finden: sie wollen den frechen Virus nicht im Haus haben und wissen nicht, wen sie mit uns im Haus haben und wer irgendwelche Kosten übernimmt.

Unser Essen kam auf Plastik mit Plastikbesteck in Unmengen Alufolie eingepackt. Auf Room Service warteten wir gar nicht erst.

Marianne hatte ein längeres Telefonat mit der Reiseleiterin und wir bekamen die frohe Kunde, dass wir durch einen Hintereingang in den Hotelgarten dürfen und Teller, Besteck und Gläser gebracht bekommen. Dies haben wir täglich selbst gespült. So mußten wir wenigstens unser Obst nicht über dem Waschbecken essen und konnten ein bisschen Esskultur genießen.

wichtige Utensilien
wichtige Utensilien

Helmut und Sepp waren auf dem Markt und versorgten uns mit Obst, Tomaten, leckerem Käse usw. Auch Spüllappen haben sie gefunden! Die Spaziergänge im Hotelgarten waren eine willkommene Abwechslung. Tageslicht zu sehen und frische Luft zu atmen: welche Wohltat!! Sonderbar war es trotzdem. Wir wurden vom Wachmann des Hotels beobachtet, vermutlich um zu sehen, ob wir uns auch an die Regeln halten. Das taten wir natürlich vorbildlich!!! Der Gedanke, dass wir gar nicht mehr raus dürften, bei Missachtung der Regeln, war uns ein Graus.

So langsam wurden unsere Köpfe etwas klarer und wir stellten uns natürlich die Frage, welche Kosten kommen auf uns zu, welche Versicherung tritt ein usw. Wir besprachen auch hier einen gemeinsamen Weg, der alle Aktivitäten auf zu Hause verschob. Dort wollen wir Informationen sammeln und dann weiter entscheiden. Erst mal aus dieser Situation heraus kommen. Helmut hatte die Deutsche Botschaft angeschrieben mit der Bitte, uns über die aktuellen Bestimmungen zu informieren. Hoffentlich kommt niemand wirklich in Not, denn die Deutsche Botschaft hat nie geantwortet. (Nachtrag: als wir zu Hause waren antwortete die Deutsche Botschaft und entschuldigte sich: sie sind/waren Corona bedingt personell unterbesetzt…. na sowas).

Der Reiseveranstalter meldete sich. Frau H. ist sehr nett, hörte sich unsere Sorgen an und sagte zu, sich intensiv um uns zu kümmern.. Die Bitte, doch jeden Tag kurz durchzurufen, verstand sie und verspach, das auch zu tun.

Eine besondere Art von Humor stellte sich ein: Galgenhumor. Wir machten „Frühsport“ auf unserem ca. 5 m langen Hotelgang. Die Reaktionen auf den WhatsApp-Status mit diesem Video waren groß und viele Mutmachkommentare erreichten uns.

Das Wetter hatte sich unserer Situation angepasst: es war kalt und regnete in Strömen. Man bedenke, dass wir 2 Tage Türkei und 8 Tage Dubai gebucht hatten. Entsprechend sah die Kleidung in unseren Koffern aus. Unterhosen haben gereicht, der Rest war knapp und wir haben immer wieder mal was durchgewaschen. Ich vermisste sehr meine Wärmflasche und eine warme Jacke. Im Hotelflur saßen wir meistens im Anorak. Ja, die Heizung hat super funktioniert: eine Klimaanlage die warme Luft bläst und das 24 Stunden am Tag war nicht sehr angenehm. Wenn man sie niedriger eingestellt hatte, war es gleich zu kalt und fußkalt war es sowieso. Also legten wir uns ab und zu aufs Bett und wärmten die Füße unter der Decke.

Wenn die Männer in Istanbul unterwegs waren, kam Helmut meist mit nassen Füßen ins Hotel zurück. Dubai-Schuhe taugen nichts für Istanbuls nassen Vorfrühling. Er fand eine Stelle im Zimmer, an der das Gebläse der Heizung besonders gut ankam und trocknete dort über Nacht seine Schuhe. Es hat funktioniert und zeigt wieder einmal, dass man doch einfallsreich wird, wenn es nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat.

Dienstag 22.02.2022

Die täglichen Anrufe der Reiseleiterin vor Ort entwickelten sich zum Nervenkrieg. Wir hatten das Gefühl, überwacht zu werden… Heute kam die Information, dass morgen für uns Frauen Antigentests vorgesehen sind und die Männer PCR getestet werden sollen. Wer eins und eins zusammenzählen kann, der kann sich ausrechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass wir unsere Männer angesteckt haben. Trotz FFP2-Maske – die wir zum Schlafen natürlich nicht auf hatten. Das würde heißen, dass für denjenigen, den es trifft, die Quarantänezeit wieder neu beginnt = wieder sieben Tage. Das einzige was sicher war, war die Tatsache, dass Deutschland keinen Test zur Einreise verlangte. Frau H. vom Reiseveranstalter versuchte von Deutschland aus Informationen zu bekommen, ob ein PCR-Test  zur Ausreise nötig ist. Nach ihrer Schilderung war auch das nicht leicht, weil jede offizielle Stelle andere Informationen hatte. Am Spätnachmitttag kam dann der erlösende Anruf: die Frauen bekommen PCR Tests und die Männer brauchen keinen. Puh, da sind viele Steine von 6 Herzen gefallen. Eine Stunde später erreichte uns wieder ein Anruf der Reiseleiterin, die unsere Informationen nicht für wahr hielt. Erst ein sehr scharfer Ton meinerseits bewog sie, beim Reiseveranstalter oder ihrer Agentur oder wo auch immer nochmal nachzufragen. Eine knappe WhatsApp: Die Frauen bekommen PCR-Tests und die Männer brauchen sich nicht testen lassen war dann die Reaktion. Unsere Erfahrung mit ihr sagte uns, dass sie mit diese Entwicklung nur schwer umgehen kann…

Mittwoch 23.02.2022

So langsam hatten wir einen geregelten Tagesablauf: Frühstück auf dem Hotelflur. Die telefonische Bestellung klappte auch immer besser. Ich spreche nur ein wenig englisch und am Telefon ist das schwieriger als von Angesicht zu Angesicht mit Händen, Füßen und Mimik.

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Türkisches Frühstück

Gegen Mittag kamen zwei Personen und haben uns getestet (mouth and nose … kannte ich so auch nicht).

Sepp und Helmut gingen wieder auf Istanbul-Tour besser gesagt auf Einkaufstour, wir Frauen drehten unsere Runden im Hotelgarten, übrigens ein großer gepflasterter Platz… Hotelgarten klingt schön….. Eine ehemalige Kollegin reagierte auf ein Foto mit der Bemerkung: „das ist ja wie Knast“ – ich war da noch nie, aber so stelle ich es mir auch vor. Ein kleines Video im WhatsApp-Status lies Verwandte und Freunde teilhaben.

Hinterhof vom Hotel 1
Hinterhof des Hotels

Das Warten auf das Testergebnis war erträglich, hatten wir doch noch Zeit bis Freitag… wenn heute noch nicht negativ, dann eben morgen. Nachmittags kam dann das Ergebnis: Margit und ich waren negativ, Marianne noch positiv. Ich war erleichtert, konnte mich aber gar nicht richtig freuen. Marianne hat den Schreck mit den positiven Gedanken: „dann eben morgen“, weg gesteckt. Ein Anruf der Reiseleitung machte dies wieder zunichte, denn sie behauptete, dass man 48 Stunden warten müsse, um einen neuen PCR-Test zu bekommen. Frau H. vom Reiseveranstalter wurde sofort wieder per Mail kontaktiert und sagte zu, dass jeden Tag ein PCR-Test gemacht wird. Wieder kam nur eine kurze WhatsApp von der Reiseleitung „morgen früh neuer PCR-Test für Marianne“.

Wir staunten über uns und unsere Emotionen: wie eng Menschen, die sich vorher gar nicht kannten und sehr verschieden sind in so einer Situation zusammen wachsen können. Jeder war geknickt und hat mit Marianne gelitten. Ihre Erkältung bekämpften wir mit allem, was uns einfiel. Sepp und Helmut waren mehrfach in Apotheken und kauften Paracetamol, Vitamin C (das wird in der Türkei empfohlen), Globulis, Vitamin D. Ja, das hilft nur gegen die Symptome, nicht gegen das Virus – ich weiß, trotzdem klammerten wir uns an alles…

Unseren Frust konnten wir mit lustigen Ideen im Griff halten: kegeln mit leeren Wasserflaschen. Volkmar formte aus den vielen Alufolien, in die unser Essen eingewickelt und abgedeckt wurde, einen Ball – und fertig war die Kegel-Kugel.

Das abendlich bestellte Hotelessen war zwar immer noch lecker, aber wir hatten so langsam Appetit auf Gemüse oder einfach auf etwas anderes.

Donnerstag 24.02.2022

Der sechste Quarantänetag brauchte mehr Aufwand, positiv zu denken, als bisher. Das Warten auf Mariannes PCR-Test und das Ergebnis – das sehr spät abgenommen und übermittelt wurde machte uns mürbe. Wir freuten uns, dass wir miteinander diese Tage durchleben und nicht alleine in dieser Situation steckten. Irgendwann fiel uns ein, dass in Deutschland Weiberfastnacht ist und flugs war eine neue Idee geboren: Polonaise: verkleidet mit Kopftuch und Sonnenbrille – wieder ein Lacher bei den WhatsApp-Status-Followers. Nun ja, wie es uns wirklich ging, erzählen wir dann später…

Im TV erreichten uns die schrecklichen Bilder aus der Ukraine. Das lag uns sehr schwer auf der Seele bzw. tut es noch. Ein Blick auf Google Maps zeigte noch einen Grund, zügig nach Hause zu kommen: wir sind ziemlich nah dran. Nein, Kriegsangst brauchten wir nicht zu haben, aber wenn die Welt so ins Straucheln gerät, will man zu Hause sein.

Es half in diesen Tagen sehr, mit vielen lieben Menschen über WhatsApp Kontakt zu haben. Da ist natürlich zuerst die Familie, aber auch viele Freunde, Bekannte, Kollegen, Nachbarn, nahmen auf wirklich schöne Art Anteil und sandten immer wieder einen Lichtstrahl.

Sepp und Helmut waren wieder mal zu Fuß unterwegs und als sie ins Hotel zurück kamen, bekam Sepp das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht: er lies sich bei einem Barbier verwöhnen. Helmut machte Fotos und Filme, damit wir Frauen und Volkmar auch ein wenig daran teilhaben konnten: Haare schneiden, rasieren mit Schaum und Klinge, Nasenhaare mit Heißwachs entfernen, Ohrenhaare mit Heißwachs und offenem Feuer abflammen, zum Abschluss noch eine Gesichtsmassage. Das sei ein unvergessliches Erlebnis gewesen, war sein Kommentar. Volkmar liebäugelte auch damit und als Sepp und Helmut ihm zusagten, ihn zu begleiten, nahm er seinen Mut zusammen und lies sich auf das Abenteuer ein. Da ihm der Barbier eine ganz andere Frisur verpasste als er es sich vorstellte, bekam er am Anfang einen Schreck, wenn er in den Spiegel blickte. Unsere Begeisterung für den neuen Volkmar sprang dann aber auch auf ihn über.

Mariannes Test war wieder positiv und wir alle am Boden zerstört. Wir wollten am Samstag ALLE nach Hause fliegen und nicht Marianne und Sepp zurück lassen müssen. Die beiden trösteten sich ein wenig damit, dass sie dann trotz positivem Test ab dem siebten Tag das Hotel verlassen und mit ihrem Mann in Istanbul unterwegs sein dürfte (verstehe einer diese Regeln). Aber eigentlich wollten weder sie noch wir diesem Gedanken Raum geben.

Sich gegenseitig Mut zu machen, das war unser Bestreben. Jeder hatte mal einen Durchhänger und die Gruppe hat es aufgefangen. Tag für Tag wurde dies aber anstrengender.

Abends hatten wir ein besonders schönes Erlebnis: Auf dem Hotelflur – außerhalb der Seuchenstation (Quarantänezimmer) waren noch mehr Zimmer mit Gästen. Wir hatten schon ab und zu mit ein paar jungen Männern gesprochen. Einer davon war ein Doktor und sprach Englisch, mit den anderen haben wir mit Händen und Füßen geredet und fanden sie nett und lustig. Einer aus dieser Gruppe, ein 29-jähriger Iraker stellte uns ein Päckchen vor unseren Hotelflurabschnitt mit der Bemerkung: „a gift for you“. Da war eine leckere Vorspeise für 6 Personen drin, die wir sofort begeistert teilten (Fladenbrot, gegrilltes Fleisch, verschiedene Dips, Soßen und Salate). Beschämt haben wir uns gefragt, ob wir das umgekehrt auch gemacht hätten. Vermutlich nicht. Wir hätten uns viel zu viele Gedanken gemacht: was sollen wir machen, mögen die das, usw … wieder etwas gelernt!!

Leckeres Geschenk edited scaled
leckeres Geschenk: Vorspeise für Zwei

Den Doktor fragten wir nach einem Zaubertrank gegen Corona Viren. Wenn es einen gegeben hätte, hätte er ihn uns gerne besorgt. Wir konnten sehen, wie leid ihm unsere Situation tat.

Der tägliche Anruf von Frau H. hätte normalerweise große Freude auslösen können: Für Margit und Volkmar sowie Helmut und mich waren die Flüge am Samstag gebucht, für Marianne und Sepp nur angemeldet. Erst mit negativem Ergebnis können sie fest gebucht werden.

Das ist alles super und korrekt und lag trotzdem wie ein Stein auf allen Herzen. Frau H. sagte zu, dass die Buchung auch kurzfristig am Freitag umgesetzt werden kann.

Freitag 25.02.2022

Ich habe es beibehalten, mit Marianne im Hotelflur zu frühstücken. Mir hätte es am Frühstücks Büfett nicht geschmeckt, wenn ich sie alleine im Zimmer gewusst hätte. So war uns beiden geholfen. Relativ früh wurde der PCR-Test durchgeführt. Wir konnten an diesem Tag unsere Stimmung nicht hoch halten. Sitzen, warten, Hofgang, warten, Hunger war auch keiner da. Jeder lag in seinem Zimmer rum und versuchte sich irgendwie zu beschäftigen. Kofferpacken war definitiv noch keine Beschäftigung. Auf einmal ein Schrei, wir rannten alle zur Türe und da hat uns Sepp schon tränenüberströmt in die Arme genommen: sie ist negativ. Wir weinten alle miteinander vor Freude.

Noch eine gute Nachricht wurde uns von Frau H. übermittelt: Der Reiseveranstalter übernimmt die Kosten für Hotel mit Frühstück. Super!!, aber im Moment nicht wichtig.

Ein Plan war schnell gemacht: Koffer packen, einen Spaziergang ans Wasser machen (das war gar nicht weit weg), das von Sepp und Helmut erkundete Viertel rund ums Hotel anschauen und Abendessen im Hotel – richtig im Restaurant an einem richtigen Tisch.

Vorher kam noch der unangenehme Teil: eine persönliche Begegnung mit der Reiseleitung, denn sie sollte uns die Testergebnisse übergeben. Das war mehr als komisch und wir waren alle froh, als dieses Aufeinandertreffen vorbei war. Später kam eine WhatsApp: wir werden um 5.45 Uhr mit dem Taxi am Hotel abgeholt. Wir wunderten uns ein wenig, denn wir hatten mit früher gerechnet – aber wir kannten ja die Straßenverhältnisse um diese Uhrzeit nicht. Wir verabredeten, um 5 Uhr aufzustehen und darauf zu achten, dass niemand verschläft.

Samstag 26.02.2022

Helmut stellte seinen Wecker um 4.45 Uhr. Um 4.55 Uhr klingelte das Zimmertelefon und die Rezeption teilte mit: „Your Taxi is waiting“. Ich hätte den Sinn auf Deutsch nicht verstanden – auf Englisch war es noch schwieriger. Irgendwie kam meine pragmatische Ader durch und ich sagte, dass wir uns beeilen (keine Ahnung, woher ich den Wortschatz hatte, dass der Rezeptionist mich verstand). Ein Anruf in den Nebenzimmern: „Zack Zack, aufstehen, anziehen, Koffer schließen (Gottseidank hatten wir das meiste schon gepackt): das Taxi steht schon oben“. Um 5.20 Uhr standen wir in der Hotelhalle, strubbelig, zitterig und irgendwie sauer. Wir mussten noch ein paar Minuten warten, denn das Lunchpaket war natürlich auch noch nicht fertig. Der Taxifahrer signalisierte uns, dass wir noch in der Zeit sind und das beruhigte uns ein wenig. Im Taxi haben wir uns gefragt, ob das nun Schikane, Dummheit oder ein Versehen der Reiseleitung war, denn sie hatte sich darum zu kümmern. Eine Antwort werden wir nie erfahren. Also, auf ein Neues: aufstehen, Krönchen richten und sich auf zu Hause freuen.

Der Airport Istanbul ist sehr groß. Trotzdem fanden wir uns recht schnell zurecht und beschlossen, dass wir erst unsere Koffer aufgeben, einchecken und dann gemeinsam unsere Lunchpaket verspeisen. Eine kleine Schwierigkeit stellte sich uns in den Weg, denn außer Helmut und ich hatte keiner seinen Einreiseantrag nach Deutschland digital gemacht, sondern in Papierform dabei. Das wurde an den Schaltern nicht akzeptiert. So standen wir in der Reihe der Menschen, die das auch noch machen mussten.

Margit und Volkmar signalisierten uns, dass sie Hilfe benötigen. Als ich hinkam, waren beide ziemlich am Ende: ihre Flüge sind storniert, wurde ihnen vom Schalterbeamten der Turkish Airlines gesagt. Neee, wir wollen ALLE heim, das darf doch nicht wahr sein. Meine Rückfragen ergaben das Gleiche: da wir nicht nach Dubai geflogen sind, wurden die Flüge storniert Komisch, die von uns anderen nicht. Es gab die Gelegenheit neu zu buchen. Es war keine Zeit mehr zu überlegen und zu diskutieren. So begleitete ich die Beiden an den entsprechenden Schalter und sie buchten für 585 € wenn ich es noch richtig weiß, 2 Plätze in der Maschine. Dann mussten sie sich zum Einchecken an eine andere Schlange anstellen. Weil sie so sehr aufgeregt waren, bin ich dann wieder dazu gestoßen, als sie an dem Schalter ankamen. Die freundliche Schalterbeamtin fragte sie gerade, warum sie denn 4 Plätze gebucht hätten. Die vom Reiseveranstalter gebuchten Plätze waren ganz ordnungsgemäß auf ihrem Bildschirm, plus die beiden soeben gebuchten Plätze. Ich versuchte, es ihr zu erklären. Da die Zeit mittlerweile drängte, schrieb sie noch die Nummern der nicht genutzten Plätze auf und wir konnten gemeinsam weiter hetzen: kurz einen Schluck trinken und die Zugänge zu den Gates suchen. Noch ein kurzer Stopp auf Toi, ein kurzer Drücker zum Abschied und jeder rannte zu seinem Gate. Wir haben es alle gerade rechtzeitig geschafft und landeten endlich glücklich in Deutschland.

Von der ursprünglichen Gruppe konnten wir gottseidank noch mit Erika die Handynummer tauschen und somit im WhatsApp-Status die eigentlich geplante Reise mitverfolgen…. Wäre auch schön gewesen, aber solche Emotionen und Freunde hätten wir nicht gewonnen. Im Rückschauen kann ich ehrlich sagen: diese Erfahrungen möchte ich nicht mehr missen!

Mit ein wenig Abstand schauen wir sehr dankbar auf unseren Reiseveranstalter, die Begleitung und Unterstützung vor Ort sowie die großzügige Geste der Übernahme der Istanbuler Kosten. Auch die Zusage an Margit und Volkmar, bei der Rückerstattung von Turkish Airline zu helfen ist ein großes Lob und Dankeschön wert!!